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Spanien: Klage gegen Franquismus

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Aufarbeitung der Diktatur in Spanien Klage gegen Franquismus

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Politik

Im spanischen Staat gibt es keine juristische Möglichkeit, gegen die Verbrechen der 40 Jahre Franco-Faschismus Klage zu erheben.

Rodolfo Martín Villa, spanischer Innenminister von 1976-1979 und ehemaliger Zivil-Gouverneur unter dem Franco-Regime.
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Rodolfo Martín Villa, spanischer Innenminister von 1976-1979 und ehemaliger Zivil-Gouverneur unter dem Franco-Regime. Foto: Pep Parer (CC BY 3.0 unported - cropped)

Datum 12. September 2013
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Die nach Francos Tod demokratisch gewendeten Faschisten hatten sich mit dem Amnestie-Gesetz von 1977 einen Freibrief beschlossen, der bis heute strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen verhindert, die international anerkannt und geächtet sind. Im Ausland zählt jedoch das internationale Menschenrecht. Insbesondere die Justiz in Argentinien hat sich in den 30 Jahren nach Ende der dortigen Militärdiktatur fähig gezeigt, trotz eines anfänglichen Amnestie-Gesetzes die politischen und materiellen Verantwortlichen für Verbrechen vor Gericht zu stellen und zu verurteilen. Durch eine entsprechende Klage soll nun im südamerikanischen Staat wiederholt werden, was die spanische Justiz (Richter Garzon) im Fall von Pinochet/Chile vorexerziert hat: mit internationaler Rechtsprechung die spanischen Freibriefe umgehen und Klage erheben gegen noch lebende politische Verantwortliche der Franco-Zeit.

Klage in Argentinien gegen Martin Villa, gegen den Schwiegervater des aktuellen spanischen Justiz-Ministers, und gegen Folterer und Richter des Franquismus. Die Initiative gegen franquistische Verbrechen hat in Argentinien Klage erhoben gegen Verantwortliche für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Konkret gegen den franquistischen Ex-Minister Martin Villa wegen des Mordes von fünf Arbeitern in Vitoria- Gasteiz.

Die Klage wegen Verbrechen des Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Spanien der Franco-Diktatur zwischen dem 17. Juli 1936 und dem 15. Juni 1977 nimmt in Argentinien Gestalt an. Nach der Sammlung von mehr als 300 Anzeigen hat das Netz “Bürger gegen die Verbrechen des Franco-Regimes“ (Aqua-Netz) beschlossen, zur zweiten Phase überzugehen: der Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen mehr als 300 Entscheidungsträgern des Franco-Regimes.

Die Klage richtet sich gegen den ehemaligen Franco- Minister Rodolfo Martin Villa wegen der Ermordung von fünf Arbeitern während eines Streiks in Vitoria- Gasteiz, und gegen José Utrera Molina (den Vater des aktuellen Justizministers Gallardón) wegen der Unterzeichnung des Todesurteils gegen Puig Antich. Darüber wird auch Klageerhebung gefordert gegen den „Folterknecht“ der Politischen Brigade Franco-Polizei, Juan Antonio González Pacheco, alias Billy the Kid.

Schliesslich soll auch der ehemalige Minister für Arbeit Fernando Suarez und der Putschist und Beamte der Guardia Civil Jesus Aguilar belangt werden, für seinen berühmten Satz in der Abgeordnetenkammer am 23. Februar 1981: „Es wird nichts passieren, aber warten wir eine Weile, bis Militärs kommen, sie werden bestimmen, was geschehen muss.“ Die argentinische Justiz erwägt die Forderung einer Strafe bis zu 30 Jahren mit der Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. „Es ist höchste Zeit, dass die Justiz endlich diese Diktatur, Franco und seine Helfer verurteilt, jene die sich danach in Demokraten verwandelten“, sagte Jose Maria Galante, Mitglied der Vereinigung der ehemaligen Gefangenen des Franquismus.

Die Klage gegen das Franco-Regime wurde am 14. April 2010 in Argentinien eröffnet, nach der Weigerung der spanischen Gerichte, die Verbrechen der spanischen Diktatur zu untersuchen. Die Klage forderte die argentinischen Verfassungsinstanzen dazu auf, das Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit anzuerkennen, um die Täter der Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verfolgen. Der ursprünglichen Beschwerde haben sich weitere 300 Kläger/innen angeschlossen. Die argentinische Justiz sieht für derartige Verbrechen Strafen von 25 bis 30 Jahren vor.

