Bargeld ade? Die endgültige Umstellung auf Buchgeld

Wirtschaft

Seit geraumer Zeit befassen sich mediale Experten und politische Akteure mit der Idee, das Bargeld aus dem Verkehr zu ziehen, und die Bürger auf digitale Zahlung zu verpflichten.

Bargeldlos tanken in Avesta, Schweden.
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Bargeldlos tanken in Avesta, Schweden. Foto: Calle Eklund, V-wolf (CC BY 3.0 unported - cropped)

9. Februar 2016
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Die dänische Regierung hat sich zum Vorreiter dieser Bewegung gemacht und möchte das erste Land sein, das das Bargeld auf seinem Territorium eliminiert. Dänemark kann sich das leisten, weil es kein Mitglied der Eurozone ist und deshalb Hoheit über das in seinem Lande im Umlauf befindliche Geld behalten hat. Der erste Akt dieser Hoheit ist paradoxerweise das Einstellen der staatlichen Druckerpresse: Dänemark druckt keine Kronen-Scheine und prägt keine Münzen mehr.

Der zweite Schritt geht ebenfalls recht einfach, wenn man ein Staat ist und ein Gewaltmonopol hat: Man verbietet einfach die Barzahlung. Als erstes wurde in Restaurants, Geschäften für Gwand und an Tankstellen die Barzahlung verboten. Es ist anzunehmen, dass nach einiger Zeit weitere Transaktionen in Bargeld ebenfalls verboten werden. Ob es gelingt, es völlig zu verdrängen, ist noch nicht heraussen, ebensowenig, ob das in anderen Staaten durchführbar ist. Alle Bargeld-Eliminierer schauen inzwischen auf Dänemark, um aus dessen Erfahrungen zu lernen.

Wer sind die Betreiber und wer wären die Gewinner dieser Umgestaltung?

1. die Staaten selbst, einmal in Form ihrer Notenbanken. Mit der Eliminierung von Bargeld würde ein ziemlicher Aufwand und damit auch Kosten wegfallen, die der Bargeldumlauf in der Staatskasse verursacht. Das Drucken von Geld, das möglichst fälschungssicher sein soll, kostet die jeweiligen Notenbanken einiges an Personal, Gerät und Material. (Sie machten allerdings auch lange, vor allem nach 1990, sehr lukrative Geschäfte mit Staaten, die sich ihre Geld von echten Profis drucken liessen.)

Aber auch der Sicherheitsapparat und die Justiz könnten personell verschlankt werden, da einiges an Kriminalität nicht mehr möglich oder lukrativ wäre, vom Geldfälscher über den Einbrecher bis zum Taschendieb. Schliesslich auch in Bezug auf ihre Steuerhoheit. Steuerhinterziehung wäre praktisch unmöglich, weil alle Transaktionen im System erfasst werden.

2. die Banken. Sie wären endgültig die einzigen Geldbesitzer, weil über ihre Server der gesamte Zahlungsverkehr des Landes abläuft. Ihr Monopol und ihre Systemrelevanz wären damit endgültig erwiesen, und auch Bankenrettungen liessen sich in Zukunft technisch, möglicherweise sogar juristisch noch leichter abwickeln.

Man sieht hier aber auch die Schwachstelle dieser Brave New World, von der Staat und Finanzkapital träumen – es funktioniert nur wirklich, wenn ALLE Staaten bargeldlos unterwegs sind. Sobald einer oder mehrere das bargeldlose System nicht übernehmen, werden sie zu einem Hort für Fluchtgeld. Die bargeldlosen Staaten müssten dann die Überweisungen in Bargeldstaaten verbieten und damit den Warenverkehr mit ihnen unterbinden.

Wer wären die Verlierer oder zumindest negativ Betroffenen des bargeldlosen Verkehrs?

1. alte oder behinderte Leute, die sich auf dieses System nicht mehr umstellen können. Sie würden dann teilentmümdigt und ihnen ein Finanzkurator zur Seite gestellt, der das alles für sie erledigt, wodurch jeder Art von Missbrauch Tür und Tor geöffnet würden.

2. verschiedene Kriminelle, wie Geldfälscher, Diebe, Drogenhändler, denen ihr Geschäftsmittel abhanden kommt. Die ganze „Schattenwirtschaft“. Auf diesen Effekt ist natürlich die Staatsgewalt besonders scharf. Dafür schlägt die Stunde der Hacker, die irgendwelche Konten und Server knacken und sich dann ihre Beute irgendwo in einem Bargeldstaat herunterladen, um sie reinzuwaschen und bei Bedarf woanders wieder ins bargeldlose System einzuspeisen.

3. Sparer, Besitzer von Geldvermögen, die dem Bankensystem nicht trauen und ihr Geld lieber in der Matratze lagern oder im Garten vergraben. Dieser Effekt, den Abzug aus Banken zu verhindern, ist vor allem angesichts der Ereignisse der letzten Jahre in Griechenland und Zypern ein gewichtiger Pluspunkt für die Politiker, die Banken retten und Einlagen einkassieren wollen. Wenn nämlich eigentlich die Banken die einzigen autorisierten Geldeigentümer sind, so können die nominellen Eigentümer jederzeit mit einem Knopfdruck enteignet werden.

Die gesamte Eigentumsordnung würde somit von ihrem lästigen Beiwerk, dem Kleinvieh befreit und die Verwandlung von Geld in Kapital wäre gesamtgesellschaftlich abgeschlossen: nur mehr das ist Eigentum, was als Kapital verwertet wird, alles andere ist reines Lehen im Stirnerschen Sinne, eine Art Almosen, das per Gesetz oder Dekret jederzeit wieder zurückgezogen oder unterbunden werden kann.

Die Eliminierung des Bargeldes hätte auch sonst weitreichende Folgen. Das Geld als Mass der Werte, das allen Waren und Dienstleistungen als Preiszettel aufgedrückt ist, wäre endgültig aller materiellen Existenz beraubt und würde zu einem rein ideellen Zwang, dem sich keiner entziehen, dessen sich aber auch niemand mehr ohne weiteres bemachtigen kann. Das heisst, kein Privater, kein Normalverbraucher, auch kein Unternehmer, sondern nur diejenigen, die als Politiker über Macht oder als Bankiers über eine Konzession verfügen.

Auf das oben beschriebene Problem der Universalität oder räumlichen Begrenztheit des bargeldlosen Verkehrs bezogen würde die Eliminierung des Bargelds eine neue Dimension in der imperialistischen Konkurrenz einleiten. Wenn die bargeldlosen Staaten die „Guten“ sind, so sind die Bargeldstaaten die Schurkenstaaten, die mit allen Mitteln bekämpft gehören. Der IWF oder Einzelstaaten könnten Kredite davon abhängig machen, dass der Schuldnerstaat den bargeldlosen Zahlungsverkehr bei sich einführt.

Schliesslich entsteht eine Art neue Klasse oder Kaste von Sicherheitsbeamten, die versuchen, das bargeldlose System ihres Staates sicherzustellen und die Bargeldsysteme der Verweigererstaaten zu beschädigen, um sie auf diese Art und Weise in das bargeldlose System zu zwingen. Professionelle Cyberwarriors.

Marx nannte das Geld einmal das „reale Gemeinwesen“, weil über das Geld die verschiedensten Akteure der Gesellschaft miteinander und auch mit den Mittellosen, der Manövriermasse von Staat und Kapital zusammenhängen. Bargeldlos würde dieser Zwangszusammenhang noch viel drückender, eben gerade dadurch, dass er gar nicht mehr greifbar, sondern nur noch virtuell wäre.

Amelie Lanier