Die Kaffeedynastie Jacobs Blut & Bohnen

Wirtschaft

Auf Platz 9 der reichsten Deutschen im Jahr 2021 sieht das Vermögen Magazin die Kaffeedynastie Jacobs.

Jacobs Kaffe Kinowerbung mit dem neuen wunderbar
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Jacobs Kaffe Kinowerbung mit dem neuen wunderbar Foto: Jacobs Douwe Egberts (CC BY-SA 4.0 cropped)

2. Juni 2021
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Mit 11,2 Milliarden Euro wird ihr Vermögen angegeben. Woher es kommt, kann man sich unschwer ausmalen, denn der Familienname steht seit Jahrzehnten synonym für das wichtigste Gut des Clans: Kaffee.

Die Geschichte des Aufstiegs des Oligopols ist lang und da sich die bürgerliche Geschichtsschreibung für dergleichen kaum interessiert, müssen wir bei der Frage, woher er kam, all der Reichtum, auf einen glücklichen Umstand zurückgreifen. Erben von Reichendynastien entwickeln aus Fadesse und Vernachlässigung häufig Identitätskrisen und müssen dann Bücher schreiben. Das tat auch Louise Jacobs, eine aus der jüngeren Generation der Jacobs', und erforschte in ihrem Buch „Café Heimat“ die Historie ihrer Familie.

Das Büchlein ist lückenhaft, schweift häufig ins Literarische ab und man muss sich die für unsere Zwecke, die Erforschung der Firmengeschichte deutscher Kapitalistenclans, relevanten Informationen zwischen dutzenden Seiten Pferdezucht, Champagner-Frühstück und Loup de Meer im Edelschuppen „Borchardt“ herauspicken. Sei's drum, man erfährt doch einiges.

Die Geburt des heute multinationalen Konzerns vollzog sich 1898: „Im Hause Domshof 18 eröffne ich ein Spezialgeschäft in Caffee, Thee, Cacao, Chocoladen, Biscuits – Inhaber und Gründer Johann Jacobs“. Die Unternehmung ging dann eine Zeit recht kleinbürgerlich von der Hand, aber 1907 kam ein eigener Röstbetrieb zum Laden und man gewann 1926, da hiess die Firma schon „ Johann Jacobs und Co.“ mit der Norddeutschen Lloyd erste Grosskunden.

1930 stieg Walther Jacobs in den Betrieb mit ein, der ihn später zu Weltgeltung führen sollte. Zunächst aber wurde ein wenig gehitlert, wie es eben so üblich war in der besitzenden Klasse Deutschlands. Der Vermutung, es könne sich bei Jacobs des Namens wegen um einen jüdischen Betrieb handeln, trat schon 1933 der zuständige Kreiskampfführer entgegen: „2. April 1933. Kampf allen Verleumdungen! Es wird hiermit bestätigt, dass die Firma Joh. Jacobs & Co. Kaffeerösterei, Bremen, ein deutsches Unternehmen ist und nur mit deutschem Kapital arbeitet … Der Name ist rein niedersächsischen Ursprungs.“ Jacobs bringt die Sorte „1933“ auf den Markt, die ersten Jahre des Hitler-Faschismus kurbeln die Konjunktur auch im Kaffee-Sektor an. 1934 setzt Jacobs einen Firmenneubau um, es geht bergauf, 1936 werden 6,6 Millionen Reichsmark umgesetzt, der Kaffeeimport steigt an und man zeichnet die firmeninternen Rundschreiben brav mit „Heil Hitler“.

Aufstieg im Wirtschaftswunder

Man muss aber sagen: im Unterschied zu den meisten anderen heute noch mächtigen deutschen Monopolkonzernen war der Faschismus für Jacobs nicht die entscheidende Konjunkturspritze. Klar, man profitierte, klar, man konnte sich drücken, an der Front zu sterben, klar, man kooperierte mit den Nazis und unterhielt enge Verbindungen zur Wehrmacht, und zumindest in geringfügigem Ausmass müssen, so erwähnt Louise Jacobs, auch „Fremdarbeiter“ zum Einsatz gekommen sein.

Die genaue Rolle von Jacobs im Nationalsozialismus ist nicht bis ins Detail erforscht. Aber der Aufstieg beginnt eigentlich als Krisengewinnler in der Zeit nach dem Ende des Nationalsozialismus. Walther Jacobs macht seine „Kontakte zu deutschen und britischen Behörden“ geltend, der Wiederaufbau beginnt. Lange Zeit gibt es nur „Muckefuck“, den ungeliebten, aber massenhaft getrunkenen Kaffeeersatz, aber ab 1948 landen endlich wieder Kaffeebohnen aus Brasilien am Bremer Hafen.

In der Bundesrepublik entwickelt sich über die Jahrzehnte eine Massenkonsumkultur, ein wenig nach amerikanischem Vorbild. Man setzt bei der Versorgung der Bevölkerung ganz auf die Monopolkonzerne und die verdienen sich krumm. So steigt Jacobs auf, vom wohlhabenden Kleinbürger aus bäuerlicher Familie zum Millionär, dann zum Inhaber eines Grosskonzerns.

