Wenn der Boss den Laden dicht macht Worker's buy-out statt Betriebsschliessung

Wirtschaft

Es muss nicht gleich Enteignung sein. Wie wäre es mit einem Vorkaufsrecht der Belegschaft?

Wombat's enteignen?
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Wombat's enteignen? Foto: zVg

18. Oktober 2019
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Alternative zu willkürlicher Schliessung und Arbeitslosigkeit. In Italien emöglicht das Marcora-Gesetz die Betriebsübernahme durch Genossenschaften.

Begleitet von Protesten gegen einen aus dem Ruder gelaufenen Massentourismus eröffnete im Juli 2019 in Mestre bei Venedig ein weiteres Hostel der österreichischen wombat's-Kette.1

Zeitgleich mussten sich die Beschäftigten der Berliner Niederlassung darauf einstellen, demnächst ihre Jobs zu verlieren. Die Geschäftsleitung hatte entschieden, den Betrieb zum 31.8.2019 stillzulegen (Bericht vom Wombat's Shut-down, 3.9.2019). Nicht etwa weil dieser keine Gewinne abwarf, sondern weil die Beschäftigten ihre Rechte eingefordert und ausgeübt haben.

Sie gründeten einen Betriebsrat und erstreikten in einer langwierigen Auseinandersetzung die Tarifbindung ihres Arbeitsplatzes erstreikten. Auf diese „Art und Weise wolle man nicht weiter arbeiten“, hiess es 2019 in einem betriebsinternen Aushang des Managements, der das Ende des Beliner wombat's Hostels einläutete.

Branchenübergreifend wurde dieser Akt ökonomischen Terrors als Angriff auf die Gewerkschaftsbewegung gewertet. Doch trotz gut besuchter Proteste: Abwenden konnte die Belegschaft die Schliessungspläne nicht.

Eigentum verpflichtet…? In Deutschland momentan zu gar nichts

Die Entscheidung darüber, ob ein Betrieb stillgelegt wird, fällt nach Ansicht der Bundesregierung in Deutschland allein den Eigentümer*innen zu. Dies wurde der Linkspartei nach einer schriftlichen Frage jüngst erneut bestätigt. Dass die Geschäftsleitung des wombat's Hostels gegen die Koalitionsfreiheit und das Sozialstaatsgebot verstosse, also gegen die Artikel 9 (3)2 und 20 (1)3 des Grundgesetzes, will die Regierung nicht erkennen.4

Sollten die Kolleg*innen in Italien einmal vor den selben Problemen stehen, wie die Berliner*innen heute, so werden sie sich jedenfalls nicht allein auf Proteste verlassen müssen. Seit 1985 regelt in Italien das Legge Marcora bei Unternehmensabwicklungen ein Vorkaufsrecht für seine Beschäftigten. Ein dichtes Netz verschiedener Institutionen begleitet die Arbeiter*innen dabei, ihren Betrieb in eine Genossenschaft umzuwandeln; unterstützt sie finanziell und durch entsprechendes Know-How.

Das Modell ist eine Erfolgsgeschichte: Die jüngsten Zahlen sprechen von 257 Betriebe, die durch das Gesetz demokratisiert und in Arbeiter*innenhand überführt wurden. Gerade einmal fünf Prozent der auf diese Weise übernommenen Betriebe sind Bankrott gegangen.5

Könnte ein ähnliches Modell auch in Deutschland umgesetzt werden?

Die Belegschaft des wombat's Hostel Berlin geht aktuell davon aus, dass ihr Betrieb spätestens nach der gesetzlichen Karenzzeit wiedereröffnet wird – ohne betriebliche Mitbestimmung und ohne Tarifvertrag. Beispiele für diese krasseste Form des Union Busting gibt es mittlerweile zuhauf. Ein Vorkaufsrecht könnte dieser Praxis einen wirksamen Riegel vorschieben und die Gewerkschaftsbewegung stärken.

Bewegung in den USA und Grossbritannien

In einer Untersuchung des democracy collaborative hat sich jüngst herausgestellt, dass in den USA 69% der Befragten ein solches Modell befürworten würden – und zwar über das gesamte parteipolitische Spektrum hinweg.6 Für Grossbritannien entwickelt die Labour Party unter dem Schlagwort des ‚right to own' einen an das italienische Gesetz angelehnten Entwurf.

Die aktion ./. arbeitsunrecht denkt, es ist an der Zeit, die Debatte auch hierzulande zu beginnen. Auch in Deutschland brauchen wir wirksame Mittel, um der Androhung von willkürlichen Betriebschliessungen zu begegnen. Dazu gehört neben der Strafverfolgung krimineller Unternehmer*innen auch ein Vorkaufsrecht der Belegschaften sowie notfalls die Enteignung von Eigentümern, die sich sozialschädlich verhalten.

Redaktion
arbeitsunrecht.de

Fussnoten:

1 Hostelkette öffnet in Mestre, doch Proteste aus Berlin hallen nach, Südtirol News, 22.7.2019, https://www.suedtirolnews.it/italien/hostelkette-oeffnet-in-mestre-doch-proteste-aus-berlin-hallen-nach

2 Art. 9 (3) Grundgesetz: „Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Massnahmen sind rechtswidrig.“ https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_9.html

3 Art. 20 (1) Grundgesetz: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ (4) „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_20.html

4 Schriftliche Frage von MdB Jutta Krellmann mit der Arbeitsnummer 120 / Juni 2019.

5 Vieta, M. (2015) “The Italian Road to Creating Worker Cooperatives from Worker Buyouts: Italy's Worker ‐Recuperated Enterprises and the Legge Marcora Framework”, Euricse Working Papers, 78|15.

6 Gowan, Peter (2019): Right to own. A policy framework to catalyze worker ownership transitions, in: https://thenextsystem.org/rto, aufgerufen am 20. Juli 2019