Als die grosse Hightech-Blase platzte, als reihenweise dubiose IT-Startups pleitegingen, setzte eine Phase der Ernüchterung ein, in der das Internet als blosse Marotte, als Netz für virtuelle Verkaufsläden belächelt wurde. Und dennoch kann nicht geleugnet werden, dass die Internetbranche den Kapitalismus grundlegend umkrempelte. Es etablierte sich zwar kein neuer ökonomischer IT-Leitsektor, in dem massenhafte Verwertung von Lohnarbeit stattfinden würde, doch inzwischen sind die ehemaligen IT-Klitschen, die das Massaker der Jahre 2000-2001 an den Aktienmärkten überstanden, tatsächlich mehr wert als Industriekonzerne.
In einer ähnlichen Phase befindet sich der Spätkapitalismus derzeit hinsichtlich des ökonomischen Potenzials der Künstlichen Intelligenz. Der grosse Hype scheint bereits am Abklingen, die ersten enttäuschenden Börsenergebnisse werden – jenseits von Nvidia – registriert,2 und in der Öffentlichkeit machen sich KI-Müdigkeit und Enttäuschung breit, da die grossen Visionen der KI-Gurus und Transhumanisten3 aufgrund der klaren Defizite der bisherigen künstlichen Lernsysteme noch ihrer Realisierung harren.
Zudem scheint gerade der Internetboom zur Jahrtausendwende, ähnlich den industriellen Rationalisierungswellen in den letzten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts, als Industrieroboter die fordistische Fliessbandfertigung transformierten, eine zentrale These der bürgerlichen Volkswirtschaftslehre zu bestätigen: Mögen neue Technologien auch massenhaft Arbeitsplätze obsolet machen, so entstehen doch durch denselben technologischen Fortschritt genügend Berufsfelder, die – allen Friktionen zum Trotz – einen Fortbestand der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft gewährleisten.
Zuletzt hat etwa die Zeitschrift Technology Review des MIT diese These von der Regenerationsfähigkeit des Arbeitsmarktes propagiert, wobei der Beitrag einen weiten Bogen über die Krisen und Technologieschübe seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts schlug, als auch innerhalb der Roosevelt-Administration inmitten der damaligen Weltwirtschaftskrise die Frage kontrovers diskutiert wurde, ob „technologischer Fortschritt, durch die zunehmende Effizienz unseres industriellen Prozesses, schneller Jobs wegnehme, als er neue erschaffen kann“.4
Die Technology Review sah angesichts der Entwicklung des US-Arbeitsmarktes in den vergangenen Dekaden, wo 2018 rund 60 Prozent der Lohnabhängigen in Berufen tätig waren, die es vor 1940 noch gar nicht gab, keine Anzeichen für ein Überflügeln der Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes durch die Automatisierungseffekte von Rationalisierungen. Das Gerede vom „Ende der Arbeit“ sei eine „Ablenkung“ von der Frage, wie man Künstliche Intelligenz zum Wachstum der Ökonomie und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze verwenden könne, so das Technoblatt. Ähnlich argumentieren deutsche Gewerkschaftsfunktionäre wie die DGB-Chefin Yasmin Fahimi, die eine durch zunehmende „Digitalisierung“ ausgelöste Krise der Arbeitsgesellschaft als „Quatsch“ bezeichnete.5
Ein Blick unter die Motorhaube der Verwertungsmaschine
Die Arbeit stellt ja tatsächlich die Grundlage der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft dar, sie bildet laut Marx – durch ihre Vergegenständlichung in dem Warenkörper während des Produktionsprozesses – die Substanz des Kapitals. Arbeit schafft Warenwerte. Und sie wird weiterhin massenhaft verausgabt. Die nackten Beschäftigungszahlen scheinen der Argumentation des MIT-Magazins und des DGB gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Arbeitsmarktlage in den USA und der BRD recht zu geben; ist doch die offiziell ermittelte Arbeitslosenquote in den Vereinigten Staaten besonders niedrig.6 In der Bundesrepublik herrscht Fachkräftemangel.7Diese gewissermassen positivistische Sicht der Dinge, bei der einfach nur geleistete Lohnarbeit addiert wird, verkennt aber die Funktion unterschiedlicher Arten von Arbeit, gerade hinsichtlich des Verwertungsprozesses des Kapitals. Die auf dem kapitalistischen Arbeitsmarkt feilgebotene Arbeit muss somit in ihrem gesamtgesellschaftlichen Kontext betrachtet werden, um sich Urteile über die Beständigkeit der Arbeitsgesellschaft erlauben zu können. Auch wenn sie aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive profitabel scheinen, tragen nicht alle Formen von Arbeit gesamtgesellschaftlich zur Verwertungsbewegung des Kapitals bei. Das Kapital ist eine Totalität, die nur in ihrer gesamtgesellschaftlichen Eigendynamik begriffen werden kann, die sich in ihrer fetischistischen Irrationalität gerade von dem bornierten, scheinrationalen Interessenskalkül der Marktsubjekte unterscheidet (Und mit dieser Betrachtungsweise haben auch viele Linke Schwierigkeiten).