1973 verlegt Klaus J. Jacobs den Firmensitz nach Zürich, 1990 kauft Kraft Foods das Unternehmen, 2015 geht es in den multinationalen Konzern Jacobs Douwe Egberts (JDE) ein, der wiederum via JAB Holding von einem anderen deutschen Milliardärsgeschlecht kontrolliert wird: den Reimanns.

Blutige Bohnen

Das Buch von Louise Jacobs ist nicht nur deshalb interessant, weil es Details aus der Familiengeschichte nennt. Es ist vor allem deshalb interessant, weil es den Elefanten im Raum so selbstverständlich übersieht, dass man einen Eindruck davon bekommt, wie wenig Leute wie sie überhaupt ahnen, woher ihr Vermögen kommt. Dabei steckte die Sache schon im Namen, zumindest in der Gründungsphase des Unternehmens, denn Läden wie den von Jacobs nannte man damals ja ganz wertneutral „Kolonialwaren“-Läden.

En passant, wenn sie darüber erzählt, dass mal eine Lieferung stockt, oder die Länder nennt, aus denen die Bohnen bezogen werden soll, erfährt man zumindest die Herkunftsländer: Brasilien, Kolumbien, Guatemala, El Salvador, Kenia. Und manchmal räsoniert sie mit dem gebührenden Exotismus der Kolonialwarenhändlerfamilie, wie wohl die „dunkelhäutigen Indiofrauen“, die „in Tücher gewickelten schuftenden Männer, Frauen und Kinder, die auf dem Sandboden kauernd Bohnen verlesen“ auf den „deutschen Bauern, den Hanseaten“ gewirkt haben mussten.

Dass es genau das Leid und die Drangsal dieser schuftenden Männer, Frauen und Kinder waren, denen sie ihren Wohlstand verdankt, kommt ihr nicht in den Sinn. Dabei hätte sie es mühelos nachlesen können, etwa in „Uncommon grounds – the history of coffee and how it transformed our world“ des US-Publizisten Mark Pendergrast, der in seinem epischen Werk nachzeichnet, wie das Geschäft mit der Kolonialware ganze Länder zugrunde richtete.

Da war natürlich zunächst die Sklaverei. Lange Zeit war es billiger, neue Sklaven zu importieren, als den vorhandenen zum Überleben zu verhelfen und dementsprechend arbeitete man sie einfach zu Tode. Rechtlos den Eigentümern ausgeliefert, waren brutale Bestrafungen, sexualisierte Gewalt und Mord an der Tagesordnung. Das formale Verbot des Sklavenhandels änderte daran wenig, zunächst stieg die Anzahl der Sklaven sogar. Als das Verbot dann wirklich durchgesetzt wurde, sahen sich die Plantagenbesitzer einfach nach alternativen Arbeitsmodellen um, die der Brutalität der Sklaverei kaum nachstanden. Verarmte italienische Einwanderer, entwurzelte Kleinbauern und vertriebene Indigene, ehemalige Sklaven – den Plantagenkapitalisten war es egal, sie zäunten ihre Untergebenen ein und liessen sie von bewaffneten Guards bewachen.

Über Guatemala in seiner Kaffee-Hochphase schrieb Jeffrey Paige in „Coffee and Power“: Guatemala hatte so viele Soldaten, dass es einer Strafkolonie ähnelte, einfach aus dem Grund, dass es eine auf Zwangsarbeit basierende Strafkolonie war.“ Pendergrast zitiert ein durchaus repräsentatives Beschwerdeschreiben eines Plantagenarbeiters: „Don Manuel, der Bruder meines Arbeitgebers, schlug mich grundlos. Er schlug auch meine Frau und unser Baby, mit dem Ergebnis, dass beide starben.“ Ein anderer schrieb: Nachdem „der Chef die Blüte meiner Jugend durch Arbeit ausgebeutet hat“, wolle er jetzt nur noch „langsam auf den Feldern sterben wie es die Tiere tun, wenn sie alt und nutzlos geworden sind.“

Kaffee in Lateinamerika hiess Vernichtung von Mensch und Natur in einem gigantischen Ausmass. Regierungen wurden gestürzt, Indigene massenhaft vertrieben und versklavt wie etwa in Guatemala, Spekulation sorgte zeitweise für die Vernichtung von Unmengen an Kaffee und selbstredend nahm man keinerlei Rücksicht auf die Natur. Die brasilianische Rio-Region wurde „rasch runiniert durch eine Pflanze, deren destruktive Anbauform gerodete Wälder, erschöpfte natürliche Ressourcen und generell Verfall zurückliess“, schrieb Eduardo Galeano.

Und heute?

Es herrscht im allgemeinen Bewusstsein der Irrglaube vor, zu meinen, „früher“ sei das alles viel schlimmer gewesen, aber „heutzutage“ doch nicht mehr. Das liegt vor allem daran, dass die Verbrechen der Kapitalisten meistens erst Jahre nach ihrem Vollzug ans Licht einer breiteren Öffentlichkeit gelangen und dann eine riesige Propagandamaschine bemüht ist, sie als Unfälle, Einzelfäll oder Versehen abzutun.

