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Offener Brief an die weisse Linke | Untergrund-Blättle

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Die Überwindung rassistischer Strukturen Offener Brief an die weisse Linke

Politik

Wir sind sehr erfreut über die Zunahme an antirassistischer Politik der schweizerischen linken. Solidarität von Weissen zu sehen als person of colour ist sehr ermutigend!

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Foto: zVg

9. April 2021
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Gerade darum ist es uns sehr wichtig, dass wir eine Kritik an der gegenwärtigen politischen Praxis der schweizerischen Linken anbringen. Uns geht es nicht darum, die weisse Linke zu «bashen» oder sonstige sektiererischen Tendenzen anzureissen. Ohne lebhafte und konstruktive Debatte versinkt die Linke in politische Stagnation und Unfähigkeit, Probleme zu lösen. Dies würde die Linke bei den Massen diskreditieren und schwächen, was nur eine Stärkung reaktionärer Elemente bedeuten kann. Gerade deswegen ist es uns von der Linken PoC als people of color so wichtig, dass wir diese Debatte anreissen.

Was sehen wir für Probleme bei der weissen Linke im antirassistischen Kampf? Kurzgefasst sehen wir eine mangelnde Überwindung rassistischer Strukturen innerhalb linker Organisationen, unabhängig ob Partei, Massenorganisation oder Chatgruppe. Der «white man's burden» scheint von der weissen Linke weiterhin gelebt zu werden, eine (neo)-koloniale Haltung gegenüber people of color.

Dies liegt an den materiellen Bedingungen der Schweiz: die Schweiz ist ein imperialistisches Land, in welchem Menschen mit rassistischen Strukturen und Gedankengut sozialisiert werden. Imperialismus ist hauptsächlich eine wirtschaftliche Beziehung - die durch Rassismus legitimiert wird.

Dies trifft objektiv auf die Schweiz zu, während der militärische Imperialismus auf die NATO und andere Staaten ausgelagert wird, mit welcher die Schweiz permanent zusammenarbeitet trotz vorgegaukelter Neutralität.

Dass die Linke in der Schweiz in einem solchen Umfeld erzogen wird ist nicht ihre Schuld; wenn sie diese Sozialisierung jedoch nicht überwindet, dann ist sie für die Präsenz strukturellen Rassismus in den eigenen Reihen verantwortlich. Beispiele sind folgende:
  • Den Platz von People of Color an Demos, Sitzungen und Veranstaltungen übernehmen bzw. kolonisieren
  • Anmerkungen von People of Color ignorieren oder herabschauend abwinken
  • Verneinung über strukturellen Rassismus in eigenen Reihen, trotz des Wissens, dass sie in einem rassistischen Land erzogen wurden
  • Kritik an weissen Linke entpolitisieren und auf Individuen fokussieren, also bewusstes Ignorieren materieller Bedingungen
  • White Fragility bei bereits kleinen Kritiken
  • Chauvinistische Haltung gegenüber Revolutionärer oder progressiven Bewegungen im globalen Süden/vom Imperialismus unterdrückten Ländern
Diese Elemente, die in der schweizerischen Linken verbreitet sind, machen die politische Arbeit für people of color sehr schwierig. Wir leiden bereits genug unter Krieg, Ausbeutung und Diskrimination. Macht die Arbeit für uns nicht schwieriger! Wenn die schweizerische Linke wahrhaft gegen Rassismus kämpfen will, dann muss sie sich bewusst sein, in welchen materiellen Bedingungen sie entstanden ist. Dies ist die Grundlage für einen erfolgreichen antirassistischen Kampf, denn Materielle Bedingungen erzeugen Bewusstsein, nicht umgekehrt.

Darum hoffen wir, dass die schweizerische Linke als Patient*in ihre Medizin schluckt, um sich erfolgreich zu heilen und zu stärken! In der weissen Linke gab es bereits Diskussionen und Selbstkritik zu diesem Thema, was uns sehr erfreut. Kritik und Selbstkritik ist der richtige Weg, um uns als politische Linke zu stärken. Solidarische Grüsse

Von den Linken PoC

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