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Linkspartei: Populismus für Arme

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Die Steigbügelhalter der Steigbügelhalter Linkspartei: Populismus für Arme

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Politik

Eine Polemik zur postlinken Lust am Selbstbetrug in der manifesten sozioökologischen Systemkrise

Ines Schwerdtner auf dem Halleschen Parteitag der Linkspartei. Sie wurde, zusammen mit Jan van Aken, zur Parteivorsitzenden der Linkspartei gewählt. Halle (Saale), 19. Oktober 2024.
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Ines Schwerdtner auf dem Halleschen Parteitag der Linkspartei. Sie wurde, zusammen mit Jan van Aken, zur Parteivorsitzenden der Linkspartei gewählt. Halle (Saale), 19. Oktober 2024. Foto: Ferran Cornellà (CC-BY-SA 4.0 cropped)

Datum 2. Dezember 2025
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Sie sind alles andere als bescheiden, wenn es um ihre ostentativ zur Schau gestellte Bescheidenheit geht. Die Führungsfiguren der sogenannten „Linkspartei“ (Partei die Linke – ab jetzt PDL), Ines Schwerdtner und Jan van Aken, verzichteten im Herbst 2024 auf einen Teil ihres Gehalts, um fortan den statistischen deutschen Durchschnittslohn zu beziehen. Man wolle „die Welt verändern“, und hierfür reiche ein „durchschnittliches Gehalt“ vollkommen aus, wobei „abgehobene Gehälter zu einer abgehobenen Politik“ führen würden, erklärten die Parteivorsitzenden in aller inhaltlichen Bescheidenheit allen Medienvertretern, die es hören wollten.[1]

Das eingesparte Geld werde gespendet und man werde Spezialsprechstunden in der Parteizentrale einrichten, um in Not geraten Menschen zu helfen. Kein Anliegen sei zu klein, beteuerte die Parteivorsitzende Schwerdtner. Ein Populismus für die Armen und Entrechteten dieser spätkapitalistischen Welt, sozusagen.

Selbstverständlich ist diese populistische Idee, sich zum Anwalt des „kleinen Mannes“ zu machen, nicht auf dem Misthaufen im Karl Liebknecht Haus gewachsen (um mal im populistischen Jargon zu bleiben). Das linkspopulistische Original ist in Österreich zu finden und hört auf den Namen KPÖ. Auf der Webpräsenz der Kommunistischen Partei Österreichs in Graz[2] heisst es, dass – surprise – „abgehobene Politikergehälter… zu abgehobener Politik“ führen. Die KPÖ in Graz nutzt die so eingenommenen Gelder, um in Not geratenen Menschen zu helfen – hierüber wird akribisch Buch geführt, wobei die entsprechenden Daten öffentlich einsehbar sind.
Der entscheidende Unterschied zur PDL besteht aber darin, dass die österreichischen Kommunisten alle Mandatsträger dazu verpflichten, ihre Gehälter auf den Durchschnittslohn eines Facharbeiters zu beschränken, um mit diesen Geldern sozialpolitisch operieren zu können.

Die Strategie der KPÖ ist somit durchaus ernst zu nehmen, es ist ein linker Populismus, der tatsächlich sich bemüht, Menschen inmitten der manifesten Systemkrise zu helfen, um gleichzeitig den Opportunismus in den eigenen Reihen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Denn, machen wir uns nichts vor, die Beschneidung der Gehälter soll vor allem Karrieristen und entsprechende Seilschaften abschrecken, die schon viele linke Projekte übernommen haben, sobald diese erfolgreich waren – angefangen mit der Fischer-Gang und den Grünen. Die PDL führt hingegen ein populistisches Schmierentheater auf, das nur auf Aussenwirkung, auf Effekthascherei bedacht ist, um damit Wahlerfolge zu erzielen und möglichst viele ihrer Seilschaften und Rackes an gut dotierte Futtertröge zu führen (immer schön populistisch bleiben!).

Der Unterschied zwischen Populismus und Schmierentheater besteht in eben dem Gehaltsdeckel, der für die gesamte Partei, deren Apparat sowie vor allem für die Stiftung, die den Namen Rosa Luxemburgs missbraucht, gelten müsste, um ernst genommen zu werden. Da würde dann tatsächlich ein erkleckliches Sümmchen zusammenkommen, mit dem vielen Menschen, die in der Krise unter die Räder geraten, geholfen werden könnte. Allein in Graz kamen so schon mehrere Millionen Euro zusammen. Würde die Linkspartei einen ähnlichen Gehaltsdeckel für alle Postenträger und Angestellten einführen, kämen allmonatlich ähnliche Summen zusammen, mit denen tatsächlich sehr vielen in Not geratenen Menschen konkret geholfen werden könnte – und seien es Suppenküchen oder Tafeln, die inzwischen kaum noch den wachsenden Bedarf decken können.

Die Kritik des deutschen postlinken Populismus, der inzwischen nahezu hegemonial wurde, ist somit eine Kritik dieses Schmierentheaters, das von macht- und postengeilen Akteuren aufgeführt wird. Der Wahlerfolg der PDL entpuppt sich somit nach nur wenigen Monaten tatsächlich als eine Katastrophe für all das, was noch von der Linken in Deutschland übrig geblieben ist.[3]

Doch selbst als konsistente, ehrlich gemeinte Strategie, wie sie etwa die KPÖ verfolgt, muss der Populismus einer radikalen, grundlegenden Kritik unterzogen werden, da seine Grundannahme falsch ist. Des Volkes Stimme, die Vox Populi, die der Populismus aufgreifen und in Politik wandeln will, um die Interessen des Volkes durchzusetzen, ist präformiert durch spätkapitalistische Krisenideologie und die Sozialisation der Subjekte in der kapitalistischen Gesellschaft.

Die Binneninteressen, die der Populismus artikuliert, sind folglich Ausdruck des Festhaltens an einer Praxis falscher Unmittelbarkeit[4] inmitten der kapitalistischen Systemkrise – also des zum Scheitern verurteilten postlinken Bemühens, die „unmittelbar“ als Oberflächenerscheinungen sich aufdrängenden Politikzielsetzungen (Sozialstaat, Arbeit, Klimaschutz, Demokratisierung, etc.) zu realisieren.
Der Populismus kann folglich nur im Rahmen binnenkapitalistischer Interessenslogik operieren, die einem krisenbedingten Erosionsprozess ausgesetzt ist – und er plappert nur das verrohende ideologische Selbstbild der Gesellschaft nach. Die Leitschnur populistischer Politik ist somit nicht die harte, unbequeme Krisenrealität, sondern der falsche ideologische Schein, den die Krise nach kulturindustrieller Vermittlung mittels der vom Spätkapitalismus präformierten Vox Populi hervorbringt. Verheerend ist dies gerade aufgrund der sich munter entfaltenden Systemkrise, die inzwischen auch die Zentren des Weltsystems erfasst hat,[5] und die eine radikale, transformatorische Kritik der an ihren Widersprüchen zugrunde gehenden spätkapitalistischen Gesellschaft samt der herrschenden Krisenideologie überlebensnotwendig macht – und nicht in deren Nachplappern, wie es dem Populismus eigen ist.

