Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland liegt heute ungefähr bei 250 Tausend und beschäftigt weniger als eine Million Menschen. Es scheint mir eine der ersten gesellschaftlichen Aufgaben, die Zukunft der Landwirtschaft zu diskutieren. Eindeutig ist, dass 88 Millionen Menschen Lösungen finden könnten, wenn sie wollen. Das Kollabieren des Strassenverkehrs (Staus, Luftverschmutzung …) ist das andere brennende Thema, das ebenfalls über die einzelnen Gemeinden hinausgeht.
Wir brauchen also demokratische Diskussions- und Entscheidungsprozesse auf drei Ebenen:
- der regionalen Ebene des Wohnortes (Gemeinderäte)
- der Arbeitsfelder (Betriebsräte)
- der thematischen Problembereiche, die die ganze Gesellschaft betreffen (Luftverschmutzung, Unwetter, Epidemien … (Kommissionen)
Natürlich kosten solche Diskussionen Zeit. Deshalb muss eine radikale Arbeitszeitverkürzung beschlossen und stattdessen informiert und diskutiert werden. Das ist kein Problem, weil wir weniger und besser produzieren werden und keinen Profit für die Kapitaleigner produzieren müssen, also auch keine Überproduktion erzeugen, die mit viel Werbeaufwand verkauft werden soll. Vom Überflüssigen, das die Kehrseite vom Hungern der Armen ist, ganz zu schweigen. Das Jahresarbeitsvolumen ist in Deutschland bis vor wenigen Jahren kontinuierlich gesunken. Die 60 Milliarden Arbeitsstunden im Jahr 2017 wurden von 44 Millionen Erwerbstätigen geleistet.
1960 wurde fast die gleiche Menge Arbeit von 26 Millionen erbracht. Die Arbeit wurde also nur auf mehr Menschen verteilt und nicht zusätzlich geschaffen.1 Im Langzeittrend sank die durchschnittliche jährliche Arbeitszeit pro deutschen Beschäftigten von über 3000 Stunden im Jahr 1900 auf unter 1500 Stunden im Jahr 2000.2
Seitdem ist dieser Trend unablässig weitergegangen. Im Jahr 2018 lag die Jahresarbeitszeit für abhängig Beschäftigte in Voll- oder Teilzeit bei 1287 Stunden.3 Ohne die die jungen Menschen bis 19 Jahren und die alten Menschen ab 80 Jahren hat Deutschland 62 Millionen Einwohner. Von ihnen sind 2 Millionen selbständig beschäftigt. Das Arbeitsvolumen von 60 Milliarden Stunden geteilt durch 60 Millionen Menschen bedeutet jetzt schon bei Gleichverteilung nur 1000 Stunden im Jahr oder 25 in der Woche. Alles Gerede von Wirtschaftsaufschwüngen mit Vollbeschäftigung ist schlicht gelogen.
Die Arbeit wird systematisch weniger. Diese von Marx immer beschriebene Errungenschaft des Kapitalismus, die sich der Industrialisierung verdankt, kippt in ihr Gegenteil um, weil sie kein Ende finden kann. Wir müssen es ihr setzen, denn immer mehr Produkte werden nicht für die notwendigen Bedürfnisse, sondern für Freizeit und Urlaub hergestellt, und immer mehr freie Zeit ist entstanden, die für die gemeinsame Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse genutzt werden könnte. 10 bis 15 Arbeitsstunden pro Woche dürften reichen, um den heutigen Lebensstandard zu halten. 60 Millionen Menschen, die sich am gesellschaftlichen Geschehen beteiligen könnten, würden bei weitem mehr und Besseres erreichen als die politische Elite, die ein paar Tausende zählt.
Revolution muss ein Prozess sein, in dem den Menschen der Vorteil eines anderen Lebens bewusst wird, weil sie die Veränderung unmittelbar erleben und selbst mitmachen. Revolution richtig verstanden bedeutet Emanzipation von zerstörerischen Kräften, die die Menschheit selbst entfaltet hat wie der Zauberlehrling (in der Ballade von Goethe), der die Geister, die er rief, nicht mehr loswurde.
Es geht nicht nur um politische Freiheit, sondern auch um soziale Gerechtigkeit.
Im Feudalismus gab und gibt es Ausbeutung, Naturzerstörung, Geld, Privateigentum an Produktionsmitteln einschliesslich des Erdbodens, der Bodenschätze, des Wassers und der Luft. Wie im Kapitalismus und allen Herrschaftssystemen.
In einer freiheitlichen Gesellschaft wird das abgeschafft. Die Erde ist ein gemeinschaftliches Gut, das wir für die nachfolgenden Generationen bewahren müssen. Die Produktionsmittel wurden von Menschen in gemeinsamer Anstrengung hergestellt. Auch sie sind Allgemeingut.
Zu einem neuen Gesellschaftsentwurf wird eine starke Bewegung zu Solidarität und Kooperation gehören – nicht um gemeinsam mehr für sich allein zu erreichen.