Schon bei der Financial Times (FT) weiss man bei der Beurteilung der US-Arbeitsgesellschaft sehr wohl zu differenzieren.8 In einem negativen Resümee des neoliberalen Zeitalters monierte das Wirtschaftsblatt 2023 vor allem die Formierung einer Dienstleistungsgesellschaft, bei der die Beschäftigung in der Dienstleistungssparte von 45 Prozent in den 70ern auf mehr als 60 Prozent in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts anstieg. Zugleich sei der Anteil der Arbeiterschaft in Industrie und Bausektor von 55 auf weniger als 40 Prozent gesunken. Die USA seien hinsichtlich der Industrieproduktion von China überholt worden, so die FT. Wieso stellt das ein Problem dar? Die Deindustrialisierung hat ja massgeblich zum strategischen wirtschaftspolitischen Paradigmenwechsel in Washington geführt, bei dem neoliberaler Freihandel durch zunehmenden Protektionismus abgelöst wurde.
Aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist Arbeit nicht gleich Arbeit, wie US-Technikmagazine und deutsche Gewerkschaftler bei ihren Milchmädchenrechnungen implizieren. Die warenproduzierende Industrie bildet sozusagen das „Fundament“ einer kapitalistischen Arbeitsgesellschaft, worauf erst ein Dienstleistungssektor und ein Finanzüberbau aufbauen können – ganz konkret in Gestalt von Löhnen und Steuern. Der Sozialstaat, die Ausbildung und Betreuung von künftigen oder ehemaligen Lohnabhängigen, die Instandhaltung der Infrastruktur müssen überdies als volkswirtschaftliche Kosten dem Verwertungsprozess des Kapitals entzogen werden, auch wenn einzelne Unternehmen (private Kindergärten, Unis, Bauunternehmen oder Seniorenheime) hiervon durchaus auf betriebswirtschaftlicher Ebene profitieren. Es können ja nicht alle Lohnabhängigen Frisöre, Finanzmanager, Beamte oder Kellner werden, wenn keine breite Verwertung von Arbeit in der Industrie stattfindet.
Eine vom Finanzsektor dominierte Dienstleistungsgesellschaft, wie sie die deindustrialisierten, von „Rostgürteln“ überzogenen USA bis zum grossen Immobilienkrach von 2008 ausbildeten, kann sich nur mittels Verschuldung und Blasenbildung bis zum unausweichlichen Crash reproduzieren. Dies ist die von der FT thematisierte Lektion aus der Immobilienkrise, die Washington zur grossen protektionistischen Wende verleitete. Vorbild ist nun Deutschland, dass seine industrielle Basis durch enorme Exportüberschüsse und eine Beggar-thy-Neighbor-Politik in der Ära der Globalisierung aufrechterhalten konnte (Und gerade deswegen leidet Deutschlands Exportindustrie unter diesem Protektionismus zunehmend).
Ohne eine breite Beschäftigungsbasis in der Industrieproduktion gibt es keine stabile Arbeitsgesellschaft – das ist die Schlussfolgerung aus der Ära neoliberaler Finanzialisierung und Globalisierung, in der auch der marxsche Wertbegriff, der Warenwerte auf Quanta verausgabter gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit destilliert, bestätigt wird. Marx sprach hinsichtlich des gesamtgesellschaftlichen Akkumulationsprozesses des Kapitals von produktiver und unproduktiver Arbeit. Produktive Arbeit trägt direkt zur Verwertung von Kapital innerhalb der Warenproduktion bei, unproduktive Arbeit – so nützlich und gesellschaftlich notwendig sie sein kann – tut das nicht direkt. Die Krise der Arbeitsgesellschaft ist somit als eine Krise der produktiven, wertbildenden Arbeit in der industriellen Warenproduktion zu betrachten. Die Krise der Arbeitsgesellschaft ist eine Krise der im marxschen Sinne verstandenen produktiven Arbeit, die direkt zur Verwertungsbewegung des Kapitals beiträgt.
Diese Tendenz zum Abschmelzen der Industriearbeiterschaft, die von der Financial Times anhand der USA beklagt worden ist, kann in nahezu allen westlichen „Industrieländern“ empirisch belegt werden. Selbst in der exportorientierten Bundesrepublik, die immer noch über den stärksten Industriesektor Europas verfügt, ging infolge der Automatisierung in der Industrieproduktion der Anteil der im produzierenden Gewerbe Beschäftigten von knapp 50 Prozent zu Beginn der 70er auf rund 23 Prozent 2023 zurück – während zugleich deutsche Industriewaren – wie Maschinen und PKWs – die halbe Welt überschwemmten.9 Das industrielle Fundament der kapitalistischen Arbeitsgesellschaften wird somit immer brüchiger.
