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Grenzen des Wachstums - ein epochemachender Report wird 50

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Grenzen des Wachstums - ein epochemachender Report wird 50

Vor genau 50 Jahren (02.03.1972) wurde das Buch Die Grenzen des Wachstums vom sogenannen Club of Rome vorgestellt.

Der Club of Rome ist ein Zusammenschluss von ExpertInnen und WissenschaftlerInnen verschiedener Disziplinen aus mehr als 30 Ländern und wurde 1968 in Rom gegründet. Zielsetzungen waren Forschungen und Zusammenarbeit hinsichtlich einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung. Die damaligen und aktuellen Ziele des Club of Rome sind: (Zitat) Zukunftsprobleme der Menschheit und des Planeten durch ganzheitlich, interdisziplinäre und langfristig ausgerichtete Forschung zu identifizieren, alternative Zukunftsszenarien und Risikoanalysen zu evaluieren, praktische Handlungsoptionen zu entwickeln und vorzuschlagen, neue Erkenntnisse und Trends gegenüber Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit zu kommunizieren und gesellschaftliche Debatten zur Verbesserung der Zukunft in Gang zu setzen.
(Zitat Ende)
Entsprechend dieser Zielsetzung wurde der Bericht Die Grenzen des Wachstums erarbeitet und 1972 veröffentlicht. Den enormen Impakt dieser Analyse und Prognose kann mensch sich aus heutiger Perspektive nur schwer vorstellen. 1972 war das letzte Jahr des weitgehend ungebremsten Nachkriegsbooms, der für nie gekannten Wohlstand in zahlreichen Ländern des sogenannten ‚Westens‘ gesorgt hatte. Millionen von Menschen konnten sich einen Lebensstandard leisten, der nur wenigen Jahrzehnte zuvor allenfalls den höchsten Eliten möglich war. Deutlich weniger eindrucksvoll aber dennoch unübersehbar ging es auch für die Menschen der Staatssozialistisch organisierten 2. Welt bergauf und selbst der globale Süden, damals als 3. Welt bezeichnet, konnte, wenn auch eher punktuelle Fortschritte verzeichnen.
Die damals gängige Sicht der Welt und ihrer weiteren Entwicklung beruhte auf dem felsenfesten Glauben, es würde immer so weiter gehen. Grundlage des stetig steigenden individuellen wie kollektiven Reichtums an materiellen Gütern sollte ein fortwährendes unerschöpfliches wirtschaftliches Wachstum sein. Nicht ohne Grund ist Wirtschaftswachstum, gemessen in der dafür recht untauglichen Kennzahl des Bruttosozialprodukts, die bis heute heilige Kuh nahezu jeder Wirtschaftspolitik.
Der Nachkriegsboom hatte in den westlichen Staaten zu ständig wachsenden Verteilungsüberschüssen geführt und damit den generellen und individuellen Wohlstand nahezu aller BürgerInnen beständig erhöht. Es schien ein Naturgesetz zu sein, dass das jede im Laufe seines Lebens sich einen immer aufwändigeren Lebensstil leisten konnte. Das eigene Automobil, allgemein akzeptiertes und geliebtes Symbol des individuellen Erfolgs und Wohlstands, konnte alle 5 Jahre durch ein grösseres und stärkeres ersetzt werden. Dabei schien es keine Grenzen zu geben – das amerikanische Durchschnittsautomobil 1970 war fast 6 Meter lang, verfügte über einen gewaltigen 8 Zylindermotor mit rund 250 PS und verbrauchte 25 bis 30 Liter Benzin auf 100 km.
Aber auch sonst schienen hinsichtlich der weiteren Entwicklung keine Barrieren mehr zu existieren – die Mondlandung 1969 symbolisierte das weitverbreitete anything goes auf Trefflichste.
In dieses Bewusstsein ungebremster Aufwärtsentwicklung platzte 1972 der negative Ausblick des unter Federführung amerikanischen Ökonoms D. Meadows erstellte Bericht von den Grenzen des Wachstums. Über verschiedene Computersimulationen hatten die Autoren versucht, die weitere Entwicklung vorherzusagen und kamen zu schockierend negativen Ergebnissen. Insbesondere die Endlichkeit der Rohstoffe und Energiereserven, die fortschreitende Umweltzerstörung und das ungebremste Bevölkerungswachstum liessen fundamentale globale Probleme bereits für die nahe Zukunft erwarten.