Wille der Kläger ist, dass der von der Richterin Maria Servini in Argentinien eröffnete Fall die „Straflosigkeit des Franquismus beendet“, zu einer „Wiederherstellung der Wahrheit“ führt und den Weg öffnet für „die Wiedergutmachung aller verursachten Leiden“. Sie fordern die Ausgrabung der in Massengräbern verbliebenen Leichen und ihre Rückgabe an die Familien, die Aufhebung aller Verfahren der Sonder-Gerichte der Diktatur, sowie die Verurteilung der erlittenen wirtschaftlichen Ausplünderung der Republikaner/innen durch die Sieger im spanischen Krieg (fälschlicherweise Bürgerkrieg genannt), und schliesslich die Anwendung des Gesetzes gegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen die Überlebenden der Diktatur, deren Protagonisten alle Blut an den Händen haben.

1. Rodolfo Martin Villa, der „Schlagstock des Übergangs“

Der ehemalige Minister, ehemaliger Senator und Ex-Vertreter der Versammlung von Madrid, Rodolfo Martín Villa, war im Laufe seiner Amtszeit als Innenminister (1976-1979) bekannt als „Schlagstock der Transition“ wegen der Härte bei der Unterdrückung von Demonstrationen von Arbeiter/innen und Student/ innen. Er soll auch verantwortlich sein für die parapolizeiliche Repression, die mit starker Beteiligung von faschistischen Organisationen über Jahre hinweg praktiziert worden war. Im Einzelnen wird gegen ihn Klageerhebung gefordert wegen der Ermordung von fünf Arbeitern im Verlauf eines Streiks am 3. März 1976, als die Polizei in einer Kirche eine Razzia anordnete, dem Tagungsort der Vollversammlungen von Arbeiter/innen aus Unternehmen im Kampf, und aus nächster Nähe auf mehr als 5.000 Arbeiter/innen schoss, die zu der Versammlung gekommen waren. Martin Villa wird als verantwortlich bezeichnet für diesen Polizeimord, ausserdem wurden etwa 150 Personen verletzt.

Villa begann seine politische Karriere für das Regime im Jahr 1962 als nationaler Chef der Spanischen Universitäts-Gewerkschaft (SEU) und erhielt im Jahr 1974 den Posten des Zivil-Gouverneurs und 1975 den des Ministers für Gewerkschaftsfragen. Nach Francos Tod war er Abgeordneter der Provinz León und Jahre später der Provinz Madrid für die PP. Ebenso auch den Vorsitz im Ausschuss für Justiz und Inneres des Kongresses zwischen 1996 und 1997. Im Januar 2003 wurde er zum Beauftragten der Aznar- Regierung für die durch den Untergang des Tankers Prestige vor der Küste Galiziens verursachte Umwelt- Katastrophe.

Seine franquistische Vergangenheit verhinderte nicht seinen Sprung in die Unternehmens-Welt. Er war Präsident des ehemaligen Staatsunternehmens Endesa (Energie), sowie Vorsitzender des Kontrollrats der Sparkasse Madrid (1993-1997), neben anderen wichtigen Funktionen.

2. José Utrera Molina, der Schwiegervater des Justizministers Gallardón

Die Komplizenschaft des 86 Jahre alten Utrera Molina mit dem Franco-Regime war auch nach dem Beginn der sogenannten Demokratie ein Geheimnis. Derzeit ist er Mitglied der Franco-Stiftung. Seine Karriere im Franco-Regime begann in der Jugend-Front (die Jugendorganisation der faschistischen Partei) und endete 1975 als Minister für das Generalsekretariat und Vizepräsident des Nationalen Rates der faschistischen Bewegung kurz vor dem Tod des Diktators. Er war Präsident der Landwirtschafts-Bank von März 1975 bis zu seinem Rücktritt am 3. April 1978. Utrera Molina unterzeichnete den Befehl zur Ausführung des Todesurteils von Puig Antich. Das Aqua-Netz fordert seine Anklage wegen der Unterzeichnung dieses Erlasses, der vorher durch ein Militärgericht zum Tod verurteilt worden war, nachdem er für das Attentat auf einen hohen Polizisten in Barcelona verantwortlich gemacht worden war, der ihn verhaften wollte.

