Noch ein Beweis, dass es ohne Weltpolizei nicht geht Die Intervention in den Sudan

Politik

Bei den Diskussionen, die in westlichen Ländern zum Thema "Sudan" geführt werden, wird nicht verhandelt, ob es die Aufgabe dieser Länder sei, für Ordnung im Sudan zu sorgen.

Zusammenarbeit zwischen der sudanesischen und der US-Armee.
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Zusammenarbeit zwischen der sudanesischen und der US-Armee. Foto: Bunks (CC BY 3.0 unported) (CC BY 3.0 unported)Bertramz (CC BY-SA 3.0 unported)Demosh (PD)

23. Februar 2006
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Das ist eine ganz selbstverständliche Prämisse, von der alle Diskussionsteilnehmer ausgehen. Dagegen wird ganz kontrovers diskutiert, wer mit wie vielen Truppen dabei sein darf bzw. muss, wofür UNO oder Afrikanische Union, NATO oder EU zuständig seien und wie weit der Druck auf die gegenwärtige sudanesische Regierung gehen kann.

Nicht zu vergessen den Streit um die richtige Diagnose: Was zählt als "Genozid", was als "humanitäre Katastrophe". (1) Von Protestwellen, wie beim Irak-Krieg 2003 weit und breit keine Spur. Wieso auch?

Hier wird kein Land ohne UNO-Erlaubnis von einem anderen überfallen, sondern in den längsten Bürgerkrieg Afrikas interveniert und das mit Zustimmung der Kriegsparteien, dem Beschluss der UNO und zum humanitären Zweck: Wo Krieg und Chaos sind, soll Frieden und Ordnung herrschen.

Um, so heisst es, die Neuauflage von Ruanda und Srebrenica zu verhindern, schauten die Weltmächte nicht länger zu, sondern griffen militärisch ein und diplomatisch an. Im Süden des Landes, so berichten die Medien, kämpfen schon seit der Unabhängigkeit des Sudans im Jahre 1956 moslemische Araber, deren Vertreter bis heute jede sudanesische Regierung dominieren, und christliche bzw. animistische Afrikaner (die sich wiederum in allerlei "Stämme" und "Völker" teilen) gegeneinander.

Auch im Westen des Landes brodelt es: In der durchgehend moslemisch bevölkerten Region Darfur brachen 2003 nicht wegen des Süd-Konflikts – wenn auch nicht ohne Zusammenhang damit – Kämpfe zwischen Nomaden und Bauern aus, wobei wiederum die ersten mehrheitlich "arabisch", die zweiten überwiegend "afrikanisch" sein sollen. (2)

Neben den regulären Truppen kommen die mehr oder weniger regierungstreuen Reitermilizen und die Kämpfer der islamistischen Popular Defence Forces (PDF) gegen die Rebellen zum Einsatz. Unter den Rebellen gibt es wiederum Fraktionen, die gelegentlich gewaltsam gegeneinander vorgehen. Ein Konflikt, der denen in vielen anderen afrikanischen Staaten stark ähnelt und der doch viel mehr Aufmerksamkeit geniesst.

Das sind schon zwei Gründe sich mit diesem Krieg näher zu befassen: Als ein Beispiel für eine Staatskrise in einem Staat der "Dritten Welt" und als ein Fall von verschärftem Interventionsbedarf für die führenden Staaten der "Ersten".

Auch weil wir uns nun mal in einem Land befinden, welches sich massiv in den Sudan-Konflikt einmischt, was niemanden zu wundern scheint, lohnt es sich mit den Absichten der Interventionsmächte, sowie der linken Interventionsgegner und -befürworter näher zu beschäftigen.

1. Afrikanische Staaten: nützlich, aber nicht für ihre Bewohner

Manch eine Ausführung zu dem Krieg im Sudan beginnt mit dem Hinweis, das die britische Kolonialmacht den islamischen Norden und den christlich-animistischen Süden Sudans erst scharf von einander trennte und dann gemeinsam in die Unabhängigkeit entliess. (3)

Daher sei Krieg so gut wie unvermeidbar gewesen, da die politischen Grenzen den "kulturell-religiös-ethnischen" nicht entsprochen hätten. (4) Jedoch sind weder "Rasse", noch Religion, noch Sprache die Ursachen der Kämpfe im Süden, im Darfur und entlang der Rotmeerküste. Es sind nur Merkmale, an denen sich diese Gesellschaft spaltet.

Der Grund dafür liegt im Verhältnis von Staat, Bevölkerung und Ökonomie im Sudan wie auch den meisten anderen afrikanischen Staaten – dieses ist ein grundlegend anderes als in den entwickelten kapitalistischen Nationen.

Glaubt man den westlichen Medien, so liegen die Probleme Afrikas in der mangelnden Herrschaft des Rechts, wuchernder Korruption und aufgeblähter Bürokratie. Würden die afrikanischen Staaten die westliche Demokratie kopieren, so die Annahme, könnten die afrikanischen Märkte auch funktionieren und sich schliesslich Wohlstand unter der Bevölkerung verbreiten. Recht haben sie insoweit, dass es nicht ohne Zufall ist, dass die führenden kapitalistischen Nationen auch rechtsstaatliche Demokratien sind.

Allerdings ist der Umkehrschluss unzulässig, dass Demokratie wirtschaftlichen Erfolg nach sich ziehen muss. Den zwingenden Zusammenhang gibt es nicht: Demokratie ist eher sogar noch Folge als Voraussetzung, auf keinen Fall aber der Grund auf dem kapitalistische Ökonomien wachsen.

In Europa, den USA etc. ist Voraussetzung der nationalen Reichtumsproduktion, dass der Staat garantiert, dass jeder seine wirtschaftlichen Ziele verfolgen kann. Auch die Leute, die ihre Ziele alsbald den Möglichkeiten ihrer bescheidenen Mittel anpassen, diejenigen, die schlecht abschneiden, sind aber nicht einfach nutzlos für die Reichtumsproduktion, sondern nützen indem sie für andere – die Produktionsmittel besitzen – arbeiten.