Mehr noch: Mit dem Einsetzen der dritten industriellen Revolution ab den späten 70ern und 80ern, die zu dem grossen Automatisierungsschub in der Industrieproduktion führte, stieg global die Gesamtverschuldung schneller als die Weltwirtschaftsleistung.10 Das spätkapitalistische Weltsystem läuft somit zunehmend auf Pump; diese Schulden schaffen Nachfrage für den Warenabsatz, sodass viele der noch bestehenden Industriearbeitsplätze schlicht von der auf Kredit generierten Nachfrage abhängig sind. Die spätkapitalistische Arbeitsgesellschaft ist gewissermassen defizitär. Doch kann diese Verschuldungsdynamik angesichts zunehmender Verwerfungen in der Finanzsphäre und der hartnäckigen Inflation nicht mehr lange aufrechterhalten werden. Wobei die Illusion einer heilen kapitalistischen Arbeitsgesellschaft, der sich deutsche Gewerkschaftler und amerikanische Technikmagazine so gerne hingeben, nur unter Ausblendung der Zustände in der Peripherie des Weltsystems aufrechterhalten werden kann – aus deren Zusammenbruchsgebieten und Failed States ökonomisch überflüssige Lohnabhängige verzweifelt in die Zentren zu fliehen versuchen.
Ein Blick unter die Motorhaube der kapitalistischen Verwertungsmaschine macht somit deutlich, dass der Optimismus, den US-Technikblätter und deutsche Gewerkschaftsfunktionäre am Vorabend des grossen KI-Rationalisierungsschubs verbreiten, deplatziert ist. Nicht nur ist die kapitalistische Arbeitsgesellschaft von einem fortschreitenden Erosionsprozess ergriffen, bei dem deren industrielle Basis immer weiter abschmilzt – auch die Methoden der Krisenverzögerung, bei denen dieses defizitäre Zombie-System immer grössere Schuldenberge produziert, gelangen aufgrund zunehmender Instabilität der Finanzsphäre und der hartnäckigen Inflation an ihre Grenzen. Der innere, prozessierende Widerspruch des Kapitals, das durch Rationalisierungen sich seiner eigenen Substanz, der Lohnarbeit entledigt, kann bei der nächsten Automatisierungswelle somit nicht mehr über diese Methoden kreditfinanzierter Krisenverzögerung abgefangen werden.
Hinzu kommt, dass mangelnde Investitionen in Sozialstaat, Ausbildung und Infrastruktur die Krisenanfälligkeit der spätkapitalistischen Gesellschaften erhöhen. Gerade hierin spiegelt sich das zunehmende gesamtgesellschaftliche Missverhältnis zwischen produktiver Arbeit (Verwertung von Kapital in Warenproduktion) und unproduktiver Arbeit (notwendige Aufwendungen für gesellschaftliche Infrastruktur und Sozialstaat). Daran ändern auch die deutschen Spezifika nichts, die gerne zur Bagatellisierung der Krise der Arbeitsgesellschaft in Anschlag genommen werden. Der allseits beklagte Fachkräftemangel und die Überalterung der Gesellschaft sind gerade darauf zurückzuführen, dass dem abschmelzenden Anteil der in der Warenproduktion geleisteten Lohnarbeit immer grössere Aufwendungen für die „toten Kosten“ der sozialen Infrastruktur (Ausbildung, Betreuung, Sozialstaat, Kinder als Karrierekiller und Kostenfaktoren, etc.) gegenüberstehen.
Bürohengst vom Aussterben bedroht
Im Gegensatz zu deutschen Gewerkschaftsfunktionären, die bei dieser Diskussion wohl auch von einer Art Jobangst geplagt werden, thematisieren US-Investmentbanken durchaus das „disruptive“ Potenzial der KI-Revolution auf dem globalen Arbeitsmarkt. Goldman Sachs schätzte in einer Mitte 2023 publizierten Studie, dass die „generative KI“ (anhand von Datenbergen für spezifische Arbeitsabläufe trainierte Bots) weltweit rund 300 Millionen Arbeitsplätze obsolet machen oder degradieren werde. Die Unternehmensberatung McKinsey kam in einer ähnlichen, Anfang 2024 veröffentlichten Prognose zu der Schlussfolgerung, dass allein in den Vereinigten Staaten bis zu 30 Prozent der derzeit geleisteten Arbeitsstunden bis 2030 überflüssig werden könnten, wobei vor allem schlechter entlohnte, einfache Büroarbeiten, Kundenservice und Dienstleistungen sowie der Verkauf gefährdet seien.11Buchhalter und Büroangestellte in der Verwaltung sind besonders gefährdet. Die erste grosse Automatisierungswelle im Zuge der 3. Industriellen Revolution der Mikroelektronik und IT-Industrie erfasste in den späten 70ern und den 80ern die Arbeiterschaft – nun sind die Angestellten an der Reihe. Büroarbeiten können schon bald massenhaft obsolet werden. Je schematischer das Vorgehen, je geringer die individuellen Spielräume im Arbeitsprozess, desto einfacher deren Automatisierung durch KI-Systeme, die nach dem Vorbild der „grossen Sprachmodelle“ anhand gigantischer Datenmengen, auf die Grosskonzerne und Ämter Zugriff haben, für diese Arbeitsabläufe „geschult“ werden können.
