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Damals NS-Kollaborateur, heute Opfer? Rehabilitation der Tschetniks in Serbien und die Rolle der EU

Wer meint, in den neuerklärten "sicheren Herkunftsländern" auf dem Balkan herrsche gerade einmal 17 Jahre nach Ende des letzen ex-jugoslawischen Krieges schon Friede (und Sicherheit), der irrt.

Umso mehr, als noch nicht einmal die Konflikte des noch viel weiter zurückliegenden Zweiten Weltkriegs ganz gelöst sind. 2015 wurde in Serbien Draza Mihailovic rehabilitiert, Führer der Tschetniks in der Zeit der deutschen Besatzung. Die Tschetniks hatten neben den Partisanen anfangs Widerstand gegen die nationalsozialistische deutsche und faschistische italienische Besatzung geleistet, hatten dann aber dem Antikommunismus Priorität eingeräumt und mit den Besatzern kollaboriert. Sie werden für Massaker an bosniakisch-muslimischen und kroatischen ZivilistInnen und an PartisanInnen verantwortlich gemacht. Ihr Anführer Mihailovic wurde 1946 zum Tod verurteilt. 2004 und 2006 wurden in Serbien jedoch Gesetze erlassen, die die historische Gleichstellung der Tschetniks mit den PartisanInnen als FreiheitskämpferInnen sowie die Rehabilitierung der verurteilten Tschetniks und die Restituierung ihres als Strafe enteigneten Besitzes vorsieht. Nach diesem Rehabilitationsgesetz wurde auch der Fall von Mihailovic verhandelt, doch er ist nur der Berühmteste vieler inzwischen rehabilitierter Kollaborateure und Kriegsverbrecher. Die Initiative Ne rehabilitaciji! (Keine Rehabilitierungen!) bezeichnet diese Entwicklung als Geschichtsrevisionismus und kritisiert insbesondere auch die Europäische Union, die sich als eine treibende Kraft hinter dem Rehabilitations- und Restitutionsprozess betätigt, so dieses Jahr in der Resolution des Europäischen Parlaments zum Serbien-Fortschrittsbericht 2015. Mit einem Protestbrief (PDF iconpismo-Evropskom-parlamentu-EN-prevod-6.5.15_fin-1-1.pdf) hat sich die Initiative daher an das Europäische Parlament und dessen Vorsitzenden Martin Schulz gewandt. Anlässlich einer Studienreise nach Serbien Anfang Juli 2016 ist das hier dokumentierte Interview mit einem Aktivisten von Ne rehabilitaciiji entstanden, das freundlicherweise RDL zur Bearbeitung und Veröffentlichung zur Verfügung gestellt wurde.

Autor: ub

Radio: RDL Datum: 18.07.2016

Länge: 14:26 min. Bitrate: 128 kbit/s

Auflösung: Stereo (44100 kHz)