Schweizer Stevia-Biopiraterie Süssungsmittel mit bitterem Beigeschmack

Wirtschaft

Beim aktuellen Hype um Stevia werden Rechte indigener Völker verletzt und irreführende Werbebotschaften verbreitet.

Getrocknete Blätter des Süsskrautes Stevia rebaudiana.
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Getrocknete Blätter des Süsskrautes Stevia rebaudiana. Foto: NmiPortal (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

23. November 2015
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Profitieren vom Boom tut auch die Basler Biotech-Firma Evolva, welche mittels umstrittener synthetischer Biologie jenen Grundstoff entwickelt hat, der im für 2016 angekündigten Cargill-Produkt „Eversweet“ steckt. Evolva, aber auch Schweizer Anbieter wie Assugrin, Henniez oder Ricola müssen sicherstellen, dass die indigene Gemeinschaft der Guaraní wie auch die Stevia-Ursprungsländer ihren in der UNO-Biodiversitätskonvention verbrieften Anteil am Gewinn erhalten.

Basis aller, von der Stevia-Pflanze abgewandelten Süssstoffe ist das jahrhundertealte Wissen der Guaraní aus dem Grenzgebiet von Paraguay und Brasilien. Tausende von Produkten mit aus der traditionellen Nutzpflanze hergestellten Steviol-Glykosiden sind bereits auf dem Markt, darunter Coca-Cola Life, Ricolas Lakritz-Bonbons, Henniez' Ananas-Pfirsich-Wasser oder SteviaSweet von Assugrin. Mit den verarmten Guaraní und den Herkunftsstaaten wurde jedoch nie eine Vereinbarung über einen gerechten Vorteilsausgleich getroffen, wie es die UNO-Biodiversitätskonvention und das Nagoya-Protokoll verlangen. Diese Biopiraterie muss gestoppt werden. Die EvB und Pro Stevia Schweiz appellieren deshalb an die Schweizer Produzenten und Nutzer von Stevia-basierten Süssstoffen sicherzustellen, dass unverzüglich Verhandlungen mit den Guaraní über eine gerechte „Vorteilsaufteilung“ (Access and Benefit Sharing) aufgenommen werden.

Diverse Firmen kommen bald mit Steviol-Glykosiden auf den Markt, die nicht mehr aus Pflanzen gewonnen, sondern mittels synthetischer Biologie im Labor produziert werden. Ganz vorne mit dabei ist die Schweizer Firma Evolva, welche mit Cargill einen der weltgrössten Vertriebspartner hat. Für 2016 ist die Lancierung des gemeinsamen Produkts „Eversweet“ angekündigt. Davor braucht es aber zwingend eine unabhängige sozioökonomische Folgenabschätzung, wie sie von den Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention verlangt wird. Denn sollte sich „Eversweet“ durchsetzen, verlieren zahllose Kleinbauern ihre Abnehmer. Und wichtiger noch: Die Guaraní als Inhaber des traditionellen Wissens über die Süsskraft der Stevia-Pflanze und deren Heimatländer Paraguay und Brasilien drohen abermals leer auszugehen.

Zudem täuscht die Kommunikation vieler Anbieter, die Steviol-Glykoside in ihren Produkten verwenden, die Konsumierenden: Durch die Abbildung von Pflanzenblättern oder den Verweis auf traditionelles Wissen wird – ob vorsätzlich oder fahrlässig – eine „Natürlichkeit“ dieses in einem chemischen Verfahren hergestellten Zusatzstoffs suggeriert. Die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) bereits 2010 erlassenen Regeln für die Kennzeichnung und Bewerbung von Steviol-Glykosiden werden heute grossflächig missachtet und von den Kantonennicht durchgesetzt. Dazu passt, dass weder Coca-Cola noch PepsiCo unsere folgenden zwei Fragen beantwortet haben: Ob sie künftig synthetische Steviol-Glykoside verwenden und, wenn ja, ob sie dies transparent kommunizieren werden.

evb

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