Der Staat stellt sich also prinzipiell gleichgültig gegen die Bedürfnisse seiner Bürger, solange ihr Tun ihm im Resultat nützt. Wird jemand für diese Reichtumsproduktion nicht mehr gebraucht, dann organisiert der Staat Arbeitslosengeld, um ihn am Leben zu halten – er könnte ja noch mal nützlich werden. Im Moment nützt er immerhin insoweit, als dass seine Existenz gutes Mittel zum Lohndrücken ist.

Der Staat hat also an seinen Bürgern – auch den Armen – ein, wenn auch manchmal geringes, Interesse und die Bürger bedürfen auf Grundlage dieser ökonomischen Situation des Staats, der garantiert, dass sie ihr auskommen weiter frei anstreben können & der notfalls ziemlich miese Almosen verteilt. Anders in den besagten afrikanischen Staaten. Es gibt dort keine nationale Reichtumsproduktion, es gibt keine nationale Wirtschaft, welche dem Staat das Interesse an seinen Bürgern heranträgt.

Ihre Ausgaben bestreiten die vielen politischen Gewalten in Afrika von den paar Abgaben, welche ausländische Konzerne ihnen für die Ausfuhr der "natürlichen" Reichtümer, die sich in ihren Herrschaftsgebieten befinden, geben.

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Bild: Port Sudan. / Bunks (CC BY 3.0 unported)

Dafür werden kaum Arbeiter benötigt, entsprechend sind diese Exportgeschäfte auch keine Versorgungsgrundlage für den Grossteil der Bevölkerungen.

Diese schlagen sich vielfach vor allem durch Subsistenzwirtschaft durch und geraten damit immer wieder in Konflikt mit ihren jeweiligen Staaten oder der dort herrschenden Bürgerkriegspartei, wenn diese ihre Reichtumsquellen (etwa eine Pipeline) gegen die Reichtumsquellen der Bevölkerungen (z.B. Acker) geltend machen. Der Staat ist für die meisten Leute in Afrika keine Bedingung des ökonomischen Vorankommens, sondern ein Gegner.

Unter den subsistenzwirtschaftenden Bewohnern des Sudans ist weder ein einheitliches Nationalbewusstsein vorhanden, noch gibt es Bedarf an einer übergeordneten Gewalt.

Nicht aufgrund profunder Staatskritik oder Abwesenheit von jeglicher Herrschaft, sondern weil die Gesellschaft dort eben nicht auf kapitalistischer Konkurrenz beruht. Eine solche erfolgreich einzuführen, das realsozialistische Gegenmodell zu kopieren, bzw. einen oft beschworenen dritten Weg zu gehen, haben die afrikanischen Staaten seit dem Abzug der Kolonialmächte immer wieder versucht. Es gibt kaum Staatsmodelle, die in Afrika noch nicht ausprobiert wurden.

Das alles endete in wirtschaftlichem Ruin, Staatskrisen, Bürgerkriegen und Diktaturen, die den jeweiligen Staat mehr schlecht als recht vor dem Zerfall bewahrten. (5)

Das Ausbleiben wirtschaftlichen Erfolgs führt dazu, dass der Staat für die meisten die einzige erreichbare Reichtumsquelle in Form von Posten, Ämtern und anderen finanziellen Zuwendungen ist bzw. wäre.

Diejenigen, die vom Staat nicht als seine "soziale Basis" angesehen werden, obwohl sie in seinem Herrschaftsgebiet wohnen, sehen von dem bisschen was da anfällt so gut wie nichts, und haben ihrerseits ausreichend Motiv, die Übernahme des Staatsapparats bzw. eine Separation vorzubereiten. Die Führung versucht dagegen ständig mit Nachdruck die einigende Ideologie (ob die nun "afrikanischer Sozialismus", "Panafrikanismus", "Panarabismus" oder "islamischer Gottesstaat" heisst, schwankt je nach Land und Zeit) in der Gesellschaft durchzusetzen.

Die Untertanen werden wahlweise mit Berufung auf Glaube, Sprache oder Abstammung mobilisiert, und damit steht auch das Motto des Kampfprogrammes der zu kurz gekommenen Gruppen fest: Dieser Staat ist nicht unserer! Unterstützt werden die Konfliktparteien dabei meist durch verschiedene westliche Staaten, je nachdem wie nützlich die aktuelle Regierung dem jeweiligen europäischen oder amerikanischen Interesse ist.

Diese letztgenannten können sich erheblich unterscheiden, so dass die einen die Rebellen und die anderen die Regierung unterstützen/aushalten. So ist das wirtschaftliche Elend der Insassen der Republik Sudan schnell beschrieben: Für die Ölförderung muss ihr Boden her – auf dem Strassen, Pipelines und Bohrtürme gebaut werden können.

Für Öl, Baumwolle und Gummiarabikum gibt es im Land keine Industrie und damit Arbeitsplätze, um es zu verarbeiten. Für den Erhalt der Arbeitslosen mittels Sozialversorgung fehlt es an einem staatlichen Interesse – selbst wenn dieses vorhanden wäre, fehlten immer noch die staatlichen Mittel dafür. Die im Land produzierten Lebensmittel sind meistens für den Export bestimmt, der Grossteil der Bevölkerung könnte sie sich eh nicht leisten. Wie die meisten afrikanischen Länder, so muss auch der Sudan Schulden bedienen, und das nicht zu knapp.

Das heisst immer, dass sie sich an die Auflagen des dafür zuständigen Internationalen Währungsfonds (IWF) halten müssen. Um die Zinsen zu zahlen – die Tilgung der Schulden ist sowieso illusorisch – müssen harte konvertible Währungen (Dollar, Euro, Pfund & Yen) irgendwie erwirtschaftet werden. Solche in die Staatskasse zu bekommen ist entsprechend der oberste Zweck der nationalen Wirtschaftspolitik.

Die Einnahmen aus dem Export reichen oft nicht aus, um die für diesen Export notwendige Infrastruktur aufrechtzuerhalten, geschweige denn um die Gläubiger bezahlen zu können. Jede Abschwächung der ausländischen Nachfrage nach den Exportgütern ist eine Katastrophe für einen solchen Staat.

