Astrid Schmeda, Gerd Stange: Andrà tutto bene Alles wird gut wenn wir alles verändern

Sachliteratur

11. Juni 2020

Der aus den Fenstern gehängte Hoffnungsaufruf der Italiener ist zugleich ein Aufschrei.

Alles wird gut  wenn wir alles verändern
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Alles wird gut wenn wir alles verändern Foto: Buchcover

11. Juni 2020
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Zunächst geht es darum, die gegenwärtige Situation zu begreifen: Woher kommen Viren? Wie ging man früher mit Krankheiten um? Was wissen wir über die Wahrheit, und was ist Wahrsagerei? Warum war es Bill Gates so wichtig, dass eine Pandemie ausgerufen wird, und welche Interessen verbinden ihn mit der WHO und der Johns-Hopkins-University? Wieso kann Angst zum Regierungsmittel werden?

Wenn durch eine weltweite Krankheit alles zum Stillstand gebracht wird, ist es auch eine Chance, alles neu zu überdenken.

Virenerkrankungen sind ein Indikator für das verheerende Umgehen der Menschen mit der Natur.

Wer heute Gesundheit als höchstes Gut erklärt, darf morgen nicht weitermachen wie zuvor: mit der Privatisierung des Gesundheitswesens und sozialer Einrichtungen, mit der Zerstörung der Umwelt, der Be-reicherung von Wenigen und dem Elend von Vielen, mit der Stadtentwicklung, dem Verkehr, ungesunden Lebens- und Wohn-verhältnissen vor allem in den Elendsgürteln der Metropolen.

Die zunehmenden digitalen Kontrollmöglichkeiten gefährden uns mehr als die Viren. Wir haben die Möglichkeit, das zu ändern, indem wir auf unsere Freiheit bestehen.

Renate Langgemachs Chronik ist eine Arbeit am täglichen Geschehen, die einen subtilen Blick frei gibt auf das Leben in dieser besonderen Zeit. Es ist ein Versuch, die Welt ein wenig zu strukturieren, die gerade aus den Fugen gerät.

Leseprobe

Obwohl wir bislang in der Sicherheit lebten, dass die grossen Virenerkrankungen (Pest, Cholera, Typhus, Pocken), die sich rasant verbreiteten und zu hoher Sterblichkeit führten, in unserer hygienischen, aufgeklärten, modernen Welt verbannt sind, treten seit dem Ende des zweiten Weltkriegs neue Viren und die dadurch erzeugten Erkrankungen auf.

Virenkrankheiten, die sich schnell verbreiten, hat es in der Menschheitsgeschichte immer wieder gegeben. Die Pocken (Blattern) werden schon in der Bibel erwähnt, seit 1980 gelten sie als ausgerottet, durch eine weltweit durchgeführte Impfkampagne der WHO. In neuerer Zeit wurden verschiedene Virenkrankheiten durch Impfstoffe stark eingedämmt, so die Poliomyelitis (Kinderlähmung). Auch die Masern gibt es seit etwa dem 7. Jahrhundert, und die Diskussion um eine Impfpflicht ist noch nicht beendet. Die Virenerkrankung, die uns heutige Menschen wohl am meisten beschäftigt hat, ist Aids, durch das HI-Virus (Humane Immun-Defizienz Virus) ausgelöst, und wahrscheinlich, weil sie zusammentraf mit einer Generation, die die Sexualtabus aufheben wollte und damit begann, eine uneingeschränkte Sexualität zu leben. In den 1980er Jahren weitete die Krankheit sich zur Pandemie aus, an der etwa 39 Millionen Menschen starben.

Grippeviren gehörten immer zum Winter dazu. Da der Übergang von einem Schnupfen zur Bronchitis und zur Influenza fliessend ist, versucht man sich vor „Erkältung“ zu schützen und muss schlimmstenfalls mit Fieber das Bett hüten. Dass Grippe für ältere Menschen tödlich sein kann, hat nicht zu besonderen Vorsichtsmassnahmen oder Diskussionen geführt, die bis zu 20.000 Toten im Land wurden selten öffentlich erwähnt. Erst in den letzten Jahren wird älteren Menschen eine Impfung empfohlen, die aber nicht unbedingt effizient ist, da sich von Jahr zu Jahr das Grippevirus verändert.