Der Bürohengst, die gesamte Klasse der Angestellten, die massenhaft erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufkam,12 ist vom Aussterben bedroht. Diese Schicht kleinbürgerlich gepolter Lohnabhängiger, an deren Entstehung die altmarxistischen Hoffnungen auf ein revolutionäres Subjekt zerschellten, geht selber in Auflösung über. Dem White-Collar Worker scheint somit eine relevante soziale Existenzspanne von lediglich rund 100 Jahren gegeben zu sein.
Das Sammeln und Organisieren von Informationen kann bald automatisch ablaufen, zumal die Verwaltungssysteme bereits fast vollständig digitalisiert wurden. Die kommende grosse KI-Welle baut somit auf der Vorarbeit der schon seit den frühen 80ern in den Büros ablaufenden Digitalisierung auf. Und sie wird relativ einfach umzusetzen sein, da der Investitionsaufwand relativ niedrig ist. Die Rechner und die Verwaltungsprogramme können weiterlaufen; es verschwinden nur die Menschen vor dem Computer, die sie bedienen.
Die Kosten für Bürofläche und sonstige „Lebenserhaltungssysteme“ fallen zudem weitestgehend weg. Demgegenüber stehen zwar substanzielle Investitionen in Rechenzentren, in denen geschulte KI-Systeme unter minimalem Personalaufwand die ehemaligen Bürotätigkeiten erledigen, doch sind diese Aufwendungen immer noch gering im Vergleich zu der industriellen Rationalisierungswelle ab den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Damals musste das ganze Taylor-System ersetzt werden, ganze Montagestrassen wurden mit Robotersystemen ausgerüstet, von denen jedes einzelne Millionen kosten konnte.
Gegenüber diesen in die Milliarden gehenden Rationalisierungsschüben in der Industrie, die den Anteil der Industriearbeiterschaft an den Lohnabhängigen immer weiter sinken liessen, verblassen die nun anstehenden Investitionen in die digitale Infrastruktur, mit denen die Angestellten obsolet gemacht werden. Es ist viel billiger, jetzt den Angestellten zu automatisieren, als es beim Industriearbeiter der Fall war. Insofern verweist die spätkapitalistische Tendenz zur Heimarbeit, zum Home-Office, die sich vor allem im Gefolge der Pandemie etablierte, auch auf den Beginn der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft in der frühen Neuzeit.
Im Rahmen des sogenannten Verlegersystems kroch die Lohnarbeit in die Häuser und Hütten von Pächtern, Kleinbauern und Handwerkern, die von den frühkapitalistischen „Verlegern“ Materialien und Werkzeuge für die in Heimproduktion erfolgte Warenherstellung erhielten, die sie hiernach aufkauften und auf dem Markt feilboten. Nun entlässt das Kapital seine lohnabhängigen Angestellten sukzessive in die Heimarbeit, bevor der kommende KI-Automatisierungsschub sie vollends obsolet macht. In einer klassischen dialektischen Negation der Negation spiegeln sich in somit im historischen Endstadium des Kapitals nochmal Momente seiner Aufstiegsgeschichte auf einer höheren Entwicklungsstufe.