Das schlimmste was ein auf Export angewiesenes Land machen kann, ist es sich mit den potentiellen Importeuren zu verscherzen.

2. Der grösste Staat Afrikas – ein Schurkenstaat?

Das gegenwärtige sudanesische Regime von Omar Hassan Ahmad al-Bashir ist seit 1989 an der Macht. Damals stürzte ein Bündnis aus rechten Militärs und dem sudanesischen Flügel der Moslembrüder, National Islamic Front (NIF), die Koalitionsregierung von Sadeq al-Mahdi und nahm sich vor, die Staatskrise zu beheben, sprich wirtschaftlichen Ruin und erfolglosen Krieg gegen die christlichen und animistischen Aufständischen der Sudanese Peoples Liberation Army/Movement (SPLA/M) im Süden.

Wichtige politischen Institutionen wurden abgeschafft, Parteien und Gewerkschaften verboten. Über das ganze Land wurde der Ausnahmezustand verhängt. Wie fast immer, wurde als Grund für den Putsch die wuchernde Korruption der gestürzten Regierung angeführt. Für das richtige Funktionieren der Staatsgeschäfte, so meinten die Putschisten, sollte in der Zukunft die verstärkte islamische Frömmigkeit des Führungspersonals und der Untertanen sorgen.

Damals war die Kritik des Westens am Putsch und der Islamisierung noch zurückhaltend. Schliesslich begann die Junta die Auflagen des IWF umzusetzen und war zudem bestrebt, die Rolle der Moslembrüder in der neuen Ordnung herunterzuspielen.

Jedoch kam die Bashir-Regierung im weiteren nicht um einen Konflikt mit dem Westen herum. Das Ende des Kalten Krieges änderte nämlich die Kräfteverhältnisse grundlegend: Unter anderem brach das prosowjetische Regime in Äthiopien, das zwischendurch die SPLA/M unterstützte, zusammen. Dadurch mussten die Rebellen die von ihnen kontrollierten Städte räumen.

In dieser Situation protestierte die Führung des Sudans nicht nur 1991 gegen den ersten Anti-Saddam-Feldzug, sondern glaubte auch sich ungestraft militärische Hilfe aus dem Iran und von Libyen für den entscheidenden Schlag gegen den Süden besorgen zu können.

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Bild: Hütten in Wau - Sudan. / Bertramz (CC BY-SA 3.0 unported)

Dies war ein Irrtum. Diese Verbrüderung mit "Schurkenstaaten" durch die sudanesische Regierung sorgten für ein Neuerwachen des westlichen Interesses an den südlichen Rebellen; selbst Saudi-Arabien (6) kündigte an, die christlich dominierte SPLA/M zu unterstützen. 1993 setzten die USA den Sudan schliesslich auf die Liste der "Terror-Staaten", was ein Handelsembargo und Einstellung von jeder Unterstützung ausser humanitärer Hilfe bedeutete.

Ein Jahr später zog die EU mit einem Rüstungsembargo nach. Ungeachtet der internationalen Ächtung begann das Regime im Sudan sein rigides Programm der Islamisierung durchzusetzen, welches selbst Nicht-Muslime auf die Einhaltung der religiösen Regeln verpflichtete.

Wie immer beim religiösem Fanatismus der Neuzeit handelt es sich bei dem Kampf um den richtigen Götterglauben vor allem um ein religiös übersetztes nationales Erneuerungsprogramm.

Über diese religiöse, kulturelle Homogenisierung sollten die Untertanen zu richtigen Staatsbürgern gemacht werden. Bashir und der von nun an als staatlicher Chefideologe agierende NIF-Führer Hasan al-Turabi waren nicht die ersten Machthaber des unabhängigen Sudans, die so einen Versuch der Vereinheitlichung starteten. Bloss waren ihre Vorgänger aus aussenpolitischen Gründen beim Westen viel beliebter gewesen. (7)

Die Hoffnungen der Regierung auf mehr Stabilität ging jedoch bis heute nicht auf. Der Islamisierungskurs der Bashir-Junta hat die Lage noch erheblich verschärft: US-loyale Golfstaaten verwiesen die sudanesischen Gastarbeiter des Landes – deren nach Hause geschickte Dollars waren aber ein wichtiger Beitrag zu Staatskasse. Die Anzahl der komplett unversorgten Staatsbürger wuchs ständig: Das wenige, was es an Wohlfahrt gab, wurde von islamischen Organisationen geleistet, die ihre Hilfsleistungen gegenüber Nichtmoslems oft von der Bekehrungsbereitschaft abhängig machten.

Die Staatsideologie, die das neue Regime zur Konsolidierung der Gesellschaft propagierte, untersagt den weiblichen Staatsbürgern die Arbeit in vielen Dienstleistungsbranchen, was für Unruhen sorgt, da diese aufgrund des Bürgerkriegs öfters die Männer in der "Ernährerrolle" ablösen mussten und für die vorgeschriebene islamische Frauenkleidung fehlte den Nomaden und Subsistenzwirtschaftlern schier das Geld. Zusätzlich verloren zahlreiche Flüchtlinge aus dem Süden seit dem Verbot von Alkoholherstellung und -verkauf ihre Einkommensquelle.

Den ökonomischen Ruin seiner angeblich minder loyalen Bürger nahm der Staat im Kauf, so dass das Überleben der Bevölkerung im Süden von den Almosen der diversen internationalen Wohlfahrtorganisationen abhängig ist.

Deren Lieferungen werden regelmässig von den Kombattanten der beiden Kriegsparteien angeeignet, weswegen jede Seite die Hilfslieferungen an die Zivilisten der anderen Seite zu verhindern versucht – schliesslich werden damit doch nur die gegnerischen Truppen versorgt. So wurde statt der gewünschten Einigung der Bürger genau der entgegengesetzte Effekt erzielt: Die Untertanen bekriegen sich entlang der konfessionellen, sprachlichen usw. Unterschiede. Der Krieg gegen die Rebellen im Süden kostete die Staatskasse je eine Million Dollar pro Tag.