Diese dem Populismus innewohnende Unterwerfung unter die Imperative und „Sachzwänge“ der Dauerkrise hat die Zumutung einer Parteistiftung, die den Namen Rosa Luxemburgs (RLS) gekapert hat, inzwischen bis zur Realsatire getrieben. In ihrem Linke Triggerpunkte tituliertem Strategiepapier argumentierte die RLS schlicht, alle Themen zu meiden, die sich im Widerspruch zur rechten, präfaschistischen Hegemonie in der BRD befinden und so rechte Reaktionen „triggern“ würden. Bloss nicht anecken, so die Devise der – nun ja – „Rosa Luxemburg Stiftung“. Insbesondere die Themen Flüchtlinge und Klimakrise sollen gemieden werden, um die potenziellen Wählerschichten nicht zu verprellen (Und, by the way, sagt dies schon alles über die irre, altlinke Fixierung auf Lohnabhängige und „Proletarier“ als „revolutionäres Subjekt“, die ja tatsächlich in ihrer Funktion als variables Kapital eher als dessen letztes Aufgebt agieren, was die RLS in ihrem rechtsoffenen „Strategiepapier“ implizit eingesteht).[6]

Letztendlich soll die Thematisierung der Systemkrise gemieden werden, die derzeit offensichtlich die sozialen und ökologischen Grundlagen des Zivilisationsprozesses zerstört, um kompatibel zu bleiben zum spätkapitalistischen Politikbetrieb. Und daran hält sich die PDL eisern. Es ist faktisch eine ideologische Kapitulationserklärung, mit der die PDL schlicht in populistische Konkurrenz zur AfD tritt, ohne noch ein Gegenprinzip zur Faschisierung in der manifesten Krise auch nur denken zu können. Es werden andere Feindbilder aufgebaut (Bonzen, Reiche), es werden alternative Geschichtsperioden zum „Goldenen Zeitalter” verklärt („Soziale Marktwirtschaft“ der zweiten Hälfte des 20. Jhr.) – und zugleich verflüchtigt sich jedweder Anflug von radikaler, kategorialer Kritik an den sich in Auflösung befindlichen Grundlagen des Spätkapitalismus. Die Phrase, die Pose – sie treten an die Stelle von Kritik. Frau und Mann werfen sich dann in die Pose eines Che Guevara, wenn sie höhere Steuersätze für „Bonzen“ fordern.

Wagenknechts Erben

Was will nun der neue deutsche Linkspopulismus in Gestalt der PDL? Er will zurück in die Vergangenheit, Zurück zur sozialen Marktwirtschaft, zum rheinischen Wohlstandskapitalismus der Nachkriegszeit. Die soziale Frage steht im Zentrum der populistischen Propaganda. Die Linkspartei wirft sich in die Pose des Anwalts der kleinen Leute, um einen Ausbau des Sozialstaates, höhere Steuern für Reiche und eine grössere Rolle des Staates in der Wirtschaft zu fordern – ganz so, wie es in der Wirtschaftswunder-BRD der Fall war.

Nicht nur strategisch, auch inhaltlich entpuppt sich somit der neue Linkspopulismus als blosse Kopie der Politik Sahra Wagenknechts und der nationalsozialen Kräfte, die das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) formten.[7] Die Schnapsidee, mittels populistischer Politik in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückkehren zu können, hat Frau Wagenknecht explizit in ihrem Buch Die Selbstgerechten kurz vor der Spaltung formuliert.[8] Die Linkspartei ist die populistische Erbin dieses Querfront-Populismus Wagenknechts, sie verfolgt eine linkskonservative Politik, um das passende Oxymoron Wagenknechts aufzugreifen, wobei die PDL immerhin auf das Nachplappern der krisenbedingt aufsteigenden Ressentiments, der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus verzichtet, die den BSW charakterisieren.

Und das Ganze ist offensichtlich – um mal wieder zum populistischen Jargon zurückzukehren – ein einziger Lug und ein Betrug, ein von Pseudo-Volkstümmlern begangener Volksbetrug gewissermassen, den die PDL in aller falschen Unmittelbarkeit aufführt. Es gibt kein Zurück zur sozialen Marktwirtschaft, die Uhren können nicht zurückgedreht werden. Der Krisenprozess steht diesem populistischen Anachronismus im Weg. Die Krise als fetischistischer, sich schubweise von der Peripherie in die Zentren hineinfressender Krisenprozess, angetrieben von den inneren Widersprüchen des Kapitals, ist inzwischen evident. Alles liegt offen auf der Hand – Und es ist schon fast beeindruckend, unter welchen Hirnverrenkungen die deutsche Postlinke es immer noch schafft, diese Evidenz zu ignorieren.

Es ist offensichtlich: Die Handelskriege, die Trump vom Zaun brach, sie sind politische Folge der Deindustrialisierung in weiten Teilen der Vereinigten Staaten, in der sich die innere Schranke des Kapitals manifestiert.[9] Die fetischistische Selbstbewegung des Kapitals auf gesamtgesellschaftlicher Ebene, konkurrenzvermittelt erzeugt durch die Marktsubjekte, wird in der Klimakrise evident.[10] Da steckt kein Kapitalisteninteresse dahinter, wenn der Verwertungszwang bald ganze Weltregionen unbewohnbar machen wird. Die selbstzerstörerische Irrationalität des Kapitalverhältnisses, das mittels instrumenteller Rationalität die ganze Welt zum Material seines uferlosen Verwertungsprozesses macht, ist bei einem flüchtigen Blick auf die globalen CO2-Emissionen selbsterklärend.
Niemand will eine Revolution, es gibt kein revolutionäres Subjekt. Auch das liegt offen auf der Hand. Und dennoch – obwohl sich nahezu alle Bevölkerungsschichten eisern an dessen Vergesellschaftungsformen festhalten – geht das System zugrunde. Es ist der kapitalistische Verwertungszwang in seiner Agonie, der die Systemfrage stellt, indem er an seinen Widersprüchen zerbricht – während der Linkspopulismus alles zu einer Verteilungsfrage machen will und sich reaktionär an der in Auflösung befindlichen Gesellschaft festkrallt. Die Rechte agiert gewissermassen vorwärtsorientiert, sie will die Barbarei, sie will den Kollaps, um im reinigenden Stahlgewitter dem faschistischen Wahn nahezukommen – die populistische Linke agiert konservativ, sie hält an den ideologisch verzerrten Idealbildern des Wirtschaftswunderkapitalismus fest.