Digitale Tagelöhner – Der Chatbot übernimmt das Callcenter
Prekär beschäftigt, oftmals vom Homeoffice aus arbeitend, miserabel entlohnt – die Automatisierung der Callcenter-Branche könnte angesichts der üblen Arbeitsbedingungen als ein fortschrittlicher Prozess erscheinen, würden die Betroffenen, die auf dem Markt nur ihre Arbeitskraft verkaufen können, hierdurch nicht in ihrer Existenz bedroht. Die Obsoleszenz des Callcenter-Beschäftigten ist dabei keine Zukunftsmusik mehr, sondern Realität. Aufwendungen für rund 700 Arbeitsplätze konnte der schwedische Zahlungsdienstleister Klarna einsparen, nachdem das Unternehmen einen von OpenAI entwickelten KI-Bot zur Bewältigung von Serviceanfragen einsetzte.13 Das KI-System habe Standardaufgaben wie Stornierungen oder Rückerstattungen ähnlich erfolgreich bewältigt wie dessen menschliche Konkurrenten, hiess es Seitens der Unternehmensführung.Die Kundenzufriedenheit sei ähnlich hoch wie bei menschlichen Gesprächspartnern geblieben, beteuerte Klarna. Die entscheidenden Vorteile des Systems liegen auf der Hand: Das System beherrscht 35 Sprachen, es wird in 23 Ländern eingesetzt, es kennt keine Arbeitszeitbegrenzung, keine Lohnforderungen oder Gewerkschaften. Die Einsparungen beim Service durch den KI-Einsatz sollen sich ersten internen Prognosen zufolge in einem höheren Gewinn von 40 Millionen Dollar materialisieren. Zwei Drittel aller Chat-Anfragen im Kundendienst habe das OpenAI-System bereits präzise bewältigt, sodass die Kunden viel Zeit sparen konnten. Man verstehe sich nun als ein „KI-gestütztes globales Zahlungsnetzwerk“, so das enthusiastische Fazit des Unternehmens im Februar 2024. Zugleich sind die Kurse von Callcenter-Betreibern wie Teleperformance und Concentrix an den Börsen massiv eingebrochen.14
Es scheinen somit – auf den ersten Blick – vor allem einfache Tätigkeiten, die eine geringe fachliche Qualifizierung benötigen, von dieser Rationalisierungswelle erfasst zu werden. Akut gefährdet sind etwa Kassierer oder Taxifahrer. Im Moment scheinen die KI-bedingten Verluste in der Service-Branche aber noch abgefangen werden zu können durch den Bedarf der KI-Industrie an ungelernten Arbeitskräften, die bei der als „Lernphase“ bezeichneten Mustererkennung der künstlichen neuronalen Netze zum Einsatz kommen (siehe hierzu „KI und Kulturindustrie“).15
Hunderttausende prekär Beschäftigter sind vor allem in der Peripherie des kapitalistischen Weltsystems damit befasst, bei elendiger Entlohnung die gigantischen Datensets der KI-Systeme mit Markierungen, mit „Labels“ zu versehen (ähnlich den Captchas beim Einloggen), um deren Mustererkennung überhaupt erst zu ermöglichen. Das neuronale Netz „lernt“ erst, was ein Fahrrad ist, wenn unzählige Bilder von Fahrrädern mit dem Label Fahrrad versehen werden – je mehr, desto besser. Dasselbe gilt für Wörter, Videos, Musik, etc. Das heisst übrigens noch lange nicht, dass die KI versteht, was ein Fahrrad ist, es ist eine rein äusserliche Beziehung, die hierbei hergestellt wird.
Was eigentlich bei dieser von digitalen Tagelöhnern bewältigten Mustererkennung abläuft, ist ein Prozess der Internalisierung aller digitalisierungsfähigen Abbilder der äusseren Realität in die neuronalen Netze der KI-Systeme. Es ist ein gigantisches Scannen der blossen Oberfläche der Realität, ohne deren prozessualen Charakter, ohne deren Geworden-Sein und deren Widersprüche berücksichtigen zu können. Die äussere soziale Hülle, die falsche Erscheinungsform des Spätkapitalismus wird hierbei zum inneren Wesen der KI-Systeme, die selbst bei stürmischer technologischer Weiterentwicklung – etwa durch Quantencomputer – prinzipiell der kritischen Reflexion unfähig sein werden.
Der springende Punkt dabei ist, dass die Digitalisierung der Oberfläche des Lebens, des Universums und des ganzen Rests irgendwann abgeschlossen sein wird, soweit dies in algorithmischen Systemen, die keine Kausalitäten kennen und nur mit Korrelationen arbeiten, möglich ist. Folglich wird der Bedarf an dieser stupiden „Lernarbeit“ einbrechen, bei der Clickworker Labels für Kausalitäten und Abbilder der Realität verteilen, während die KI viele komplexe Aufgaben wird bewältigen können. Gerade weil sie zur kritischen Reflexion in der aufziehenden Ära brutaler Krisenverwaltung prinzipiell unfähig ist (Siehe „KI und Krisenverwaltung“).16
Die Automatisierung der Mittelklasse
Massenmediale Meinungsmache wird bereits partiell automatisiert. Die BILD-Zeitung, das einflussreichste Revolverblatt der Bundesrepublik, will ihrem internetbedingten Auflagen- und Reichweitenverlust mit einer Mitte 2023 angekündigten Umstrukturierung begegnen, bei der das alte Geschäftsmodell mittels KI-Einsatz auf die Höhe der Zeit gehievt wird.17 Ein Drittel der 18 Lokalredaktionen des Boulevardblattes wird geschlossen und eine „dreistellige Anzahl“ von Mitarbeitern entlassen, während grosse Sprachmodelle viele Alltagsaufgaben übernehmen sollen. Man trenne sich von „Produkten, Projekten und Prozessen, die wirtschaftlich nie wieder erfolgreich“ sein würden, hiess es seitens des Springer-Verlags. Die generative KI solle „zur Unterstützung des gesamten journalistischen Prozesses“ beitragen, sodass – so wörtlich – „Journalismus-Kreation“ zum Kernaufgabenbereich werde, während journalistische Produktion zum Nebenprodukt werde.Gerade bei der lästigen Recherche, die dem gestandenen BILD-Redakteur bei seinen journalistischen „Kreationen“ so oft im Weg steht, sollen künftig die grossen Sprachmodelle zum Einsatz kommen. Hinzu kommen Layout-Gestaltung, Social-Media-Aufgaben und Suchmaschinenoptimierungen (SEO). Dass die KI-Modelle auch viele „kreative“ Alltagsaufgaben im Medienbetrieb bereits bewältigen können, zeigte ein Skandal um die renommierte Sportzeitschrift Sports Illustrated, die heimlich durch generative Künstliche Intelligenz erzeugte Texte verwendete, denen auch noch frei erfundene Autoren zugeordnet wurden – die Portraits der fiktionalen Sportjournalisten wurden ebenfalls von der KI erzeugt.18 Die Technikseite Cnet hat ebenfalls heimlich KI-generierte Inhalte publiziert.