Die christlichen und animistischen Rebellen, die stets zwischen Separatismus und dem Programm der gesamtsudanesischen Machtergreifung schwankten, sahen sich durch den bestehenden sudanesischen Staat nicht repräsentiert, um die Gewinne aus der Ölförderung betrogen und durch Pläne über das Abpumpen der Wasserreserven in ihrer Existenz bedroht. Der sudanesische Staat mit seinem islamistischen Grundverständnis dagegen sah und sieht in den nicht-moslemischen Südsudanesen illoyale Bürger.

Der Kampf gegen die politischen Ambitionen von "schwarzafrikanischen Stämmen" ist inzwischen in den Rang eines "Heiligen Krieges" erhoben und die Versklavung von "Schwarzen" durch Bewohner des Nordens wird mit dem Argument, dass es dergleichen nicht gäbe, ignoriert – und damit geduldet. In den letzten Jahren hielt sich der "erste islamische Staat Afrikas" vor allem über Wasser, weil Frankreich, China und Russland die Sanktionen nicht beachteten.

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Bild: Waffeninstruktion im Sudan. / PD

Diese mit den USA konkurrierenden Staaten förderten im Sudan Erdöl, von dem sich recht viel, allerdings meist im rebellierenden Süden, fand.

Im Gegenzug unterstützten die USA die feindlich gesonnenen Nachbarstaaten des Sudans (Uganda, Äthiopien, Eritrea und Ägypten) dabei, die Fördergebiete im Sudan unruhig zu halten. Als unfreundliche Antwort weitete das Regime in Khartum sein Sponsoring der diversen Rebellengruppen in diesen Nachbarländern aus – und wurde zusätzlich zu einem der wichtigsten Unterstützer von Djihad-Kämpfern rund um die Welt. Im Laufe der Zeit kam Bashir nicht um einige Zugeständnisse an befreundete und verfeindete Weltmächte herum.

Erst wurde 1994 der Antiimp-Topterrorist Carlos nach Frankreich abgeschoben. Paris bedankte sich mit militärischer Ausbildung für die Polizei des isolierten Staates. Auch gegenüber dem Erzfeind mussten Versöhnungsgesten gemacht werden: 1996 wurde Turabis Schwiegersohn, ein gewisser saudischer Bauunternehmer namens Bin Laden, des Landes verwiesen.

Als 1998 die Clinton-Regierung den Sudan für die Anschläge auf die US-Einrichtungen verantwortlich machte, die Produktion von chemischen Waffen im Lande entdeckte und mit Raketen beschoss, rang sich das Regime dazu durch, wieder mehrere Parteien zuzulassen.

Um die Weltmacht Nr. 1 gnädiger zu stimmen und sich so vor neuen Angriffen zu schützen, wurde mehr Demokratie gewagt. In Folge der Zugeständnissen an die USA haben sich die Differenzen zwischen Bashir, der Notwendigkeit der Kompromisse einsah, und Turabi, der den wachsenden Druck von Aussen mit einer noch konsequenteren Durchsetzung des islamistischen Programms beantworten wollte, verschärft. Das Bündnis zwischen den Militärs und Hasan Turabis Moslembrüdern wurde von ersteren einseitig gekündigt.

Inzwischen mahnt Turabi – mittlerweile aus der Opposition – zu mehr Demokratie und Bashir erklärt seinerseits, man habe sich eines gefährlichen Extremisten entledigt.

Die Verbannung Turabis brachte gleichzeitig in den Beziehungen zu Moskau und Peking Fortschritte, da der "Panislamist" Turabi auf Solidarität mit den Terroristen im Inland der Handelspartnern pochte. Dann kam der 11.9 und die Republik Sudan, die verschärft im Visier der USA zu geraten drohte, hatte ein existentielles Interesse daran positiv aufzufallen, indem sie ankündigte, sich vollauf hinter dem "War On Terror" zu stellen. (8)

Aber der Wille zur "Besserung" des sudanesischen Staates hatte bis vor kurzem eine klare Grenze: Das Khartumer Regime machte aussenpolitische Zugeständnisse, um innenpolitisch gegen die Rebellenbewegungen, die in letzter Zeit wie Pilze aus dem Boden schossen, freie Hand zu bekommen.

Doch nach fast 20 Jahren Krieg im Süden – in dem immer noch eine militärische Pattsituation herrschte, die Förderung und der Abtransport des Erdöls, sowie das Abpumpen des Wassers aus den Sümpfen des Südens durch Kämpfe behindert wurde -, nach massiven Drohungen der USA und weil ausserdem noch Kämpfe in weiteren Teilen des Landes (Darfur, Rotmeeresküste) ausbrachen, bot das Khartumer Militärregime seinem südlichen Pendant an, keinen "Krieg für Öl" zu führen.

Im Januar 2005 wurde in Nairobi (Kenia) Frieden zwischen der Regierung und SPLA/M geschlossen. Der Rebellenführer John Garang sollte das Amt des Vize-Präsidenten erhalten, die Einnahmen aus der Erdölförderung sollten zwischen Khartum und dem Süden aufgeteilt werden.

Der christlich-animistische Süden untersteht seitdem nicht mehr dem Scharia-Recht und soll 2011 in einem Referendum zwischen dem weiteren Verblieb im sudanesischen Staat oder der Unabhängigkeit entscheiden. Bis dahin kriegt er schon eine eigene Regionalregierung. Entwaffnen müssen sich die Rebellen, die gleich mit dem Streit um die Definition des "wahren Umfangs" des Südens beginnen, auch nicht. (9)

Bis zum Referendum versucht die sudanesische Führung offensichtlich die Rebellen zu integrieren, und nimmt deswegen die Warlords von gestern vertragsgemäss in die Regierung von heute auf.

Die ökonomischen Staatsprogramme der Khartumer Regierung für den Sudan und von der SPLA/M für den geplanten "Neuen Sudan" unterscheiden sich im übrigem kaum. Beide Kriegsparteien bewerben sich um die Gunst des Westens bei der verantwortungsvollen Aufgabe der Beaufsichtigung der Erdölfelder.