Der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus Covid19 ging eine andere Corona-Erkrankung voraus, SARS-Covid, die auch von China kam, sich 2002/3 über weite Teile der Erde ausbreitete, aber nur 800 Tote forderte und deshalb in der Normalbevölkerung weitgehend unbemerkt blieb.

In der aktuellen Situation taucht nun endlich die Frage auf:

Woher kommt das Virus, wo entwickeln sich Viren überhaupt?
Etwa 60 % der Viren sind tierischen Ursprungs, zwei Drittel davon stammen von Wildtieren.1 Die Mikroben nisten im
Fell der Tiere und schaden ihnen nicht, sie werden davon nicht krank. Unter den Bedingungen der Wildnis ist das kein
Problem. Es wir erst zu einem, wenn der Mensch in die Wildnis eindringt und sie zerstört.
Die Kolonisierung der sogenannten neuen Welt stellte einen gewaltigen Eingriff in die Natur dar.

Zum Beispiel in Indien, wo die Britische Kolonialmacht vom 17. Jahrhundert bis 1947 herrschte. Mit der Beendigung wurde das Gebiet aufgeteilt: Der Westbengalische Teil kam zu Indien, der Ostbengalische wurde zu dem neuen Staat Pakistan. 1971 erkämpften sich die Bengalen einen eigenen Staat und erhielten Bangladesh, das im Norden, Westen und Osten an Indien grenzt. Es besteht überwiegend aus dem Delta des Ganges und des Brahmaputra. Zur Meeresseite erstrecken sich die Mangrovensümpfe Sundarbans, die sich auf das wechselvolle Klima zwischen Monsunregen und Hitze eingestellt haben und das Hinterland vor den Orkanen schützen. Sundarban ist eine einzigartige Landschaft, doch die natürliche Vegetation ist weitgehend verschwunden. Die Regenwälder wurden abgeholzt. Die Briten zerstörten die Mangrovenlandschaft, um dort Reisfelder anzulegen. Heute besteht die Landschaft zu 80 % aus Reisfeldern. Ausserdem wird Jute angebaut.

Durch die Abholzung der Mangrovenwälder erhielten die Menschen, die dort lebten, Kontakt zu den Mikroben aus dem Brackwasser. Mikroben passen sich dem Menschen an und mutieren zu Viren. Aus dem Brackwasser entstandene Viren führten zur Cholera, die seitdem sieben Pandemien verursachte. Das Letivirus von den Makaken-Affen erzeugte HIV.

Auch Haustiere sind Überträger von Mikroben, die im Menschen zu Viren mutieren. Es ist inzwischen nachgewiesen, dass Masern und Tuberkulose von Kühen stammen, Keuchhusten von Schweinen und die Grippe von Enten.

Bei der Erforschung des neuartigen Corona-Virus Covid19 wurde man auf die Märkte lebender Wildtiere in China aufmerksam.

China befindet sich in einer gigantischen Entwicklung zum Kapitalismus, der in den letzten Jahrzehnten alles aufholen und überholen sollte, wozu die westliche Welt zwei Jahrhunderte brauchte. Ursprünglich ein reines Agrarland, ist die Parole der kommunistischen Führer nun: Modern ist nur die Stadt. Es wurden gigantische Millionenstädte aus der Erde gestampft, dabei massenhaft Bauern vertrieben, Natur zerstört und die Menschen, die gerade noch Träger einer Jahrtausende alten Kultur waren, wurden in Hochhäuser gepfercht.