Tatsächlich zählt das Berufsbild des Journalisten zu einer ganzen Reihe von gut entlohnten Mittelschichts-Tätigkeiten, die laut einer Studie des KI-Unternehmens OpenAI von partieller Automatisierung und Entwertung bedroht sind.19 Neben dem Journalisten drohen auch Schriftsteller, Mathematiker, Dolmetscher oder Programmierer obsolet zu werden. Ein guter Teil der Mittelklassenjobs wird somit zumindest entwertet werden. Ähnliches gilt für Juristen, Grafikdesigner, Finanzberater, Analysten, Börsenhändler,20 und die Medienbranche von Film bis Videospiel.21 Überall, wo grosse Datenmengen und Informationen verarbeitet werden müssen, um zu eindeutigen Schlussfolgerungen zu gelangen – etwa im Justizwesen und der Rechtsberatung – sind grosse Sprachmodelle bereits einsatzfähig. Das Auswendiglernen wird obsolet. Finanzberater und Marktanalysten operieren mit Wahrscheinlichkeiten, die sich aus der Verarbeitung empirischer Marktdaten ergeben, was inzwischen ebenfalls von KI-Systemen effizient geleistet werden kann.
Als zweites Standbein der Automatisierung der Mittelklassenjobs fungiert die Modifizierung des Datenmaterials, das die grossen Sprachmodelle gescannt haben, etwa die Erzeugung neuer Bilder, Grafiken, Videos, Texte, Bücher, etc. Viele Aufgabenbereiche der Werbebranche dürften wegfallen. Hier fällt die simple, auf der Oberfläche verbleibende Modifikation bestehenden Materials durch KI mit den ideologischen Tendenzen und dem Geschäftsmodell der spätkapitalistischen Kulturindustrie in eins, die gerade von der immer wieder neu ästhetisch verpackten Wiederkehr des Immergleichen lebt, was diese Art der automatischen Erzeugung von „Content“ besonders verführerisch macht (siehe „KI und Kulturindustrie“).22 Filme, Unterhaltungsbücher und Videospiele sind prädestiniert dafür, weitgehend automatisiert zu werden. Ein grosser Teil der Jobs in der Kulturindustrie ist bedroht – gerade, weil sie ideologisch genormte Inhalte produziert, in denen sich nur die Oberfläche der gesellschaftlichen Realität spiegelt.23
Zudem scheinen mittelfristig auch die gut vergüteten Jobs in Werbung und Verkauf wegzufallen, die direkte Arbeit am Kunden verlangen (Es sind somit nicht nur Callcenter betroffen). Die Versicherungsbranche etwa wendet Milliarden auf, um die Verwaltungen sowie die umfangreichen Rechtsabteilungen zu automatisieren und Chatbots zur Einsatzreife zu bringen, dank derer der Versicherungsverkauf und die Kundenbetreuung rationalisiert werden sollen.24 Inzwischen werden sogar in einem Testbetrieb Fotos von Schadensfällen per KI ausgewertet. Die Chatbots, die als künstliche Versicherungsvertreter auf die Kunden losgelassen werden sollen, befänden sich aber noch in der „Testphase“, so Spiegel-Online, da sie erst den Jargon der Branche lernen müssen.