Es kann im Spätkapitalismus aber keinen Sozialstaat geben, da die gesamte Gesellschaft am Topf des Verwertungsprozesses hängt, ganz prosaisch in Form von Steuern und Löhnen. Das debile Geseier der PDL vom Sozialstaat – es ist eine Lüge. Wenn der Verwertungsprozess stockt oder schlicht kollabiert, wenn die Wirtschaft nicht mehr „läuft“, dann steht alles andere ebenfalls zur Disposition. Umverteilung hilft nicht weiter, wenn die Masse verwerteter Arbeitskraft in der Warenproduktion abschmilzt, wenn der Verwertungsprozess seine ökologischen Grundlagen zerstört.

Es wird auch keinen Frieden geben im kollabierenden Spätkapitalismus, da die zunehmenden inneren Widersprüche und ökologischen Verwerfungen die Staatsmonster nahezu zwangsläufig in äussere Expansion, in Kriegsabenteuer treiben. Die Hochrüstung im Westen ist nicht nur eine Reaktion auf den russischen Imperialismus, der gerade aus einer Position der inneren Instabilität und geopolitischen Schwäche zum Angriffskrieg gegen die Ukraine überging.[11] Die zunehmenden Ressourcenengpässe und die Rohstoffknappheit, sie werden ordinäre Raubkriege wieder überall dort notwendig machen, wo der Verwertungsprozess des Kapitals mit seinem uferlosen Ressourcenhunger noch aufrechterhalten werden soll. Die Lebensmittelversorgung ist mittelfristig gefährdet, was sich bereits in der entsprechenden Inflation äussert. Ein katastrophaler Grosskrieg ist nur noch eine Frage der Zeit. In the dark present of the 21th century, there is only war.

Auch die spätkapitalistische Demokratie ist ein Auslaufmodell. In der Krise nehmen zwangsläufig faschistische Tendenzen überhand, gemeinsam mit einer oligarchischen Verrohrung des zunehmend autoritär agierenden Staatsapparates. Dies ist keine Zukunftsprognose, dies läuft bereits ab: in den USA, in Teilen Osteuropas, in Ansätzen auch in der BRD. Mehr noch: der Faschismus ist der subjektive Akteur der objektiv bereits ablaufenden Systemtransformation in eine postkapitalistische Barbarei. Die vermittels des demokratischen Diskurses realisierte Optimierung des Verwertungsprozesses, die den orwellschen Wesenskern der kapitalistischen Demokratie ausmacht, sie schlägt in der manifesten Systemkrise in die objektive Tendenz zur Selbstzerstörung um, deren subjektiver politischer Akteur der Faschismus ist.[12]

Die Steigbügelhalter der Steigbügelhalter

Nahezu alle wissen es, wirklich alle ahnen es, dass das System am Ende ist. Und dennoch ist der Populismus der Linkspartei mit seinen offensichtlichen Lügenmärchen durchaus erfolgreich. Die Volksbetrüger der PDL (immer schön populistisch bleiben!), die so tun, als ob es die Systemkrise nicht gäbe, um den Menschen sozialdemokratischen Sand in die Augen zu streuen, verfolgen hierbei schlicht ihre eigenen binnenkapitalistischen Interessen. Die populistische Frage nach dem cui bono, nach dem „wem nützt das”, die bei der Betrachtung des irrationalen fetischistischen Krisenprozesses zwangsläufig in Ideologie umschlägt, sie ist bei der Autopsie des Populismus durchaus angebracht.

Das Umdeklarieren der Systemfrage zu einer Verteilungsfrage eröffnet schlicht Karrierepfade im Politikbetrieb. Es gibt einen konkreten Bedarf dafür. Das ideologische Tabu, zu sagen, was ist, die Selbstzerstörung des Systems klar zu benennen, muss auch in dessen Agonie aufrechterhalten werden. Die Grundlage kapitalistische Ideologieproduktion, die Naturalisierung des Kapitalismus, kann aber aufgrund der zunehmenden Verwerfungen kaum noch aufrechterhalten werden.

Die falschen Narrative des Linkspopulismus, wonach hierfür für die masslose Gier und Machtgeilheit einer Klasse finsterer Hintermänner und Bonzen verantwortlich wären, schafft ideologische Ventile, die den Legitimitätsdruck lindern. Da ist nichts, was ein paar neue Steuersätze und wirtschaftliche Weichenstellungen zum Keynesianismus nicht reparieren würden, so die implizite Lüge des Linkspopulismus. Die scheinradikale Pose, die hohle Phrase, sie verdecken den Abgrund zwischen Krisenrealität und den anachronistischen Postulaten der PDL.

Die Grünen haben die sich aufdrängende Einsicht in die kapitalistische Klimakrise[13] zum Bekenntnis zum „Grünen Kapitalismus“ umgelogen, die Linkspartei vollführt etwas Ähnliches hinsichtlich der inneren Schranke des Kapitals[14] und deren sozialer Folgen. Die PDL bietet sich somit den kapitalistischen Funktionseliten als Krisenverwalter an. Und das tut sich nicht irgendwie metaphorisch, sondern ganz konkret – sichtbar für jeden, der es sehen will. Jedwede scheinradikale Phrasendrescherei der PDL-Prominenz schmilzt sofort dahin, sofern sich auch nur der Hauch einer Chance aufs Mitmachen im Politikbetrieb abzeichnet.