Um diese herum muss nämlich ein halbwegs funktionierendes Gewaltmonopol die Sicherheit des Transports, Einhaltung der geschlossenen Verträge und ein Minimum an Infrastruktur für die westlichen Geschäftsleute bereitgehalten werden. Denn das sind nun mal die Erwartungen der führenden kapitalistischen Mächte an die Staaten, die nur "natürliche Reichtümer" besitzen.

Und eins kann man dem sudanesischen Staat nun wirklich nicht vorwerfen – dass er sich nicht um den Erhalt seines Gewaltmonopols bemüht hat. Immerhin bezahlten seit 1983 eineinhalb Millionen (10) seiner Untertanen diesen Kampf mit ihrem Leben. Allerdings bringt die Art, wie er geführt wird, das Gegenteil des vom Westen gewünschten Effekts, und damit auch ein verschärftes Interesse des Westens für den Sudan mit sich.

Nach dem Friedensschluss mit dem Süden und der Kooperation mit den kapitalistischen Hauptmächten im Kampf gegen den Terrorismus blieb dem sudanesischen Regime nur noch eines zu tun zur vollständigen Rehabilitierung: ein ordentliches Gewaltmonopol über das gesamte Land zu etablieren.

Das aber gelingt ihm nicht, weil in seinen Friedensbemühungen immer schon ein nächster Konflikt mit anderen Teilen der Bevölkerung angelegt ist.

Der sudanesische Staat kann anscheinend im Kampf um das eigene Gewaltmonopol nur mithalten, wenn er neben regulären Truppen auch loyale Teile seiner Bevölkerung ausrüstet und in den Kampf gegen die weniger loyalen schickt. Ob die Paramilitärs der, von den Islamisten gegründeten, Popular Defence Forces und SPLA/M-Überläufer im Süden oder die Reitermilizen (Djandjawid) im westlichem Darfur – der, im doppelten Sinne, Massenterror sorgt dafür, dass alle Angehörigen der Glaubensgemeinschaft und/oder "Ethnie" einer der Kriegsparteien zugeordnet wird.

So zum Beispiel im Darfur. Sobald sich 2003 ein Frieden zwischen Bashirs Regierung und der SPLA/M abzeichnete, befürchteten oppositionelle Gruppierungen in der traditionell verarmten Regionen, dass bei dem Friedensvertrag alle Exportgewinne zwischen Khartum und dem Süden aufgeteilt werden und für ihre Regionen nichts abfallen würde und starteten einen eigenen bewaffneten Aufstand. Ziel des Aufstandes war entsprechend auch kein Separatismus, sondern der Machtwechsel in Khartum.

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Bild: Brücke in Juba - Sudan. / Demosh (CC BY 2.0)

Der sudanesische Staat genehmigt um der Sache Herr zu werden dagegen seinen loyalen Bürgern die Bekämpfung der Feinde auf eigene Faust, toleriert deren Selbstversorgung auf Kosten der illoyalen Teile Bevölkerungsgruppen und muss dann dafür vor der Weltöffentlichkeit gerade stehen, wenn die Milizen "ausser Kontrolle" geraten sind. Die Regierung in Khartum meint sich dabei im Darfur besonderes gut auf die arabischen Nomaden verlassen zu können.

Der Boden in Darfur wird immer knapper, und das Land samt Wasserquellen der zu bestrafenden afrikanischen Bauern-Rebellen lockt. Das "Ausser-Kontrolle-Geraten" der arabischen paramilitärischen Verbände "Djandjawid" (11) sorgt für einen stetigen Flüchtlingsstrom ins benachbarte Tschad und ist in den Augen des Westens ein Beitrag zur Destabilisierung der gesamten Region.

3. Kompetenzstreit unter den Aufsichtsmächten

"Es ist eine völlig neue Entwicklung in Afrika, dass Afrika die Verantwortung für die Konfliktlösung, für die Stabilisierung und für den Frieden auf dem eigenem Kontinent übernimmt." Joseph Fischer Die führenden Mächte sind es langsam Leid sich um alles zu kümmern, wofür sie sich zuständig fühlen.

Darum wurde im April 2004 in Darfur – anders als im Süden, wo die UN zuständig ist – die Afrikanische Union von den beiden Konfliktparteien mit der Überwachung des Waffenstillstands beauftragt. Wenn schon afrikanische Staaten rundum von der USA und von EU abhängig sind, dann sollen sie ihre Souveränität dazu nutzen, um der ersten Welt die Flüchtlingsströme und die kostspieligen Militäreinsätze vom Hals zu schaffen.

Selbst wenn viele dieser Staaten um den Erhalt ihrer Souveränität gegen eigene abtrünnige Bürger kämpfen (DR Kongo, Somalia, Elfenbeinküste und auch der Sudan), so gibt es noch einige halbwegs stabile Staaten (Nigeria, Angola, Südafrika), die für Einmärsche bereitstehen. Deren Interesse ist es oft, schlicht das UN-Geld für den Einsatz ihrer Soldaten dem eigenen Haushalt zugute kommen zu lassen. Nun verfügen die AU-Staaten nicht über genügend militärischer Ausrüstung, um ganz allein solche Missionen durchzuführen.

Deshalb ist beschlossen worden, dass der Westen die Transportflugzeuge stellt und auch mit eigenen Truppen mitmischt. Damit beginnt der eigentliche Streit: Wer hat das letzte Wort über die Intensität der Einmischung, über das Verhängen und das Fallenlassen der Sanktionen, über das Einschätzen der Lage, über die Verfahren mit den Kriegsverbrechern.

Kurz gesagt: wie stark muss eine Weltmacht sich engagieren, um über den Frieden nach dem noch laufenden Krieg bestimmen zu können. Das Khartumer Regime hat mit Russland, China und (wenn auch in etwas abgeschwächter Form) Frankreich einige "Verbündete" im UNO-Sicherheitsrat. Sie alle profitierten von den US-Sanktionen, belieferten den Sudan mit Waffen und engagierten sich in der Ölförderung. Ausserdem ist Frankreich der Konkurrent der USA schlechthin, wenn es um Afrika geht.

Im Unterschied zu China und Russland, denen es wirklich nur um Öl- und Waffengeschäfte geht, hat Frankreich weitgehende politische Interessen.