Bei den Marktschreiern des 21. Jahrhunderts, den auf YouTube, Instagram, TikTok & Co. grassierenden Influencern, die irgendwelchen Scheiss ihrem Publikum anzudrehen versuchen, ohne dies als schlichte Werbung auszuweisen, ist die Automatisierung schon in Ansätzen gegeben. Inzwischen sind „hyperrealistische“ (Ars Technica) virtuelle Modelle dabei, in den rund 21 Milliarden Dollar umfassenden Markt für „Inhalte“ in den sozialen Netzwerken einzubrechen.25
Die Internetpräsenz Ars Technica berichtete im Dezember 2023 über ein erfolgreiches KI-Modell, das eine Gefolgschaft von 200 000 Internetusern akkumulieren konnte, um Produktplatzierungen für rund 1000 Dollar pro Beitrag verkaufen zu können. Solche Bots haben nicht nur den Vorteil, vollständig kontrollierbar zu sein, was bei den Eskapaden26 von berühmten Influencern einen gewichtigen Vorteil darstellen dürfte. Die in den sozialen Netzwerken grassierenden Mietmäuler haben überdies ihrer Obsoleszenz selbst Vorschub geleistet, indem die Standardisierung ihrer Auftritte und ihres Auftretens, die durch die Vorgaben der Suchmaschinenoptimierung (SEO) durchgesetzt wird, möglichst hoher Zugriffszahlen wegen befolgt werden muss. Der Influencer ist bereits ein steriles, weitgehend durch Algorithmen geformtes Werbeprodukt, das jetzt reif für die Automatisierung ist.
Den Berichten über die Möglichkeiten der Automatisierung der Mittelklasse sind zumeist Beruhigungspillen beigemengt: Die Automatisierung könne die betroffenen Berufe – Anwalt, Journalist, Programmierer, Designer, Kreative, etc. – nie vollständig ersetzen. Die betroffenen Berufsgruppen könnten sich eher auf kreative Tätigkeiten, auf Entscheidungsfindung konzentrieren, während die KI den Alltagstrott, die schematischen Aufgaben bewältigen werde. Selbstverständlich sind diese Einwände ernst zu nehmen, und sie dürften auch die nahe Zukunft korrekt prognostizieren, in der es weiterhin Journalisten, Anwälte, Buchautoren, etc. geben wird. Doch wird die dadurch erreichte höhere Produktivität zu einer Verdrängung von Arbeitskräften aus den betroffenen Berufsgruppen führen.
Die marktvermittelte kapitalistische Produktion durch isolierte Konkurrenzsubjekte wird zu einem stärkeren Verdrängungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt führen, sodass auch hier nur noch eine geringere Anzahl von Arbeitskraftanbietern mit einer höheren Produktivität überleben wird. Die Marktkonkurrenz wird somit dafür sorgen, dass nur die produktivsten Lohnabhängigen, Freiberufler oder Selbstständigen mit dem günstigsten Preis-Leistungs-Verhältnis bestehen bleiben.
Die KI-Geister, die sie riefen: der langsame Tod des Programmierers
Die KI-Revolution führt somit auch zu einer Entwertung der Fähigkeiten der Ware Arbeitskraft, die plötzlich auf dem Arbeitsmarkt nur zu einem Bruchteil ihres früheren Werts feilgeboten werden kann – eine beständige Tendenz des Kapitals als prozessierender Widerspruch, die schon im 19. Jahrhundert zum Ausbruch der verzweifelten schlesischen Weber-Aufstände führte. Das US-Magazin New Yorker liess jüngst einen Programmierer zu Wort kommen, der aus eigener Erfahrung schilderte, wie dieser technologisch bedingte Entwertungsprozess in seiner Branche vonstattengeht.27 Zu Beginn des 21. Jahrhunderts, als das Internet seinen grossen Durchbruch erlebte, konnten noch Webdesigner gutes Geld mit der Erstellung von Homepages verdienen – doch seien diese Tätigkeiten nun weitestgehend von entsprechender Software entwertet worden, die nahezu jeder bedienen könne.Ähnlich gestalte sich die Lage mit den neuen KI-Programmierbots, die inzwischen in der Branche üblich seien. Ein oberflächlicher, schnell erworbener Kenntnisstand reiche nun aus, um komplexe Probleme schnell und effizient zu lösen. Der Autor des Essays, der ein Programmierer während des IT-Booms wurde, als er sein Gehalt quasi nach Gutdünken festlegen konnte, beschrieb die Erfolge eines Bekannten, der einen KI-Bot zur Programmierung nutzte. Der Amateur mit einer flüchtigen Kenntnis von Programmsprachen konnte damit auch komplexe Probleme seiner Hobbyprojekte schneller lösen als der hochbezahlte Softwareentwickler. Das KI-Tool GPT-4 sei nicht nur gut darin, „knifflige“ kleine Probleme zu lösen, es habe auch die „Qualitäten eines erfahrenen Softwareentwicklers“, da es gute Lösungsvorschläge und Entwicklungswege für Projekte aus einer „grossen Quelle von Wissen“ vorschlagen könne.
Bislang galt in der Branche das Motto, dass Qualifikationen, dass lebenslanges Lernen der beste Schutz vor der Obsoleszenz sei, doch inzwischen würde er seinen Kindern abraten, Softwareentwickler werden zu wollen. Die unendlich komplexe Kunst, die Maschinen in abstrakten Programmiersprachen zu programmieren, weicht dem Fachdialog zwischen Benutzer und KI-Programmiertool, den die übergrosse Zahl von Computerusern lernen kann.
