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Auferstanden aus Ruinen: die SPD, die Hausmannskost, der Wumms und das Momentum

EIN KOMMENTAR So sehr es bei der Bundestagswahl wesentlich schlimmer hätte kommen können, so beunruhigend ist doch, wie sehr der Personenkult, also das Charisma die politische Auseinandersetzung und Meinungsbildung dominiert.

EIN KOMMENTAR

So sehr es bei der Bundestagswahl wesentlich schlimmer hätte kommen können, so beunruhigend ist doch, wie sehr der Personenkult, also das Charisma die politische Auseinandersetzung und Meinungsbildung dominiert. Wie ermüdend strukturkonservativ, ja einfallslos, ängstlich und verklemmt das deutsche Wahlvolk in seinem ideologischen Käfig aber seit jeher ist, hat sich 2021 einmal mehr gezeigt.
Lustig ist indes, dass nun, wo „nach 16 Jahren Merkel“ angeblich allseitige Wechselstimmung herrsche, ausgerechnet der blasse Olaf Scholz als Hoffnungsträger gehandelt wird. Denn er steht nun wirklich für alles andere als den Wandel. Statt Neuerungen ist immer nur die Rede von einer Politik der „Erneuerung“ – und was wird „erneuert“? Das Alte, Althergebrachte natürlich. Es wird immer nur auf einen neueren Stand gebracht. Von wegen „den Wandel gewählt“: Scholz war immer ein Verfechter der Agenda 2010, also insbesondere von Hartz IV, entgrenzter Zeitarbeit, Ich-AGs und Gig Economy. Aber Scholz muss nicht fürchten, wie die nun scheidende Kanzlerin mit Frauenhass und Pegida-Pogromstimmung eingedeckt zu werden. Undenkbar, dass die rechten Wutbürger nun skandieren werden, „Scholz muss weg!“; obwohl er doch in den meisten Belangen für die gleiche Politik steht.
Scholz kann adressatengerecht sprechen, nun ja, da ist er ganz Müntefehring, ganz Schröder, ganz Nahles. Für die bildungsferne Wählerschaft sagt er, dass die von ihm favorisierte Politik einen „Wumms“ auslösen oder mit einem „Wumms“ durchgesetzt werden müsse. Für die Feingeistigen und Besserverdienenden sagt er, der einzuleitende Wandel habe bereits „Momentum“ gewonnen.

Viel ist, seit Jahren schon, gegrübelt, geschrieben und räsoniert worden über die Krise der sogenannten Volksparteien, also jener, die es gewohnt waren, regelmässig mehr als ein Drittel aller Wählerstimmen einfahren zu können ... Jahrzehntelang war es so gewesen, dass, wenn die CDU regiert, ein typischer CDU-Mann den Leithammel geben muss; wenn aber – ausnahmsweise – mal die SPD regieren darf, musste das in aller Regel ein eher rechter Sozialdemokrat sein: Schmidt oder Schröder, und nun Scholz. Ausnahme von diesem ernüchternden Schema war lediglich Merkel, sie rückte die rechtsliberale Union tatsächlich in Richtung Mitte, genau wie die Sozikanzler die linksliberale Partei in Richtung Mitte gerückt haben – und damit in die Bedeutungs- und Gesichtslosigkeit.
Doch dass ein Machtwechsel hierzulande so vergleichsweise ruhig und zivilisiert über die Bühne geht, ist nicht primär der ach so humanistisch-demokratischen Kultur geschuldet, sondern der Tatsache, dass die abtretende CDU samt ihrem Wahlvolk überhaupt keinen signifikanten Wandel fürchten muss: Olaf Scholz steht – genau wie damals Schröder – für ein trostloses Weiter So.


Dauer: 13,5 Minuten

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Autor: Redaktion Sachzwang FM

Radio: Querfunk Datum: 28.09.2021

Länge: 13:28 min. Bitrate: 64 kbit/s

Auflösung: Mono (48000 kHz)