Es pocht auf exklusive Beziehungen zu seinen ehemaligen Kolonien und nimmt jeden Konflikt auf dem Kontinent (Ruanda, DR Kongo, Elfenbeinküste und Nachbarländer) zum Anlass für ein Kräftemessen mit Washington. Es untergräbt die von der USA initiierte Isolation der "Schurkenstaaten" in der Region, indem es sich als alternative Ordnungsmacht aufdrängt.

Diese Konkurrenz um die Beaufsichtigung Afrikas zeigt sich auch bei der Frage von der Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs für Kriegsverbrechen (Frankreich, Deutschland dafür – USA dagegen), oder bei der Debatte ob NATO (wie es die USA will) oder EU Truppen die Friedensmission, im Falle AU-Kräfte reichen nicht, durchführen sollen. Was den Sudan selbst betrifft, so macht Washington seine Prioritäten – erst kommt der Frieden im Süden, dann der Darfur – gegenüber den Weltöffentlichkeit klar, und kann im Darfur keinen Genozid entdecken.

Zumal Sudans neuester Feind – der tschadische Präsident Idriss Déby (bisher ein Liebling Frankreichs) aufgrund seiner Verstösse gegen die IWF-Auflagen auch eine amerikanische Lektion zu brauchen scheint. (12) Selbstverständlich ist Deutschland auch dabei. Erneut wird unter Beweis gestellt, dass das der Verliererstaat des zweiten Weltkrieges reif für die Verantwortung einer vollwertigen Weltmacht ist.

Was den Sudan betrifft, nimmt die deutsche Diplomatie seit einiger Zeit eine Scharfmacher-Position ein. Sie pocht auf die Anerkennung der Geschehnisse im Darfur als Völkermord, und geht damit weiter als die USA und in die entgegengesetzte Richtung zur anderen EU-Führungsmacht Frankreich

Mit dem Umsetzung des Friedensabkommens durch die Khartumer Regierung und den Reaktionen der Staatengemeinschaft darauf ist man im Berlin unzufrieden. Der potentiell unabhängige Süden lockt mit neuen Geschäftsmöglichkeiten für nationales Kapital. (13) Darüber sprechen die zuständige Politiker ganz unverblümt. "Ich verhehle nicht: Aufgrund unserer nationalen Position wären wir gerne weitergegangen." (damaliger Aussenminister Fischer, Regierungserklärung im Bundestag über die Ergebnisse der Tagung des Europäischen Rates zum Thema Sudan-Krise, 11. November 2004).

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Bild: Strasse in Khartoum - Sudan. / spangleddrongo (CC BY-SA 2.0)

Nun ist aber angeblich die Bundeswehr noch nicht vollständig zu einer Interventionsarmee umgebaut, die Kapazitäten durch Einsätze auf dem Balkan und in Afghanistan genügend belastet und haben die anderen Mächte einen deutlich besseren Draht zu der Regierung (Frankreich) oder zu den Rebellen (USA).

Es bleibt also vorerst bei 75 Soldaten im Süden und Transportflugzeugen für afrikanisches Fussvolk in Darfur. Unter den führenden Politikern streitet man sich um die richtige Dosierung der deutschen Militärgewalt: "Der neue Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe (SPD), warnte im Rundfunk Berlin-Brandenburg vor einer Überforderung der Bundeswehr, ungeachtet seiner grundsätzlichen Zustimmung für den Vorstoss von Struck.

FDP-Chef Guido Westerwelle hält Strucks Überlegung für "unverantwortlich". Der Minister müsse bei solchen Fragen viel zurückhaltender sein: "Die Bundeswehr ist nicht der globale Ausputzer in Krisenregionen.""(Zeit, 16/2005) Deutschland ist längst über den Status hinaus, jede sich bietende Gelegenheit der "Krisenintervention" zur Erweiterung seines aussenpolitischen Spielraums zu nützen.

Darum passt Deutschland mittlerweile auf, von den USA nicht auf weitere Einsätze verpflichtet zu werden, für die sich die Weltmacht Nr. 1 zu schade ist. Denn an Krisenherden mangelt es nicht, und Deutschland will schliesslich nicht einfach Erfüllungsgehilfe des Weissen Hauses werden. So bleibt auch die Erfolgsaussicht der AU-Mission genauso unklar, wie deren Finanzierung. (14)

4. "Gern für das kleinere Übel"- Die Linke entdeckt für sich einen Konflikt

Der Konflikt im Südsudan war für die deutsche Linke nie ein grosses Thema, selbst zu den Zeiten, als John Garangs SPLA/M mit dem "afrikanischen Sozialismus" kokettierte. Das begann sich zu ändern, als um 2003 der neu eskalierte Konflikt in Darfur in den Blick der Weltöffentlichkeit geriet. Als es absehbar wurde, dass der Bundestag demnächst den Bundeswehreinsatz durchwinken würde, bildeten sich sogar innerlinke Fraktionen entlang der Frage der Befürwortung oder Ablehnung der Intervention. Die Zusammensetzung der Dafür/Dagegen-Fraktionen fiel diesmal anderes als beim Irak-Krieg aus.

Es waren die beiden PDS-Abgeordneten, die es nicht übers Herz brachten, gegen die Intervention zu stimmen, und zur schärfsten Waffe linker Opposition griffen: Der Enthaltung. "..allerdings sehen wir auch, dass es ganz klare wirtschaftliche Interessen einiger Länder und Unternehmen gibt, die den Frieden nur als Zwischenstation sehen, um dann (…) wie "Heuschrecken" über das Land herzufallen. Wir sehen die Auswirkungen des Krieges und wir sehen die Auswirkungen dieser Heuschreckenschwärme und würden uns gern für das kleinere Übel entscheiden. Doch die Bundesregierung macht eine Zustimmung zu dem Mandat für uns unmöglich.