Ohne Übertreibung kann festgestellt werden: Der Bericht schlug ein, wie eine Bombe und avancierte zum internationalen Bestseller. Er fand sich auch im Bücherschrank der Eltern des Autors dieses Beitrags ebenso wie in den Bibliotheken der StaatslenkerInnen. Erstmals erreichte die Öffentlichkeit, die Politik und die Entscheidungsträger die Dramatik der globalen Situation. Passend dazu führte die Ölkrise 1973 die Knappheit des zentralen Betriebsstoffes des fossilen Zeitalters vor Augen und lösten den ersten nachhaltigen wirtschaftlichen Abschwung der Nachkriegszeit aus. Diese prompte Bestätigung der Vorhersagen des Reports löste eine tiefgreifende Wirtschaftskrise aus und beendete das ungebremste materiellen Wachstum im Bereich der Realwirtschaft bereits vor 5 Jahrzehnten. Die Kapitaleliten erfanden, um das systemimmanente Wachstum des Kapitalismus sicherzustellen, den entfesselten Finanzmarktkapitalismus, der losgelöst von realen Gegebenheiten für die nötigen, wenn auch virtuellen Wachstumsraten sorgte. Diese Kunstgriffe, um gegen die real existierenden Grenzen weiteres Wachstum zu erzeugen, haben inzwischen wahnwitzigen Charakter angenommen. So repräsentieren für sich genommen völlig nutzlose und für immer sinnfreie Zeichenketten, genannt Bitcoins, bereits über 700 Milliarden Euro und generieren weiteres Finanzwachstum ohne jeden realen Gegenwert. Die Bonzen können mit diesen Taschenspielertricks weiter ihre Yachten und Villen finanzieren, für die breite Masse der BürgerInnen war das Ende des realen Einkommenswachstums jedoch bereits kurz nach Erscheinen des Reports erreicht.
Verständlicherweise stiess ein derartig an den Grundfesten rüttelndendes Werk auf heftigsten Widerspruch und musste zahlreiche Diffamierungen hinnehmen. Erleichtert wurden diese durch den Umstand, dass die Autoren des Ursprungstextes recht konkrete Prognosen gemacht hatten, wann welcher Rohstoff zu Ende gehen würde. Dabei hatten sie sich stark pessimistisch verschätzt, was im Verlauf undifferenzierte Kritik und Verteufelung einfach machte.
Das hinderte allerdings glücklicherweise nicht daran, dass die Kernbotschaft dieses epochemachenden Buchs über die nächsten Jahrzehnte doch ankam. Heute wissen Grundschulkinder um Ressourcenknappheit, CO2 Fussabdruck und Upcycling-Strategien. Wie sehr allerdings Degrowth-Prozesse immer noch das kapitalistische Geldverdienen bedrohen, zeigt der Umstand, dass Spiegel-Redakteur A. Neubacher sich zum 50 jährigen Jubiläum erneut aufgerufen fühlt, die Grenzen des Wachstums zu leugnen und den Report von 1972 auf dumpfe Weise zu verunglimpfen.
Solch polemische Kritik kann leichten Herzens überhört werden, denn selten entwickelte ein Buch einen grösseren Impact auf die globale Entwicklung und die Art, wie wir die Welt sehen und mit ihr umgehen. Da mögen die Unbelehrbaren noch so zetern und schmollen – das Buch Die Grenzen des Wachstum war der Grabgesang auf eine ausbeuterische und zerstörende Epoche und leitete – Achtung ganz aktuelle Begrifflichkeit – eine Zeitenwende ein.
Zum Jubiläum hat der deutsche Zweig des Club of Rome eine Stellungnahme herausgebracht. Sie enthält viel Richtiges, aber wenig Neues – die unglaubliche Sprengkraft des ersten Reports von 1972 fehlt – denn 2022 wird gesagt und gefordert, was längst gängige Argumentation vieler Umweltinitiativen und sozialer Bewegungen ist und selbst im Programm bürgerlicher Parteien unschwer zu finden ist.

Hier als Eindruck die abschliessenden Ratschläge des 2022 Stellungnahme: (Zitat)


Es ist höchste Zeit,

- die grossen Zukunftsherausforderungen umfassend zu analysieren und aus
Versäumnissen zu lernen,
- Strukturen zu schaffen, um diesen Herausforderungen angemessen und umfassend
begegnen zu können,
- die entscheidenden Hebel für Veränderungen zu erkennen und zu aktivieren,
- den Erfolg politischer Massnahmen ständig zu kontrollieren und öffentlich zu
diskutieren,
- die gesellschaftliche Debatte über lebenswerte Zukünfte zu befeuern und
- an einer Kultur der Zukunftsoffenheit und Fehlertoleranz zu arbeiten.

Es wird sich lohnen

(Zitat Ende)

Ja Lohnen wird sich das schon – aber etwas mehr Feuer, Begeisterung, Kreativität und Impuls braucht die Welt bei der Bewältigung der globalen Klimakatastrophe dann doch – fangen wir an!

Creative Commons Lizenz

Autor: Mel

Radio: RDL Datum: 03.03.2022

Länge: 09:33 min. Bitrate: 134 kbit/s

Auflösung: Stereo (44100 kHz)