Das TikTok-Produkt Heidi Reichinnek etwa sprang anfang 2025 auf die antifaschistische Empörungswelle auf, die der Tabubruch des damaligen CDU-Spitzenkandidaten Friedrich Merz in der heissen Wahlkampfphase auslöste,[15] als die CDU mit den Stimmend er AfD Verschärfungen des Ausländerrechts durchsetzte. Damals sprach die Vorsitzende der Gruppe der Linken im Bundestag davon, dass Merz die demokratische Mitte verlassen und die AfD im Schlepptau habe.[16]

Nur wenige Monate später ermöglichte dieselbe Heidi Reichinnek samt ihrer Fraktion die Wahl desselben Friedrich Merz zum Bundeskanzler, der den grössten faschistischen „Tabubruch“ deutscher Nachkriegsgeschichte begangen hat.[17] Dies unter den jämmerlichsten Phrasen: „Chaos beenden“, „stehen immer bereit“, „zum Wohle des Landes und er Menschen“, immer „Zusammenarbeit möglich“. Reichinnek kann schlicht darauf bauen, dass das Erinnerungsvermögen ihres TikTok Fanschwarms zwischen wohl in Sekunden gemessen werden muss.

Wieso ermöglichte die PDL die vorzeitige Wahl von Steigbügelhalter Merz? Wieso fungierten die PDL-Bundestagsabgeordneten faktisch als Steigbügelhalter der Steigbügelhalter? Um ihre Zuverlässigkeit im Politikbetrieb zu demonstrieren, um zu beweisen, dass man ein zuverlässiger Partner bei der „Zusammenarbeit“ in der kapitalistischen Krisenverwaltung sein kann. Und dieser Entschluss der PDL, dem deutschen Präfaschismus nicht im Weg zu stehen, wird auch – in engen Grenzen – goutiert.

Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU gegenüber der PDL ist gefallen, die FAZ, als eine Art spätkapitalistischer Iswestija quasi das Zentralorgan der bundesrepublikanischen Funktionselite, titelte nach der Kanzlerwahl, dass die „Linkspartei“ nicht mehr zum „Feindbild tauge“.[18] Der Weg zur Normalisierung, zum ordinären Mitmachten, ist seit der Kanzlerwahl geebnet – die antifaschistischen Wahlkampfphrasen der PDL waren das opportunistische Opfer, das die Partei, die eine Wagenknecht ausbrütete, zur zu willig erbrachte.

Die führenden PDL-Seilschaften formen, um mal im populistischen Jargon zu bleiben, einen Abgrund von billigen Phrasen und Arschkriecherei gegenüber den Funktionseliten, wo immer es möglich ist. Und diese postlinke Zumutung will auch nichts anderes „machen“ wie der Politikbetrieb, der sich an ordinären, ausgeleierten Krisenstrategien orientiert. Der reaktionäre Staatsfetisch, der einen Grossteil der deutschen Altlinken prägt, bildet das perfekte ideologische Sprungbrett für Karriereplanungen in der Krisenverwaltung, da der Staat in manifesten Krisenphasen in eine zentrale ökonomische Stellung rückt zwecks Stützung der stotternden Verwertungsmaschine.

Dysfunktionaler Hyperopportunismus

Wobei – wie schon oben erwähnt – der Mitmacherei der PDL enge Grenzen gesetzt sind. Im Gegenzug für ihre parlamentarische Funktion als Steigbügelhalter des Steigbügelalters Merz erwartete die PDL-Fraktion nicht nut die „Normalisierung“ der Beziehungen zur CDU, sondern auch einen Posten im Geheimdienstausschuss. Unsere Heidi Reichinnek, die schnellstmöglich die Wahl eines Kanzlers ermöglichte, der die „AfD im Schlepptau“ habe, um dadurch „Chaos zu vermieden“ in Deutschland, wollte nur aus einem einzigen Grund in diesen Ausschuss: um ihre Zuverlässigkeit zu beweisen, „zum Wohle des Landes“, etc., pp.. Nun, das war der CDU und SPD dann doch zu viel der Steigbügelhalterei. Das ohnehin jämmerliche Kalkül, mittels Kanzlerwahl in den Geheimdienstausschuss zu gelangen, ist nicht aufgegangen, da Reichinnek die notwendige Mehrheit im Juni verfehlte.[19]

Doch dass schreckt den opportunistischen Mitmachwahn der machtgeilen Mittelschichtsschnösel mit Proletentick, die den Grossteil der Seilschaften der PDL stellen, nicht ab – im Gegenteil. Der Opportunismus steigert sich zu einem Hyperopportunismus, er überschlägt sich, wird faktisch dysfunktional, er steht sich selbst im Weg, er negiert sich sozusagen. Es ist ein Opportunismus ohne opportunistische Gelegenheit, ohne Opportunity, der sich der Mobbingmaschinen an der Spitze der PDL quasi bemächtigt: Niemand forderte es von ihr, es winkten keine Regierungsbeteiligungen, und dennoch forderte Ines Schwerdtner, die Zumutung an der Spitze der „Linkspartei“, unter Absonderung der üblichen „Bedenken“ noch im August 2025 die Erhöhung des Renteneintrittsalters.[20]

Das war ein populistischer Kardinalfehler, der hier ohne Anlass begangen wurde, indem Frau Schwerdtner einfach mal die Wahrheit sagte: Nicht bezüglich des Renteneintrittsalters, sondern in Hinsicht auf den Charakter des „Linkspopulismus“ der PDL, bei dem die Menschen schlicht belogen werden. Wie gesagt: Sie glauben nicht an die soziale Demagogie, die sie in der Systemkrise absondern. Die Populisten der PDL lügen, es ist keine Unwissenheit. Frau Schwerdtner wollte nur Teil der reaktionären Debatte um Strategien der Krisenverwaltung sein, um ihre „Regierungsfähigkeit“ zu signalisieren. Und das widerspricht nicht nur dem anachronistischen Sozialstaatsgerede der PDL, sondern auch dem populistischen Credo und der Taktik sozialer Demagogie, die ja darauf beruht, den Menschen solange Honig ums Maul zu schmieren, bis man an der Macht ist – um erst danach seine Versprechen zu vergessen und die Wähler zu verraten. Schwerdtner schoss übers Ziel hinaus, sie musste zurückgepfiffen werden,[21] wobei die PDL sich wohl auch auf die kurze Aufmerksamkeitsspanne ihrer Reddit- und TikTok-Brigaden verlassen kann.

Und das ist eigentlich nichts Neues. Schon im Wahlkampf 2021 stolperte die PDL über ihren disfunktionalen Hyperopportunismus. Der Mann, der vor Wolfgang Schäuble ehrfürchtig auf die Knie ging,[22] Dietmar Bartsch, damals Spitzenkandidat der Partei, erklärte in der heissen Wahlkampfphase einen Grossteil des mühsam ausgehandelten Wahlprogramms zur Makulatur, weil die Konkurrenz dieses kritisierte. Der Kritik seitens der SPD und der Grünen an etlichen Programmpunkten folgend, warf Bartsch einen guten Teil seines Parteiprogramms über Bord, um mitten im Wahlkampf die Regierungsfähigkeit der Partei zu demonstrieren – anstatt dies, wie bei jeder anderen Partei üblich, erst bei etwaigen Koalitionen nach der Wahl zu tun.[23] Trotz Führungswechsel: Vieles ist bei der Altlinken beim opportunistischen Alten geblieben. Hyperopportunismus kann somit als eine sich selbst im Weg stehende Macht- und Karrieregeilheit definiert werden.