Wuhan zählt etwa 10,76 Millionen Einwohner, 1950 waren es 1,68 Millionen. Die Metropole ist aus drei Städten zusammengewachsen, die durch den über einen Kilometer breiten Jangtsekiang und den in ihn mündenden Han getrennt sind. Der Jangtse kommt von den Höhen des Himalaya und schuf durch wiederkehrende Überschwemmungen ein Sumpfgebiet. Die Städte und Dörfer erlebten in den letzten hundert Jahren immer grössere Fluten mit Hunderttausenden Toten. Dies war die Folge der Abholzung von Wäldern, die vorher grosse Mengen Regenwasser aufgenommen hatten.

Die 2008 fertiggestellte Drei-Schluchten-Talsperre sollte das Problem der Überschwemmungen lösen, schuf aber erhebliche ökologische und menschliche Probleme. Aus dem ehemaligen Sumpf um Wuhan sind Gewerbegebiete sowie Reis- und Kornfelder entstanden, hier leben etwa 2 Millionen Menschen. Immer mehr Seen werden trocken gelegt, um Land zu gewinnen für die Ausweitung der Stadt. In den gleichgeschalteten Bauerndörfern sind die alten Traditionen nicht mehr sichtbar.

Doch die alte Kultur lässt sich nicht über Nacht aus den Menschen herausreissen. Wenn man Bilder sieht von den Märkten in Wuhan, hat man den Eindruck, dass ein guter Teil der Esskultur hier fortgeführt wird, und das vor allem auf den Wildtier-Märkten. In China werden bestimmte Tiere gegessen, oder Teile von ihnen, weil man annimmt, sie übertragen auf den Menschen ihre Kraft und Potenz. Das ist bei dem seltenen Schuppentier Pangolin der Fall. Er lebt in Savannen oder in Wald- und Buschland und verzehrt Insekten, Termiten und Ameisen. Aufgrund seiner scharfkantigen Schuppen hat er kaum Feinde. Er rollt sich zusammen wie ein Igel, wenn ein Feind auftaucht. Nur der Mensch kann ihn so am besten in Netzen auflesen. Es werden etwa 100.000 Pangolin in Afrika und Asien pro Jahr gefangen.

Sein Fleisch gilt in Asien als Delikatesse und seine Schuppen werden als Medizin verarbeitet. In China sind die Pangolin in der Wildnis fast ausgerottet, deshalb stammen die meisten Tiere aus Afrika. Auf dem Fischmarkt in Wuhan wurden Forscher auf das Tier aufmerksam. Hier werden auch lebende Schlangen und Schuppentiere verkauft. Es werden auf den Wildtiermärkten ausserdem Ginsterkatzen, Affen, Ratten, Flughunde, Wasserschildkröten, Sonnendachse... angeboten. Sie werden dort in engen Käfigen ohne Wasser und Nahrung gehalten. Beim Pangolin wurden Corona-Viren entdeckt. Er überträgt sie jedoch wahrscheinlich nicht direkt auf den Menschen.

Schweizer Wissenschaftler bemerken: „Diese Märkte in Wuhan, auf denen – teils illegal – mit Wildtieren gehandelt wird: Wie dort Tiere gehalten werden, das ist für uns fast nicht vorstellbar. Die furchtbaren hygienischen Verhältnisse und der nahe Kontakt verstärken natürlich das Risiko der Ansteckung.“ (WOZ 14 vom 2.4.2020)

Sehr wahrscheinlich (laut Wikipedia) wurde zum Beispiel das Marburg-Virus 1967 mit Versuchsaffen aus Uganda in die Laboratorien des Pharmakonzerns Behringwerke im hessischen Marburg eingeschleppt.