Aber Kaffee blieb ein Gut, dessen Vermarktung die einen reich macht und die anderen in Unglück und Verderben stürzt. Erst im Jahr 2016 untersuchte eine dänische NGO die Lieferketten der zwei grössten Monopolisten – Nestlé und Jacobs (da schon JDE) – und fand das, was man netterweise „poor working conditions“ nennt, also Sklaverei, Kinderarbeit, tödliche Pestizide und so weiter.

Auf die Berichte reagierten die Konzerne natürlich bestürzt, man liess verlautbaren, man könne nicht die ganze Lieferkette kontrollieren und klar, man müsse da mehr tun, die Geschäftsbeziehungen mit denen, die aufgeflogen waren, wurden beendet – und weiter ging das Spiel. Ein Bericht der International Labour Organisation (ILO) listet für 2018 Menschenrechtsverletzungen gegen Kaffee-Arbeiter:innen in 17 Ländern auf, darunter Zwangsarbeit, moderne Sklaverei und Kinderarbeit.

Ein Artikel in Byline Times beschreibt die Situation von Plantagen-Arbeiter:innen in Brasilien: Sie „werden oft in ihr Arbeitsverhältnis verkauft (trafficked to work), für wenig oder kein Geld, und sie sind gezwungen, in Müllhütten zu leben, Wasser neben den Tieren zu trinken. Sie befinden sich häufig in Schuldknechtschaft, sie haben nicht-existente Arbeitsverträge, werden tödlichen Pflanzengiften ausgesetzt, ermangeln Schutzkleidung und sind in Unterkünften ohne Türen, Matratzen oder Trinkwasser untergebracht.“ Der Anteil von Kinderarbeit in Kaffee-Regionen Brasiliens liegt um 37 Prozent höher als in anderen Regionen. In Kenia, so der Byline-Times-Artikel, liege der Monatslohn (!) auf Kaffee-Plantagen bei 12 US-Dollar.

Das Geschäft mit dem Kaffee ist dabei eine riesige Profitmaschine. Über zwei Milliarden Tassen Kaffee täglich werden konsumiert und die Lieferkette ist weit verzweigt und führt stets in Länder, in denen niedrigste Löhne, wenn nicht gar Sklaverei weit verbreitet sind, oft auch mit rechten arbeiterfeindlichen Regimen wie dem heutigen in Brasilien. Aus diesen Bedingungen erwachsen immense Profitmargen.

Kinderarbeit, diesmal mit Kakao

Die führende Geige bei Jacobs Douwe Egberts spielt heute nicht mehr die Familie Jacobs, die gleichwohl weiterhin über ein Milliardenvermögen gebietet. Abgelöst wurde sie von den Reimanns. Die Jacobs dagegen erbten eine Gestaltungsmacht, die den Kinderarbeitern auf den Kaffeeplantagen ihrer Lieferanten wohl versagt bleiben wird.

Die Männer der Familie kümmern sich um die hauseigene Familien-Holding. Erst Andreas, dann Nicolas und Philippe Jacobs investieren und mehren das aus Kolonialwaren entstandene Vermögen mit – Kolonialwaren. Die Holding hält 50,11 Prozent am weltgrössten Kakao- und Schokoladeproduzenten Barry Callebaut. Kakao und Schokolade stehen dem Kaffee in Sachen Arbeitsbedingungen und Naturschutz dabei kaum um etwas nach. Wer in so einen Clan geboren wird, muss sich um nichts sorgen: „Wir sind sehr früh mit den Geschäften unseres Vaters in Kontakt gekommen. An unserem Familientisch gab es regelmässig Abendessen mit Geschäftspartnern und Managern unserer Unternehmen. Wir haben zu Hause auch Schoggi degustiert“, erinnert sich Nicolas Jacobs. Und Philippe fügt hinzu: „Wir haben uns beide schon früh fürs Geschäft interessiert und es entsprechend unserer Herkunft immer als Chance wahrgenommen. Als Chance, die es zu nutzen gilt.“

Wer dagegen weniger Chancen hat und seltener Schoggi degustiert, sind die Arbeiter:innen in den Lieferketten des Kaffee- und Schokoladebusiness. Auch Barry Callebaut ist für Kinderarbeit in den supply chains bekannt. Trotz ständiger Beteuerungen, man wolle irgendetwas gegen die Kinderarbeit in den eigenen Lieferketten tun, bleibt diese beharrlich Bestandteil der Mehrwertproduktion. Barry Callebaut unterzeichnete zwar schon 2001 eine Selbstverpflichtung zum Abbau der Kinderarbeit bis 2008, aber sie blieb bis heute und mittlerweile schwört der Konzern, man werde sie „bis 2025“ abschaffen.

Der Freude der Erben an den Chancen des Investmentvermögens wird das keinen Abbruch tun. Tradition verpflichtet eben.

Peter Schaber / lcm