Der Proletentick der „Linkspartei“, die ostentativ zur Schau gestellte Liebe zur Arbeiterklasse, zu den Lohnabhängigen, es ist eine Marotte der Mittelschichtsschnösel, die den Grossteil der PDL-Führungsriege stellen.[24] Die binnenkapitalistischen Interessen der Lohnabhängigen, die dieser Pseudo-Populismus zu vertreten vorgibt, werden bei der nächstbesten Gelegenheit verraten werden. Keine Frage. Frau Schwerdtners Arbeitsliebe geht quasi so weit, dass sie die Lebensarbeitszeit ruhig verlängert sehen will – solange Frau Schwerdtner nicht selber arbeiten muss, versteht sich. Denn, wieso sollte mensch nicht dieselben populistischen Kategorien an Frau Schwerdtner anlegen, wie sie es an ihre Politkonkurrenz tut?[25] Um mal Schwerdtner anhand ihrer eigenen Arbeitsideologie zu bewerten: Hier fordert ein Mittelschichtsschnösel, der noch nie richtig gearbeitet hat, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, um seine politische Seilschaft möglichst schnell mit Pöstchen und Geldern versorgen zu können.

Und das ist auch nicht zufällig, dass der urdeutsche Arbeitsfetisch, den Frau Schwerdtner offensiv propagiert, sich im Zentrum dieses populistischen Tabubruchs wiederfindet, der nur einen Ausblick auf etwaige Regierungsbeteiligungen dieser Trümmertruppe liefert. Der Staatsfetisch der deutschen Altlinken in und um die PDL – den objektive staatskapitalistische Krisentendenzen verstärken – wird vom deutschen Arbeitswahn komplettiert. Es ist ein Verwesungsprodukt des altlinken Glaubens an das Proletariat als „revolutionäres Subjekt“, wie auch zentrales Ideologem spätkapitalistischer Krisenideologie, an das die PDL andockt.

Arbeit aber – um mal den populistischen Unrat hinter sich zu lassen – ist die Substanz des Kapitals. Die regelrechte Hysterie um Arbeit, die unablässige Hetze gegen alles, was nicht zum Verwertungsprozess des Kapitals beiträgt, sie sind Ausdruck der Krise eben dieses Verwertungsprozesses, die in die Selbstzerstörung treibt. Deswegen wird in Krisenschüben immer wieder der potenziell mörderische Arbeitswahn manifest, bis zur Zwangsarbeit und Hungertod – auch im 21. Jahrhundert.[26] Alles muss Arbeit werden, weil die Arbeit an sich selbst zerbricht.[27] Die PDL mit ihrem populistischen Hass auf „Absahner“ und „Schmarotzer“, der jede radikale Kritik erstickte, bildet nur eine postlinke Strömung dieser Krisenideologie.

Die regressive Lust am Selbstbetrug

Die PDL kann somit bereits als eine postlinke Formation begriffen werden, es sind opportunistische Barbaren, die in Ruinen vergangener emanzipatorischer Anläufe hausen. Das tatsächliche binnenkapitalistische Interesse, dass diese populistischen Seilschaften antreibt, materialisiert sich somit in Gestalten wie Schwerdtner oder Reichinnek: Es ist der panische Drang, in der Krise doch noch in der spätkapitalistischen Krisenverwaltung unterzukommen, um deren Subjekt zu werden.

Dies erklärt auch die disfunktionale Tendenz zum Hyperopportunismus – die Zeit wird knapp, die Systemkrise, die von diesen Opportunisten zu einer Umverteilungskrise umgelogen wird, schreitet unabänderlich voran. Und sie spüren, dass Ihnen die Zeit davonläuft, um noch „unterzukommen“. Es gibt folglich kaum Tabus, selbst ohne Gratifikationen: Steigbügelhaltern werden Wege ins Kanzleramt geebnet, Sozialstaatsversprechen werden ins Gegenteil verkehrt, etc. Die Lächerlichkeit, in der manifesten sozioökologischen Systemkrise marginale Verbesserungen an einem in offener Auflösung befindlichen System zu fordern, ist ja eigentlich offensichtlich.

Aber dies erhellt nicht die evidente Popularität dieses Pseudo-Populismus der PDL, der tatsächlich längst hegemonial wurde in der deutschen Postlinken. Dessen Verlogenheit ist ja evident: Deutschlands postlinke Populisten polemisieren gegen faschistische Steigbügelhalter, um ihren wenige Monate später den Weg ins Kanzleramt zu ebnen, sie betreiben soziale Demagogie, die sie ohne jedweden opportunistischen Anlass mittels Forderungen nach Erhöhung der Lebensarbeitszeit widerlegen. Diese populistischen Lügen, die mühelos enttarnt werden können, treffen trotzdem auf offene Ohren und auf aufnahmebereite Hirne. Viele Altlinke, breite Bevölkerungskreise wollen schlicht betrogen werden. Es gibt eine breite Lust am Selbstbetrug, die nicht einfach durch Demagogie oder die Mitläufer-Hoffnung auf ein warmes Plätzchen in der Krisenverwaltung erklärt werden kann. Dieser pseudo-populistische Dreck ist deswegen so erfolgreich, weil er ein weitverbreitetes, irrationales Bedürfnis anspricht, das in der manifesten Systemkrise um sich greift.

