Dieser und der folgende Tag sind als Befreiung vom Faschismus und als Ausbruch des Friedens in die europäische Geschichte ein-gegangen. Bereits zwei Wochen zuvor hatten sich VertreterInnen aus 50 Nationen zur Gründung der UNO versammelt. Diese ver-abschiedete am 26. Juni 1945 ihre Charta, deren wichtigste Errun-genschaft das Kriegsverbot war und ist. Der Zweite Weltkrieg endete allerdings erst am 15. Au-gust mit der Kapitulation Japans. Zuvor waren Hiroshima am 6. August und Nagasaki drei Tage später mit Atombomben zerstört worden. Der Hauptgrund für die-sen barbarischen Akt der USA war es, Japan zu besiegen, bevor die Sowjets dabei mithelfen konn-ten.
Wenn die Welt heute alles andere als friedlich ist, hat das nicht zu-letzt mit dem anderen 8. Mai 1945 zu tun. Am gleichen Tag wurde auch im nordafrikanischen Sétif die Befreiung vom Faschis-mus gefeiert und die Beendigung der Kolonialherrschaft gefordert. Wegen dieser Forderung brachten französische Truppen und Zivilis-ten zwischen 15'000 und 45'000 Berberinnen und Berber, Arabe-rinnen und Araber um. Sétif war das Fanal für die kommenden Kolonialkriege. In Algerien fol-gerte die junge Generation daraus, dass nur der bewaffnete Kampf zur Unabhängigkeit führt. Bei dieser Entscheidung spielte auch mit, dass die offizielle französi-sche Linke, die SP und die KP, den französischen Kolonialismus verteidigte. Als der Faschist Le Pen 1957 in Algerien folterte, war der Sozialist Mitterrand als Jus-tizminister sein Chef. Die Ent-fremdung zwischen arabischer und westlicher Welt hat eine ihrer Ursachen in Sétif. Wer den Frie-den will, gedenkt heute beider 8. Mai..
Die Schweiz hat den Krieg unver-sehrt überstanden, weil sie im unbesetzten Zustand der Nazi-Kriegsmaschine dienlicher war. In der Schweiz, die faktisch dem deutschen Wirtschaftsraum ein-gegliedert war, konnten die Fab-riken störungsfrei Waffen für die Wehrmacht produzieren, die Ei-senbahnen deutsche Kohle nach Italien transportieren, die Kraft-werke Strom nach Süddeutsch-land liefern, die Nationalbank unbehelligt Nazi-Gold in Devisen umwandeln. Etwa 30‘000 jüdi-sche Flüchtlinge wurden in den sicheren Tod zurückgeschickt. Die nationale Lebenslüge, dass die Schweiz ihre Rettung der ei-genen Armee verdanke, hatte zur Folge, dass diese eine starke Aufwertung erfuhr. Der damit ebenfalls gestärkte mentale Mili-tarismus verunmöglichte es da-mals, dass in unserem Lande - im Unterschied zu allen anderen eu-ropäischen Demokratien - das Frauenstimmrecht eingeführt wurde. Das Bürgerrecht war nach 1945 enger denn je mit der Wehr-pflicht verbunden. Es brauchte die 68er Bewegung, die Erosion der Geistigen Landesverteidigung und vor allem den Druck der Eu-ropäischen Menschenrechtskon-vention, um 1971 die politische Gleichberechtigung durchzuset-zen.
Die GSoA widmet ihr Gedenken an den 8. Mai 1945 den beiden verpassten Chancen für den Frie-den und für die Frauen. Warum das Kriegsverbot sich nicht durchsetzen konnte, darüber refe-riert der Genfer Andreas Zu-mach, UNO-Kenner, Journalist und Buchautor (Globales Chaos - machtlose UNO, Rotpunkt, 2015). Warum das schweizerische Män-nervolk den Frauen auch 1945 und 1959 das Stimmrecht verwei-gerte, erklärt die Historikerin, Geschlechterforscherin, Buchau-torin und Berner Stadträtin Leena Schmitter (Frauenbewegung - Die Schweiz seit 1968. Analysen, Dokumente, Archive, Hier und Jetzt, 2014).
1945: Verpasste Chancen für Frieden und Frauen
Ein Gespräch mit Janik von der Gruppe Schweiz ohne Armee die am 8. Mai 2015 ein Diskussions-veranstaltung mit Andreas Zu-mach und Leena Schmitter durch-führten. Am 8. Mai 1945 unterzeichneten die Nazis im französischen Reims die bedingungslose Kapitulation.

Autor: ub
Radio: RDL Datum: 13.05.2015
Länge: 12:07 min. Bitrate: 128 kbit/s
Auflösung: Stereo (44100 kHz)
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