Die Bundesregierung ist in ihrer Beschreibung der Aufgaben der Soldaten zu ungenau. Die Bundesregierung macht es uns unmöglich, diese Mission zu kontrollieren." (Gesine Lötzsch im Bundestag am 22. April 2005). Da erklärt sich eine "demokratische Sozialistin" damit einverstanden kapitalistische Interessen als "kleineres Übel" zu akzeptieren, solange bei der Verfolgung dieser Interessen lauter positiver Nebenwirkungen entstehen, und dann geht die Rechnung doch nicht auf, weil so ein Militäreinsatz in echt, anderes als erträumt, ganz ohne basisdemokratischer Kontrolle verläuft.

Ein wahrlich starkes Stück linker Realpolitik – wie selbstverständlich wird in einem Zug die Notwendigkeit einer starken aussenpolitischen Rolle Deutschlands, interventionsfähiger Armee, und damit der Aufrüstung, und damit der, sonst leidenschaftlich angeprangerten, Rüstungsausgaben anerkannt. Wenn es aber nicht um Inhalt der Entscheidungen geht, sondern um die Frage, wer sie treffen darf, da kennen Lötzsch und ihre Kollegin Petra Pau keine Kompromisse.

Das ist wahrlich sehr demokratisch, wenn auch nicht im geringsten sozialistisch. Gegen das Abstimmungsverhalten der beiden Damen bahnt sich am linken Flügel von deren Partei ein heftiger Widerstand an. Die Argumente der "konsequenten Antimilitaristen" sind jedoch um kein Deut besser: "Ursprüngliches Grundprinzip von UN-Einsätzen war, dass Länder Truppen stellen, die keine eigenen Interessen in Konfliktregionen haben. Dies ist hier eindeutig nicht der Fall, Deutschland und deutsche Firmen haben erhebliche Interessen im Südsudan. Auch britische Truppen oder die anderer europäischer Länder sind hier völlig fehl am Platz." (Tobias Pflüger, Pressemitteilung – 19.04.2005 )

Hier wird der Mangel an Altruismus in der Weltpolitik beklagt. Gegen eine Weltpolizei hätte Pflüger wohl nichts einzuwenden, wenn sie nicht korrupt wäre. Er übersieht dabei, dass eine solche Weltpolizei ohne massiven wirtschaftlichen, politischen Druck nicht funktionieren könnte. Schliesslich lässt kein Staat der Welt – auch nicht der Sudan – aus freien Stücken fremde Truppen auf dem eigenen Boden agieren.

Dass solcher Druck nur von kapitalistischen Weltwirtschaftsmächten, die überall auf dem Globus Interessen haben, erzeugt werden kann – sollte das selbsterklärten Antimilitaristen wie Pflüger und Co entgangen sein?

So sehen die Forderungen (auf das Aufstellen von Forderungen kommt es in der Politik angeblich an) der Partei-Linken dann auch aus: "Wir bitten euch, [gemeint sind die beiden Abgeordneten] die Bundesregierung zu mahnen, endlich ihrer internationalen Verantwortung gerecht zu werden und in ausreichendem Masse humanitäre Hilfe für die Menschen im (…) Sudan zu leisten." (Aufruf "Humanitäre Hilfe leisten – Keine deutsche Soldaten in den Sudan einsenden!", unterschrieben durch diverse Linke aus PDS und ['solid]).

Dass Deutschland ungeheuer viel Verantwortung für den Rest der Welt zusteht, ist nicht der Streitpunkt zwischen den Linken und dem Rest der Parteien. Es geht nur um die Frage wie dieser Staat seiner Verantwortung für die anderen Staaten am besten gerecht wird.

Weil sie einen konkreten Vorschlag machen, kommen sich die Linken realistisch vor, weil sie nicht darauf eingehen, welche Truppen nun für die Sicherheit der humanitären Hilfe zuständig sein sollten, werden die von anderen Parteien als realitätsferne Träumer abgestempelt und nicht ernst genommen.

Das Dogma von der Notwendigkeit des kleineres Übels zeigt sich anhand solcher Fälle wie im Sudan in seiner ganzen Pracht. Ein kleines Übel bleibt ein Übel. Wer es unterstützt, nimmt zumindest in Kauf, dass gemeines geschieht: Ein durch keine Intervention gehemmter Kriegsverlauf, das gewaltsame Eingreifen der NATO-Ordnungsstifter oder den Einsatz von Truppen weniger relevanter Staaten. Bei allen besagten Entscheidungen, stehen die Verhältnisse, in denen solche "humanitäre Katastrophen" gedeihen, gar nicht erst in Frage.

Statt sich für eines der Übel zu entscheiden, sollte man die Suche nach eben jenem kritisieren. Selbstverständlich mangelt es auch nicht an Evergreens der (falschen) Kriegskritik. Angeblich stecken hinter dem Einsatz von 75 Soldaten lauter Ölkonzerne, die mit dieser riesigen Truppe Ölfelder, so gross wie manch ein Bundesland unter Kontrolle nehmen wollen.

Oder es ist der legendäre Öl-Durst der Amis, die den ganzen internationalen Rummel um den Sudan erst im Gang gesetzt hat. Vergessen wird dabei, dass die US-Regierung aus politischen Gründen ihren Kapitalisten untersagte, das "schwarze Gold" im Sudan zu kaufen. Um an den Öl ranzukommen, bräuchte sie nur das Embargo aufzuheben. Khartum kann es sich eh nicht leisten, sich die Käufer seiner Exportgüter auszusuchen.

Dieser Text entstand im Januar 2006 und gibt wieder bzw analysiert den damaligen Stand. Seit dem hat sich in der Region einiges verändert.

1. Der Unterschied: "humanitäre Katastrophe" ist "einfach nur" das Sterben vieler Menschen an Verfolgungen und den Lebensumständen, während bei Genozid ein "Volk" komplett von Vernichtung bedroht sei, was dann aber wirklich nicht geht.

2. Soweit die Sortierung der Presse: was Araber so unafrikanisch macht, wird nirgends erklärt.

3. Grossbritannien befürchtete, dass der unabhängige Nordsudan zum Satellitenstaat des panarabischen und damals sowjetfreundlichen Ägyptens würde.

4. Wer ernsthaft solche Begründung anführt, der hat sich nie gefragt, wie im unabhängigen Südsudan Christen und Anhänger der Stammesreligionen miteinander auskommen würden, oder warum in Deutschland das Nebeneinander von Katholiken und Protestanten die Staatseinheit nicht gefährdet.