Tatsächlich bildet die Softwareentwicklung einen wichtigen Schwerpunkt innerhalb der Automatisierungsbemühungen der KI-Revolution, stellt doch die sich selbst programmierende Maschine gewissermassen den Heiligen Gral des Transhumanismus dar. Diese im Silicon Valley ausgebrütete Hightech-Ideologie sieht im Menschen ein blosses Übergangsphänomen, das von einer permanent sich selbst vervollkommnenden Künstlichen Intelligenz – der sogenannten Singularität – beerbt werden soll.28 Diese Dystopie könnte nur gelingen, wenn der Prozess der Programmierung von KI-Bots in Eigenregie bewerkstelligt werden kann, wenn die KI sich selbst schreiben kann.
KI und die äussere Schranke des Kapitals
Den Hightech-Taliban und KI-Gurus, die Milliardenprofite mit der Obsoleszenz des Menschen scheffeln wollen, stellt sich aber eine weitere, äussere Schranke in den Weg: die Endlichkeit der Ressourcen des in einer manifesten Klimakrise befindlichen Planeten Erde. Die KI-Branche verbraucht jetzt schon gigantische Mengen an Energie und Wasser.Laut Studien von 2022 war die Informations- und Kommunikationstechnik für 2,1 bis 3,9 Prozent der globalen Emissionen von Treibhausgasen verantwortlich, was in etwa dem Ausstoss des Flugverkehrs entspricht.29 Hinzu kommt nun der Strombedarf der KI-Systeme, der bis 2027 auf bis zu 134 Terawattstunden explodieren soll – was in etwa dem Verbrauch der Niederlande entspricht. Die Internationale Energieagentur IEA publizierte Anfang 2024 ihre Schätzungen bezüglich des Energieverbrauchs der Krypto- und KI-Branche, die schon 2022 gemeinsam für rund zwei Prozent des globalen Energiekonsums verantwortlich waren, wobei dieser Anteil sich bis 2026 verdoppeln soll.30
Hinzu kommt ein hoher Wasserverbrauch der heiss laufenden Rechenzentren, die mit Wasserkühlungen arbeiten müssen. Der jährliche Wasserverbrauch der neuronalen Netze soll bis 2027 auf 6,6 Milliarden Kubikmeter explodieren, womit die Wasserentnahme Dänemarks erreicht würde. Bei einem „Gespräch“ mit GPT-3, bei dem 10 bis 50 Fragen beantwortet werden, wird circa ein halber Liter Wasser verdampft. Zur Erinnerung: Weltweit haben zwei Milliarden Menschen keinen regelmässigen Zugang zu sauberem Trinkwasser, 771 Millionen Erdenbürger können nicht mal ihre Grundversorgung zuverlässig abdecken.31
Um Microsofts GPT-3 mit seinen 175 Milliarden künstlicher Neuronen32 für eine neue Aufgabe anhand gigantischer Datenmengen zu trainieren, sollen bis zu 700 000 Liter Wasser bei der Kühlung verdampfen. Der Stromverbrauch für eine einzige solcher „Trainingseinheiten“ entspricht dem Jahresverbrauch von 130 US-Haushalten.33 Die Lernphase der grossen Sprachmodelle gilt als besonders energieintensiv, doch auch der Alltagsbetrieb, etwa bei Anfragen, ist durch einen hohen Rechen- und Energieaufwand gekennzeichnet. Eine einfache Anfrage, die von einem grossen Sprachmodell beantwortet wird, verschlingt rund 30-mal so viel Energie wie das übliche Googeln.
Nur weil es schlichter Wahnsinn ist, in einer manifesten Klimakrise gigantische Mengen an Energie für künstliche neuronale Netze zu verpulvern, heisst das noch lange nicht, dass diesem Vorhaben irgendwie Einhalt geboten wird. Zum einen ist die fetischistische Kapitaldynamik gegenüber den ökologischen und sozialen Folgen ihres Verwertungszwangs blind.
Die Welt ist ein blosses Durchgangsstadium, um aus Geld mehr Geld zu machen. Für den Transhumanismus und ähnliche Ideologien handelt es sich überdies faktisch um ein Wettrennen zwischen dem ökologischen Zerfall der Lebensgrundlagen der Menschheit und der Ausformung der die Menschheit beerbenden „Singularität“, die auf solche Petitessen wie eine intakte Umwelt nicht mehr angewiesen wäre. Man hofft, die Singularität vor dem sozialen und ökologischen Kollaps zu erreichen. „Can what is playing you make it to level 2?“, wie es der Akzelerationist Nick Land formulierte.34 Somit entpuppt sich die kapitalistische Rationalität gerade im KI-Kult als ein finsterer Götzendienst, bei dem Mensch und Natur auf dem Altar des als automatisches Subjekt blind prozessierenden Kapitals geschlachtet werden, das in der Singularität zu sich selbst käme.