Abschaffung des bürgerlichen Machtapparates
Der Staat in seiner bisherigen Form muss abgeschafft und von unten eine demokratische Struktur aufgebaut werden, ohne auf das vorhandene Wissen zu verzichten. Dafür ist es wichtig, die politisch besetzte Leitungsebene zu entmachten, jedoch das Fachpersonal einzubinden in den Demokratisierungsprozess, das die eigentliche Arbeit in den Verwaltungen macht, aber keine politischen Entscheidungen fällen darf. Alle Führungsebenen von Unternehmen (Vorstände, Aufsichtsräte) sind ebenfalls abzuschaffen, damit sie keinen Schaden anrichten.Auf allen Gebieten müssen Versammlungen einberufen, Diskussionen organisiert und erste Massnahmen beschlossen werden. Das betrifft die Wohn- und Lebenssituation ebenso wie die Arbeitssituation. Gemeindeversammlungen (im Stadtviertel oder in der Dorfgemeinde) diskutieren und wählen ihre delegierten Gemeinderäte, Betriebsversammlungen ihre Betriebsräte und Kommissionen ihre Vertrauensleute, die ein klares Mandat für die regionalen Versammlungen erhalten, und sich rückkoppeln müssen, bevor sie Entscheidungen treffen.
Umstrukturierung des Arbeitsbereichs in den Unternehmen
Es ist notwendig, alle Unternehmen gemeinschaftlich von unten aufzubauen. Alle Strukturen sind vorhanden und praktisch alle Betriebe und Einrichtungen funktionieren ohne direkte Teilnahme von Kapitalisten. Die eigentliche Arbeit machen auch jetzt schon andere, die etwas von der Sache verstehen. Sie treffen gemeinsame Entscheidungen über das Wie und das Was der Produktion.Alle, die dort arbeiten (nicht nur die „Proletarier“), machen daraus künftig einen gemeinschaftlichen Betrieb. Von dort entsenden sie Vertreter in die Branchenzusammenkünfte, dann weiter in die Verbandszusammenkünfte und letztlich in die Kommissionen (Landwirtschaft, Energiegewinnung …).
Demokratisierung der Wohn- und Lebenssituation
Die Gesellschaft von der Nachbarschaft wird über die Stadtteile zu den Städten, den Landkreisen, den Regionen demokratisch von unten aufgebaut. Diese geographische Einteilung gibt es schon, aber künftig wird nur das auch auf einer höheren Ebene diskutiert, was dort hingehört. Lärm, Läden, Gemeinschaftsräume oder Nachbarschaftshilfe sind Themen für den Nachbarschaftsrat und nicht die Gerichte. Lärmfragen zum Beispiel sind auf allen Ebenen ein wichtiges Thema, aber nicht nur im Regionalrat oder noch weiter oben, sondern auch im Stadtteil. Es gibt viele Themen, die übergreifend sind.Gesellschaftliche Kommissionen auf Regionalebene
Wichtige Themen müssen von allen diskutiert werden, damit breite Diskussionen stattfinden und alle in die Lage versetzt werden mitzuentscheiden, ohne auf Manipulation, Falschinformation oder Meinungsmache hereinzufallen: Gesundheit, Umwelt, Erziehung, Bildung …4In den Kommissionen sollten immer auch Menschen mit Kompetenz vertreten sein. Wie können alle gesund ernährt werden, ohne die Umwelt dauerhaft zu schädigen?
Was verändert sich, wenn wir uns als ein Teil der Natur verstehen und nicht als ihr Beherrscher?
Wie muss die Landwirtschaft verändert werden, und wer beteiligt sich auf welche Weise daran?
Wie kann Energie nachhaltig erzeugt und sparsam eingesetzt werden?
Welche Verkehrsmittel und Verkehrssysteme brauchen wir für die Zukunft?
Wie wollen wir Arbeit und Leben geografisch organisieren und zusammenbringen?
Welches Verhältnis zu Natur und Tieren wollen wir entwickeln?
Wie kann die Kleidungsindustrie nachhaltig organisiert werden?
Wie wollen die verschiedenen Menschen wohnen?
Was soll Bildung sein, und wie wird Ausbildung organisiert?
Grundsatzkommission
Es muss ein gesellschaftlicher Konsens über grundsätzliche Regeln des Zusammenlebens hergestellt werden. Wir brauchen neue Werte, Ziele, Orientierungen und Prioritäten. Wenn nicht mehr der Profit das treibende Motiv der Produktion ist, sondern langlebige, gesunde, Persönlichkeitsfördernde und die Natur heilende Produkte und Verfahren, dann muss über unser alltägliches Verhalten und unsere Bedürfnisse diskutiert werden, aber auch die Forschung eine neue Orientierung bekommen.Regionalismus
Die höchste Einheit sollte vorerst die Region sein, weil sie überschaubar ist und in ihr eine relative Homogenität besteht. Der Nationalstaat hat sich nachhaltig als Fiktion herausgestellt. Bayern oder Katalonien müssen ihre Probleme erst einmal selbst klären, bevor sie Bündnisse mit anderen Regionen eingehen können. Zum Beispiel in Bayern: Wie soll mit den unterschiedlichen Glaubensrichtungen im öffentlichen Raum umgegangen werden, wenn das katholische Christentum nicht mehr Staatsreligion ist?Zum Beispiel in Katalonien: Wo soll welche Sprache gesprochen werden angesichts der Tatsache, dass die Hälfte der Einwohner Katalanisch spricht, die andere Hälfte Kastilisch?