Dies irrationale, dunkle Bedürfnis, das sich im Gefolge des voll zutage tretenden Irrationalismus des Kapitals der Massen bemächtigt, wird am besten vom Begriff der Regression erhellt. Dem angstbedingten Rückfall in frühere Entwicklungsstadien, mit dem oft traumatische Erfahrungen abgewehrt werden, entsprechen in der sich auflösenden politischen Sphäre vielfältige Reflexe ideologischer Krisenabwehr. Die Weltkrise des Kapitals soll in diesem magischen Denken gebannt werden, indem deren Wahrnehmung, Reflexion, Diskussion tabuisiert werden. Konkret äussert sich dies im Kampf der Post- und Altlinken gegen radikale Krisentheorie. Es ist eine Art Tabu, das errichtet wird, ein zwanghaftes nicht-wissen-wollen – was angesichts der manifesten Krise, des offen zutage tretenden Fetischismus des Kapitals[28] immer öfter ins Lächerliche umkippt: wenn etwa PDL-Nachwuchs „Gerechtigkeit im Klimakollaps“ fordert,[29] oder wenn linksdrehende deutsche Komiker Ultimaten an Milliardäre stellen,[30] der Krise ein Ende zu bereiten, während diese sich längst ihre Bunker bauen lassen.[31]

Die postlinke Regression, die den Populismus der PDL wie des sich auflösenden BSW antreibt, ist zwar den explizit reaktionären Bestrebungen der Rechten verwandt, was auch konkret in den Querfrontbestrebungen der letzten Jahre zum Ausdruck kam.[32] Doch geht dieser vor- und unbewusste Krisenreflex über eine bloss politische Dimension hinaus. Die Krise des Kapitals tangiert auch die Subjekte, deren eigene Konstitution und Sozialisierung im Spätkapitalismus.

Das, wozu das Kapital den Lohnabhängigen zurichtet, seine Konstitution als Subjekt, als Saatbürger und Marktsubjekt, steht vor der Auflösung. Und daran will Regression sich festkrallen, an der spätkapitalistischen Identität, was – by the way – auch den grassierenden Identitätswahn erklärt, der nur Ausdruck sich auflösender Identitäten ist. Wenn alles in Auflösung übergeht, wenn die Dinge in Bewegung geraten, dann krallen sich die Subjekte an dem fest, was ihnen noch bleibt – an ihrer mittels Sozialisation erworbenen Identität, auch wenn diese ebenfalls erodiert.

Radikale Krisentheorie und die daraus folgende transformatorische Praxis, der Ausbruch aus dem kapitalistischen Gedankengefängnis, kommt somit einem notwendigen, schmerzhaften Identitätsbruch gleich. Und eben diesem Bruch mit dem Kapital verweigert sich die Altlinke, wie der Krisentheoretiker Robert Kurz schon bei seiner Auseinandersetzung mit der antideutschen Ideologie zu Beginn des 21. Jahrhunderts ausführte:

„Der anstehende kategoriale Bruch wäre ein derart schmerzhafter Identitätsbruch, dass das Aushauchen des alten Paradigmas von Kritik vor allem darin besteht, in dieser Hinsicht Vermeidungsstrategien auszuhecken.“[33]

Der postlinke Pseudo-Populismus der PDL ist somit nicht nur ein opportunistisches Karriereprojekt in der Ära offener Krisenverwaltung, er baut auch auf dieser unbewussten Krisentendenz zur Regression auf, auf der Angst der Subjekte vor dem anstehenden „Selbstverlust“ gewissermassen. Es ist auch ein Populismus der geistig Armen, um es mal populistisch auf den Punkt zu bringen. Robert Kurz sprach in dieem Zusammenhang explizit von einer „reaktionären Sehnsucht nach einer Rückkehr zu den altgewohnten Interpretationsmustern“ in „weiten Teilen der Linken“.

Das anachronistische Sozialstaatsgerede, die zombiehafte Rückkehr des Antiimperialismus in Gestalt des Postkolonialismus, das Lob der harten Arbeit angesichts der anstehenden KI- Rationalisierungsschübe,[34] die lächerliche Schmarotzer- und Bonzenpolemik in der manifesten Klimakrise, sie sprechen dieses regressive Bedürfnis bei all den Altlinken an, die noch nicht zu offen rechten Reaktion übergelaufen sind.

Der populistische Wunsch, in die idealisierte soziale Marktwirtschaft zurückzumarschieren, ist nur postlinker Ausdruck dieser allgemeinen Tendenz zur Regression, wie sie Wagenknecht vorexerzierte.[35] Es ist buchstäblich eine „Vermeidungsstrategie“, wie es Kurz formulierte. Oder, anders herum: Der identitäre Wahn – oder nun national oder religiös grundiert – ist Ausdruck des Festhaltens an der spätkapitalistischen Gesellschaft, die diese Identitäten mittels Sozialisation formte.

Und dennoch wird diese regressive Flucht in identitären Wahn und Klassenkampf-Stumpfsinn den fetischistischen Krisengang nicht aufhalten. Alltäglich schlägt der offene Krisenfetischismus den abgestumpften Möchtegern-Klassenkämpfern, die überall nur finstere Kapitalisteninteressen wittern können, ins Gesicht. Es liegt offen auf der Hand, dass etwa die drohende Klimakatastrophe auch der Plusmacherei des Kapitals ein Ende zu setzen droht. Die Krise wird in ihrer ökologischen wie ökonomischen Dimension sich weiter entfalten, auch wenn Populismus und altlinker Stumpfsinn radikale Krisentheorie ausblenden oder marginalisieren. Die fetischistische Krisenrealität lässt sich nicht wegmobben.

Der kategoriale Bruch, den Robert Kurz in seinem Buch „Die antideutsche Ideologie“ prognostizierte, er steht nun ganz konkret auf der Tagesordnung. Nicht, weil die angstschwitzenden und identitär verblendeten Marktsubjekte diesen wollten, sondern weil dieser sich im Verlauf der anstehenden Systemtransformation zwangsläufig abspielen wird:

„Auf der historischen Tagesordnung steht der kategoriale Bruch mit den basalen Formen des modernen warenproduzierenden Systems als solchem, wie er sich mit dem Begriff der Wertkritik ankündigt: Das Kapitalverhältnis ist wesentlich zu kritisieren als Wertvergesellschaftung. Wenn es nach dem Zusammenbruch von Staatssozialismus, Arbeiterbewegung und traditionellem Marxismus noch einmal eine erneuerte theoretische und praktische Kritik des herrschenden Weltsystems, seines ökonomischen Terrors, seiner sozialen Zumutungen und seiner Zerstörungsprozesse geben soll, dann muss sich die Kritik radikalisieren; das heisst sie muss im Unterschied zu den bisherigen linken Paradigmen tiefer gehen, bis an die Wurzeln und bis auf den kategorialen Grund der warenproduzierenden Moderne.