Ebola, Marburg- und SARS-Corona-Viren entwickeln sich unter anderem auf Fledermäusen als Reservoir-Wirte. Es gibt Hunderte von verschiedenen Sorten Fledermäuse. Der schwarze Flughund und der Nilflughund haben eine besondere Immunabwehr gegen Corona-Viren und eignen sich deshalb als Reservoir-Wirte. Die Viren reagieren auf die Immunabwehr mit erhöhter Vermehrung. Die Fledermäuse sterben nicht, aber die Viren entwickeln sich als besonders gefährlich für den Menschen.2

Als 1997 in Indonesien weiträumige Abholzungen der Regenwälder stattfanden, mussten die Fledermäuse, die hier lebten, sich einen neuen Lebensraum suchen. Sie können sich gut an von Menschen besiedelte Gebiete anpassen. In Indonesien haben sie sich die malaysischen Orchideenbäume ausgesucht und brachten so die Viren zu den Menschen. Es ist aber wahrscheinlich, dass der Kontakt zum Menschen über ein Haustier passiert. Zum Beispiel, wenn die Fledermäuse sich in Scheunen niederlassen, die von Schweinen bewohnt sind.

Die Forscher Aneta Afelt, Roger Frutos und Christian Devant entdeckten einen klaren Bezug zwischen Waldrodungen, der Vertreibung der Fledermäuse und der Ausbreitung von Corona-Viren. Etwa 50 Fledermausarten werden in Asien von der einkommensschwachen Bevölkerung gejagt und verzehrt. Auch die Zibetkatzen werden von den Viren der Fledermäuse befallen, und diese übertragen sie auf die Menschen.

Sonia Shah weist darauf hin, dass nicht nur auf den Märkten die Wildtiere in ihren Käfigen dicht an dicht stehen. Auch vor den Schlachthäusern kommen lebende Tiere in engen Kontakt untereinander und die Viren haben eine leichte Ausbreitungsmöglichkeit. Auch in Südamerika im Amazonasbecken haben Forscher einen direkten Zusammenhang zwischen Wald-abholzungen und dem Ausbruch von Malaria festgestellt. Die von Bäumen gesäumten Mückenlichtungen verschwinden, entlang der abgeholzten Waldränder entsteht ein ideales Gebiet für die Mücke Anopheles darlingi, die das Malariavirus an die sich dort ansiedelnden Menschen überträgt.3

Nicht nur die in engen Käfigen gefangenen Tiere sorgen für eine optimale Verbreitung des Virus, auch die Millionenstädte, in denen die Menschen heute eingepfercht leben. Und nicht wenige dieser Menschen wünschen sich Kontakt zu einem Tier, dabei wirkt sich der Wunsch, in dieser Einöde von Beton und Menschen etwas Besonderes zu sein, vielleicht darin aus, ein exotisches Haustier besitzen zu wollen. Vielleicht darf es ein Präriehund sein?

Die EU kaufte etwa 2 Millionen Tiere aus China für Terrarien – Schlangen, Echsen, Schildkröten... Züchter und Tierpfleger starben an Viren durch das Schönhörnchen. Auch der weltweite Reptilienschmuggel sorgt für Virenverkehr.

Die chinesische Regierung hat nach Bekanntwerden der Ursprünge der Coronaviren-Übertragung den Handel von Wildtieren zum Verzehr auf den Märkten verboten. Das ist nur eine halbherzige Massnahme.

Es ist seit langem an der Zeit, das Verhältnis von uns Menschen zu Tieren und zur Natur überhaupt neu zu überdenken und daraus Konsequenzen zu ziehen.

Der Mensch ist nicht auf der Welt, um sich die Erde untertan zu machen. Das muss ein Missverständnis in der Überlieferung der Schöpfungsgeschichte der Bibel sein. Denn wir sehen, dass diese Grundüberzeugung dazu führt, dass der Mensch mit der Natur auch sich selbst zerstört.

pm

Astrid Schmeda, Gerd Stange: Andrà tutto bene. Alles wird gut wenn wir alles verändern. Edition Contra-Bass 2020. 128 Seiten. ca. 17.00 SFr. ISBN 978-3-943446-49-4


Fussnoten:

1  Sonia Sha in: Monde diplomatique März 2020

2 University California-Berkeley, Nadja Podbregar https://www.scinexx.de

3 https://www.umweltperspektiven.ch Katarina Zimmer