Im Jahr 2010 schrieb Utrera Molina in der Zeitung ultrarechten Tageszeitung ABC eine Stellungnahme, in dem er das Gesetz der historischen Erinnerung und die Beseitigung des Denkmals für den Militär und Franquisten Millán Astray (1879-1954) als „vandalische Invasion der sozialistischen Regierung Vandalismus“ bezeichnet hatte. „Wir leben in einer Zeit, in der wir gezwungen sind, uns dafür zu schämen, dass wir einer alten und glorreichen Nation wie Spanien angehören „, schrieb er.

3. Juan Antonio González Pacheco,alias Billy the Kid

In allen Fällen von beklagter Folter während der der Franco-Diktatur sticht der Fall von González Pacheco, alias Billy the Kid, Mitglied der Politischen Brigade der franquistischen Polizei, am meisten ins Auge. In der Tat weist dieser Folterknecht eine lange Liste von Anzeigen auf wegen Misshandlungen in den letzten Jahren der Franco-Zeit. Sein Name erscheint in 17 in Argentinien eingereichten Klagen.

In 1974 wurde er in Madrid zusammen mit drei anderen Polizisten zur Zahlung von 1.000 Peseten verurteilt, für Vergehen von Misshandlung und Nötigung eines Studenten. Ein Jahr zuvor, 1973, war er wegen einer anderen Straftat verurteilt worden. González Pacheco wurde vom Amnestie-Gesetz 1977 von allen Gerichtsverfahren und Urteilen entlastet. Weitere anhängige Verfahren wurden aufgrund des Amnestiegesetzes fallen gelassen, das erweitert worden war auf „Verbrechen und Vergehen, die Behörden, Beamte und Vollzugsbeamte begangen haben könnten bei Ausübung von Funktionen für den Staat. Er machte vor dem Sondergericht Aus-sagen wegen seiner angeblichen Beziehung mit den Morden an den 5 Rechtsanwälten von Atocha und wegen paramilitärischer Terrorgruppen, die während des sog. Übergangs mehrere Morde im Baskenland begangen hatten.

Aber das Amnestiegesetz war nicht genug, um ihn zu rehabilitieren. Am 1. Juli 1977 wurde er vom Innenminister Rodolfo Martin Villa er für seine Verdienste (als Folterer) bei der Polizei mit der Silbernen Verdienstmedaille dekoriert. Im selben Jahr trat er als Stellvertreter in die Zentrale Geheimdienst Brigade ein.

Im Jahr 1985 erscheint González Pacheco als Sicherheitschef der Autofirma Talbot in Madrid, und arbeitet in verschiedenen weiteren Sicherheits-Unternehmen. Im Jahr 2011, nach Information des Aqua- Netzes, erscheint er als Abteilungsleiter des Unternehmens Loomis.

4. Jesus Muñecas, Putschist vom 23-Februar

Jesus Muñecas ist derzeit Eigentümer einer Reitschule in Valdemoro. Er erhält die maximale Altersrente für seine Verdienste im Staat nach seiner langen Karriere als Polizist. Sein Name wird nicht wie der des 1981er Putschisten Tejero in die Geschichte eingehen, aber seine Rede am 23-F. Er war der erste, der sich beim Putsch mit der Pistole in der Hand im Parlament an die Abgeordneten wandte.

Trotz seiner Beteiligung am Putsch erhält Jesus Dolls die maximale Rente. Bereits zuvor war er mehrfach wegen Folter-Verbrechen angezeigt worden, begangen in der Kaserne von Zarautz und im Hauptquartier der Guardia Civil von Tolosa. In keinem Fall wurde er verurteilt. Nur für seine Putsch-Beteiligung wurde er zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er wurde im Oktober 1984 aus der Haft entlassen, zwei Jahre nach dem Putsch.

5. Fernando Suarez, aus der zweiten Reihe

Fernando Suarez begann seine politische Karriere wie viele andere Politiker des Regimes in den Reihen der franquistischen Universitäts-Gewerkschaft, er war Leiter der Sektion Oviedo zwischen 1954 und 1956. Nach mehreren Posten im Hintergrund stieg er auf zum Direktor des Emigrations-Instituts und schaffte 1975 den Sprung zum Arbeits-Minister der Regierung.

Im selben Jahr unterschreibt er, zusammen mit den anderen Ministern, die letzten Todesurteil der Franco- Ära, im September 1975: gegen Jose Humberto Baena, Jose Luis Sanchez Bravo, Ramón García Sanz, Juan Paredes Manot (Txiki) und Angel Otaegi. Deshalb macht ihn das Aqua-Netz direkt verantwortlich für Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Redaktion Baskinfo