Darin eingeschlossen ist die Kritik der fetischistischen Subjekt- und Interessenform, der »abstrakten Arbeit« und der demokratischen Rechtsform: alles böhmische Dörfer für das absterbende Bewusstsein des kategorial immanenten Arbeiterbewegungsmarxismus. Da man selber integraler Bestandteil der kapitalistischen Modernisierungsgeschichte war, kann und will man sich nicht von der warenproduzierenden Moderne lösen.“[36]

Daran hat sich in den vergangenen zwei Dekaden trotz immer weiter voranschreitender Krisendynamik nichts geändert. Diese Altlinke bildet faktisch den zentralen Störfaktor bei der Etablierung eines radikalen Krisenbewusstseins, das sich ja nur in der politischen Linken ausbilden könnte. Nirgends wird dies klarer, als anhand der Verwesungsprodukte von „von Staatssozialismus, Arbeiterbewegung und traditionellem Marxismus„, wie sich in der PDL populistische Gestalt angenommen haben – sie sind Fleisch vom ideologischen Fleisch des Kapitals, sein letztes Aufgebot in der sich auflösenden Linken gewissermassen, das jedweden emanzipatorischen Impuls zu unterdrücken versucht. Opportunistisches Kalkül, altlinker Stumpfsinn und allgemeine Regression gehen hier Hand in Hand.

Gerade vor dem Hintergrund der unausweichlichen Systemkrise, die notwendigerweise in eine ergebnisoffene Systemtransformation führen wird, entfaltet dieser postlinke „Identitätspopulismus“ eine verhängnisvolle Wirkung. Emanzipation in der Krise[37] kann nämlich nur Folge eines bewusst geführten Transformationskampfes sein. Hierzu noch mal Robert Kurz in der „Antideutschen Ideologie“:

„Eben deshalb aber folgt aus der Krise eben nichts als die Krise, das Nichtmehrfunktionieren des Kapitals, und nicht, dass sich damit das Kapital als soziales Verhältnis, wie es in den Köpfen der Menschen zur falschen Selbstverständlichkeit geworden ist, von selbst erledigt hätte. Die Krise ersetzt deshalb nie und nimmer die Emanzipation, die emanzipatorische soziale Bewegung, gerade weil sie rein objektiv ist. Es gibt natürlich keine automatische, objektive Emanzipation; das wäre ein Widerspruch in sich. Und es ist daher auch völlig offen, wie die Menschen auf Krise und Zusammenbruch reagieren. In ihrer Objektivität kann die absolute innere Schranke des Kapitals eine äussere Bedingung für die Emanzipation ebenso werden wie für den gesellschaftlichen Zerfall in die Barbarei, die der Kapitalismus als Potentialität wie als Manifestation immer schon in sich trägt.“[38]

Der opportunistisch motivierte, regressive Stumpfsinn, denn die PDL innerhalb der abschmelzenden deutschen Restlinken propagiert,[39] blockiert somit objektiv den notwendigen „kategorialen Bruch mit den basalen Formen des modernen warenproduzierenden Systems„, wie es Kurz formulierte. Dieser kategoriale Bruch aber wäre Vorbedingung einer „emanzipatorischen sozialen Bewegung„, die soziale Kämpe bewusst als Teilmomente des objektiv anstehenden Transformationskampfes[40] führen würde.

Sagen, was Sache ist – die Krise und die Überlebensnotwendigkeit der Überwindung des Kapitals klar und öffentlich aussprechen, inzwischen scheint dies kaum noch Denkbar im populistischen Morast, der sich im Gefolge ihres katastrophalen Wahlsieges[41] der PDL in der Restlinken ausbreitet. Anstelle radikaler Kritik am aufschäumenden Identitäts- und Arbeitswahn, die nur Ausdruck der Krise der Arbeit und des Marktsubjekts sind, statt bewusster, vorwärtsschreitender Suche nach emanzipatorischen Wegen in die Transformation, führt die PDL ein rückwärtsgerichtetes Schmierentheater auf, das in seiner regressiven Verlogenheit eigentlich offensichtlich ist.

Die ideologisch-identitäre Blockade der PDL erstreckt sich übrigens nicht nur auf die linke Medienlandschaft, die weitestgehend auf Linie gebracht wurde, sondern auch auf linke Diskussionsforen und die sozialen Netzwerke, die zumeist von Leuten moderiert werden, die nicht arbeiten müssen, weil sie von der PDL – als parlamentarischer Mitarbeiter, Parteiangestellter, Volontär, Praktikant, etc. – bezahlt werden. Der grundlegende radikale Diskurs, die Verständigung über emanzipatorische Wege aus der drohenden Katastrophe, wird an seiner Wurzel gekappt.

Emanzipation erfordert den radikalen, kategorialen Bruch mit der Wertvergesellschaftung, ideologisch wie identitär, als Vorbedingung emanzipatorischer Transformationspraxis – gerade weil die Wertvergesellschaftung an ihren Widersprüchen zerbricht. Regression, der bequeme opportunistische Weg der PDL, fungiert hingegen als eine der Brutstätten der Faschisierung. Faschismus ist ein Extremismus der Mitte, der gerade das, was er in der Mitte an Ideologie und Identität vorfindet, in Reaktion auf Krisenschübe ins Extrem treibt.

Diese regressive Rechtsoffenheit, die Wagenknecht bis zum nationalsozialen Parteiaustritt trieb, lässt sich derzeit am besten anhand des grössten populistischen Hohlkörpers der PDL,[42] des Parteichefs Jan van Aken, ganz konkret demonstrieren. Van Aken hat sich die Marotte angewöhnt, Plakate einer selbst anzufertigen zu lassen,[43] um in populistischer Manier sich als Volkstribun zu verkaufen.[44] Wie unterm Brennglas wird hier die rechtsoffene Verwilderung verkürzter Kapitalismuskritik sichtbar: Das Lob der harten Arbeit, die das „Land am Laufen hält“, geht einher mit der Personifizierung der Krise in einer „ollen Millionärs-Clique“. Und ähnlich wie bei seiner Kovorsitzenden kann auch beim Herrn van Aken konstatiert werden, dass hier jemand das Loblied der Arbeit krächzt, der noch nie im populistischen Sinne „richtig Arbeiten“ musste.

Wie erwähnt, Arbeit bildet die Substanz des Kapitals – die um sich greifende Arbeitshysterie, die abermals Zwangsarbeit in der BRD aufkommen lässt, ist Ausdruck der Krise des Kapitals, das sich mit dem anstehenden KI-Rationalisierungsschub seiner Substanz endgültig zu entledigen droht.[45] Emanzipatorische Praxis bestünde darin, für das Ende des Arbeitszwangs und die Verwirklichung der Automatisierung in einer vom Fetischismus emanzipierten, postkapitalistischen Gesellschaft zu kämpfen. Der deutsche Arbeitswahn, der sich in der letzten schweren Systemkrise im Rahmen des nationalsozialistischen Extremismus der Mitte bis zum Auschwitz-Motto „Arbeit macht Frei“ steigerte, schäumt hingegen derzeit in Reaktion auf die Krise in nahezu allen politischen Lagern auf. Van Aken reproduziert diesen Arbeitsfetisch in einer postlinken Variante, indem der proletarischen Masse eine Clique von Parasiten gegenübergestellt wird.