5. Der ökonomische Erfolg blieb aus und bleibt es hartnäckig, weil die afrikanischen Unternehmen in dem fertigen Weltmarkt auf Unternehmen treffen, gegen die sie nicht konkurrenzfähig sind. Versuche der Abschottung vom Weltmarkt wurden regelmässig militärisch verhindert.

6. Dass Saudi-Arabien, das ansonsten jede sunnitisch-islamistische Bestrebung förderte, sich in die weltweite Anti-Saddam-Front einreihte, hatte damit zu tun, dass es sich durch die Ausweitung des Machtbereichs des bis dahin eher laizistisch orientierten Baath-Regimes, selbst gefährdet sah.

7. Die Scharia-Gesetze wurden 1983 unter strikt prowestlichen Präsidenten Nuimeiri landesweit (also auch im nichtislamischem Süden) eingeführt. Bis zum Sturz Nuimeris 1985 wurden Amputationen und öffentliche Körperstrafen massiv angewendet. Das war einer der Auslöser des bis heute andauernden Krieg.

8. Es wurden Anti-Terrorgesetze erlassen und Mitglieder der al-Qaida verhaftet. Erst beim Irak-Krieg begann Sudan Amerikas "war against terror" zu kritisieren.

9. SPLA/M hat bei den Verhandlungen versucht, das Referendum über die Unabhängigkeit auf drei Provinzen, die während der britisch-ägyptischen Kolonialherrschaft nicht zu dem gesondert verwalteten Südsudan gehörten, aber an ihn angrenzen und eine beachtliche Anzahl nichtarabischer Bewohner haben, durchzusetzen.

10. Nach manchen Angaben sind es schon über 2 Mio.

11. Die Djanjawid wurden noch in den 80er Jahre von Bashirs Vorgänger und dem heutigen Oppositionellen Sadiq al-Mahdi bewaffnet, unter anderem um das Eindringen der SPLA/M in Darfur zu verhindern.

12. Seit neuestem unterstützen sowohl die sudanesische Regierung, als auch die Darfur-Rebellen diverse tschadische bewaffnete Gruppen, die gegen Déby agieren.

13. SPLA/M will von sudanesischen Transportnetz für den Öl usw. aus dem Süden unabhängig werden. Dafür werden auch neue Eisenbahnlinien benötigt – um den Bauauftrag haben sich "unsere" Kapitalisten schon gekümmert.

14. Im Januar 2006 hat der US-Kongress trotz Mahnungen aus der Aussenministerium die Zahlung von 50 Mio für die AU-Mission im Darfur verweigert.

 




zum weiterlesen:


Artikel über die Wahlen im Sudan 2011

ub

1. Der Unterschied: "humanitäre Katastrophe" ist "einfach nur" das Sterben vieler Menschen an Verfolgungen und den Lebensumständen, während bei Genozid ein "Volk" komplett von Vernichtung bedroht sei, was dann aber wirklich nicht geht.

2. Soweit die Sortierung der Presse: was Araber so unafrikanisch macht, wird nirgends erklärt.

3. Grossbritannien befürchtete, dass der unabhängige Nordsudan zum Satellitenstaat des panarabischen und damals sowjetfreundlichen Ägyptens würde.

4. Wer ernsthaft solche Begründung anführt, der hat sich nie gefragt, wie im unabhängigen Südsudan Christen und Anhänger der Stammesreligionen miteinander auskommen würden, oder warum in Deutschland das Nebeneinander von Katholiken und Protestanten die Staatseinheit nicht gefährdet.

5. Der ökonomische Erfolg blieb aus und bleibt es hartnäckig, weil die afrikanischen Unternehmen in dem fertigen Weltmarkt auf Unternehmen treffen, gegen die sie nicht konkurrenzfähig sind. Versuche der Abschottung vom Weltmarkt wurden regelmässig militärisch verhindert.

6. Dass Saudi-Arabien, das ansonsten jede sunnitisch-islamistische Bestrebung förderte, sich in die weltweite Anti-Saddam-Front einreihte, hatte damit zu tun, dass es sich durch die Ausweitung des Machtbereichs des bis dahin eher laizistisch orientierten Baath-Regimes, selbst gefährdet sah.

7. Die Scharia-Gesetze wurden 1983 unter strikt prowestlichen Präsidenten Nuimeiri landesweit (also auch im nichtislamischem Süden) eingeführt. Bis zum Sturz Nuimeris 1985 wurden Amputationen und öffentliche Körperstrafen massiv angewendet. Das war einer der Auslöser des bis heute andauernden Krieg.

8. Es wurden Anti-Terrorgesetze erlassen und Mitglieder der al-Qaida verhaftet. Erst beim Irak-Krieg begann Sudan Amerikas "war against terror" zu kritisieren.

9. SPLA/M hat bei den Verhandlungen versucht, das Referendum über die Unabhängigkeit auf drei Provinzen, die während der britisch-ägyptischen Kolonialherrschaft nicht zu dem gesondert verwalteten Südsudan gehörten, aber an ihn angrenzen und eine beachtliche Anzahl nichtarabischer Bewohner haben, durchzusetzen.

10. Nach manchen Angaben sind es schon über 2 Mio.

11. Die Djanjawid wurden noch in den 80er Jahre von Bashirs Vorgänger und dem heutigen Oppositionellen Sadiq al-Mahdi bewaffnet, unter anderem um das Eindringen der SPLA/M in Darfur zu verhindern.

12. Seit neuestem unterstützen sowohl die sudanesische Regierung, als auch die Darfur-Rebellen diverse tschadische bewaffnete Gruppen, die gegen Déby agieren.

13. SPLA/M will von sudanesischen Transportnetz für den Öl usw. aus dem Süden unabhängig werden. Dafür werden auch neue Eisenbahnlinien benötigt – um den Bauauftrag haben sich "unsere" Kapitalisten schon gekümmert.

14. Im Januar 2006 hat der US-Kongress trotz Mahnungen aus der Aussenministerium die Zahlung von 50 Mio für die AU-Mission im Darfur verweigert.