Es geht darum, den Lastwagenverkehr auf der Autobahn, den Flugzeugverkehr in der Luft und den Containerverkehr auf den Meeren zu drosseln. Die Subventionierung der Verkehrsmittel muss enden, und die Folgekosten in den Preis eingerechnet werden. Die Atomindustrie war nur günstig für das Kapital, weil die Gestehungskosten subventioniert wurden und die Folgekosten unbekannt waren. Jetzt stellen sie sich als so hoch heraus, dass die Gemeinschaft bezahlen soll. Die vielen Kreuzfahrer, die auf Schiffen unterwegs sind, wissen nicht, was sie tun gegen die Umwelt, das Personal, die besuchten Städte… Vieles muss in die Region zurückgeholt werden, damit die Verkehrsströme uns nicht umbringen.
Ein Aufbau der Gesellschaft von unten setzt voraus, dass wir unser Leben und Zusammenleben selbst in die Hand nehmen. Für eine politische Demokratie ist es wichtig, ein demokratisches Rätesystem von unten nach oben aufzubauen, dass alle gesellschaftlichen Bereiche betrifft und nicht nur die politische Ebene im engeren Sinne.
Ich möchte noch einmal die Spanische Revolution in Erinnerung rufen, die als Basis ihre gewerkschaftlichen Gruppen hatte und im gesamten Land sowie in allen Arbeitsfeldern organisiert war. Dadurch gab es den Gegensatz Stadt-Land nicht, und es waren konkrete Perspektiven für alle Arbeitsbereiche entwickelt worden, lange bevor die Revolution spontan begann.
Unsere Situation heute in einem hochindustrialisierten Land ist anders, aber das Prinzip der Organisierung kann das gleiche sein. Es ist möglich, jetzt damit anzufangen, diese neue Gesellschaft zu entwerfen und auch international zu diskutieren, ausgehend von unserer Arbeitssituation, unserer Region und unseren Problemen.
Wir müssen uns inhaltlich auf die anstehenden Fragen vorbereiten und ohne Denkverbote Lösungen entwickeln. Das bedeutet jedoch, die eigentlichen Zukunftsfragen zu stellen, anstatt sich am politischen Machtapparat des Staates zu verschleissen. Die Parole sollte nicht mehr „Weg mit!“ heissen, sondern wir müssen konkrete Utopien entwerfen, die richtungsweisend sind.
Dabei wäre das übliche Entweder-oder -Denken wenig hilfreich.
Die Kommunisten haben der Marktwirtschaft die Planwirtschaft entgegengesetzt, weil die Planlosigkeit des Marktes zu ständigen Krisen der Überproduktion führte. Kapitalistische Wirtschaft bedeutet, nur für den Markt zu produzieren und abzuwarten, und Planwirtschaft, dass politisch bestimmt wird, was produziert wird. Die staatliche Planung war ineffektiv, korruptionsanfällig und ging an den Bedürfnissen vorbei. Ziel müsste also eine gesellschaftliche (und nicht staatliche) Planung des Bedarfs sein. Mit modernen Techniken ist vorstellbar, dass die Bedürfnisse in diesen Produktionsbereichen regelmässig abgefragt werden. Über den notwendigen Bereich hinaus wäre eine Marktwirtschaft durchaus vorstellbar, sie stünde jedoch nicht mehr unter dem Zwang der Mehrwertproduktion und der Profitmaximierung.
Privateigentum oder Kollektiveigentum ist ebenso eine verkürzte Alternative. Historisch gibt es sehr viele unterschiedliche Beispiele für kollektives Eigentum. Die Bandbreite geht von der Genossenschaft, die kapitalistisch ist, bis zum Eigentum einer Kommune, das nicht privatisiert werden kann, sondern von allen genutzt wird. Ein Beispiel sind in der heutigen Gesellschaft noch Verkehrswege. Zu unterscheiden sind also privates Eigentum wie ein Haus, gesellschaftliches Eigentum wie eine Fabrik und natürliche Besitztümer wie Boden, Wasser, Luft, Bodenschätze, die niemandem gehören dürften. Es muss künftig anders unterschieden werden, was privat ist (zum Beispiel die Wohnstatt), was vererbt werden kann (zum Beispiel das Inventar), was gemeinschaftlich ist (zum Beispiel die Gemeinderäume) und was niemandem gehört (zum Beispiel das Wasser).
Gebrauchswert und Tauschwert sind zwei Seiten einer Sache und nicht zu trennen, aber ausschlaggebend für die Produktion des alltäglichen und notwendigen Bedarfs sollte einzig der Gebrauchswert sein.
Arbeit und Freizeit sind heute ein Gegensatzpaar in fast allen Gesellschaften, weil der Mensch nur ausserhalb der Arbeit für Lohn frei ist. Sobald wirkliche Mitbestimmung zur Arbeit gehört, verändern sich auch ihr Ziel und damit ihr Inhalt.