Die faschistische Diskurshegemonie in der BRD wird gerade dann sichtbar, wenn van Aken sich antifaschistisch äussert – und ungewollt in faschistoide Faschismuskritik verfällt, die den Faschismus als eine finstere Eliten-Verschwörung („Bonzen“) imaginiert, die sich gegen die nationale Arbeit, gegen – surprise – die „hart arbeitenden Menschen“ richtet.[46] Arbeitswahn, Personifizierung von Krisenursachen, Verschwörungsdenken – alles in einem Plakat, dessen verkürzte Kapitalismuskritik sich auch in einem Naziplakat wiederfinden liesse, wenn nur „Bonzen“ gegen „Juden“ ausgetauscht würden. Dies hat nichts mit Kritik der eigentlichen Krisendynamik zu tun, die die Verteilungskämpfe an der Oberfläche tatsächlich eskalieren lässt. Hier äussert sich kein Gegenprinzip zum Faschismus, es ist lediglich dessen populistische Konkurrenz.

Tomasz Konicz

Fussnoten:

[1] https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/linken-vorsitzende-schwerdtner-van-aken-gehalt-spende-100.html

[2] https://www.kpoe-graz.at/tag-der-offenen-konten-2023.phtml

[3] https://www.konicz.info/2025/03/23/alle-werden-wagenknecht/

[4] https://www.untergrund-blättle.ch/politik/theorie/emanzipation-in-der-krise-7306.html

[5] https://jungle.world/artikel/2025/14/autoland-ist-abgebrannt

[6] https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Studien/Studien_3-24_Linke_Triggerpunkte_web.pdf

[7] https://www.konicz.info/2025/03/23/alle-werden-wagenknecht/

[8] https://www.konicz.info/2021/06/29/schreiben-wie-ein-internettroll/

[9] https://www.konicz.info/2025/05/26/trump-an-der-inneren-schranke-des-kapitals/

[10] https://www.konicz.info/2022/01/14/die-klimakrise-und-die-aeusseren-grenzen-des-kapitals/

[11] https://www.akweb.de/politik/russland-ukraine-konflikt-kampf-auf-der-titanic/

[12] https://www.konicz.info/2024/01/13/e-book-faschismus-im-21-jahrhundert/

[13] https://www.konicz.info/2024/05/29/aktualisierte-neuausgabe-klimakiller-kapital/

[14] https://www.konicz.info/2025/11/01/understanding-jd-vance/

[15] https://www.konicz.info/2025/01/28/schwarz-brauner-durchbruch-in-der-heissen-wahlkampfphase/

[16] https://www.zdfheute.de/video/zdfheute-live/reichinnek-bundestag-redebeitrag-debatte-migrationsgesetz-video-100.html

[17] https://x.com/antonnft6/status/1919821830660976804

[18] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kommentar-zum-unvereinbarkeitsbeschluss-die-cdu-sollte-ihr-verhaeltnis-zur-linken-aendern-110466519.html

[19] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/geheimdienst-gremium-reichinnek-afd-100.html

[20] https://www.n-tv.de/politik/Linken-Chefin-haelt-Erhoehung-des-Renteneintrittsalters-fuer-moeglich-article25948019.html

[21] https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/rentenalter-linke-schwerdtner-aussage-korrektur-100.html

[22] https://www.wsws.org/de/articles/2024/01/04/link-j04.html

[23] https://www.konicz.info/2021/09/24/linkspartei-wagenknecht-statt-kampf-um-emanzipation/

[24] Die Arbeiter sind dermassen unterrepräsentiert, dass die Partei 2025 extra eine Quote einführen musste. https://www.freitag.de/autoren/sebastian-baehr/die-linkspartei-will-eine-arbeiterquote-einfuehren-kann-das-klappen

[25] https://x.com/fr_dr_kniffel/status/1992268626490269713

[26] https://www.konicz.info/2013/03/15/happy-birthday-schweinesystem/

[27] https://www.konicz.info/2025/05/26/trump-an-der-inneren-schranke-des-kapitals/

[28] https://www.konicz.info/2022/10/02/die-subjektlose-herrschaft-des-kapitals-2/

[29] https://x.com/tkonicz/status/1992636311359172882

[30] https://x.com/tkonicz/status/1928306598717403243

[31] https://konicz.substack.com/p/the-exodus-of-the-money-people

[32] https://www.konicz.info/2024/06/06/linkspartei-querfrontschrecken-ohne-ende/

[33] Robert Kurz, Die antideutsche Ideologie, Vom Antifaschismus zum Krisenimperialismus: Kritik des neuesten linksdeutschen Sektenwesens in seinen theoretischen Propheten, Münster, 2003 S. 14

[34] https://www.konicz.info/2024/04/19/ki-als-der-finale-automatisierungsschub/

[35] https://www.konicz.info/2024/05/26/die-grosse-regression/

[36] Robert Kurz, Die antideutsche Ideologie, Vom Antifaschismus zum Krisenimperialismus: Kritik des neuesten linksdeutschen Sektenwesens in seinen theoretischen Propheten, Münster, 2003, S. 14, 15

[37] https://www.konicz.info/2022/10/12/emanzipation-in-der-krise/

[38] Die antideutsche Ideologie, Vom Antifaschismus zum Krisenimperialismus: Kritik des neuesten linksdeutschen Sektenwesens in seinen theoretischen Propheten, Münster, 2003, S. 227

[39] In den USA füllen die Democratic Socialists of America und das regressive Drecksblatt Jacobin eine ähnliche krisenideologische Funktion aus.

[40] https://www.untergrund-blättle.ch/politik/theorie/den-transformationskampf-aufnehmen-fuer-ein-kaempferisches-krisenbewusstsein-009092.html

[41] https://www.konicz.info/2025/03/23/alle-werden-wagenknecht/

[42] https://x.com/tkonicz/status/1995044050798612824

[43] https://x.com/tkonicz/status/1995108620632002741

[44] https://x.com/tkonicz/status/1995110373213536561

[45] https://www.konicz.info/2024/04/19/ki-als-der-finale-automatisierungsschub/

[46] https://x.com/tkonicz/status/1995107787139936504/photo/1