Anders ist es nicht zu verstehen, dass Rime, zusammen mit dem Direktor des Gewerbeverbands, dem FDP-Nationalrat und Arbeiter_innenhasser, Hans-Ulrich Bigler das eh schon schlechte und löchrige Arbeitsgesetz angreift: Statt wie bisher in manchen Branchen (Industrie, Büropersonal, technische und andere Angestellte, Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels) 45 Stunden, sollen generell 50 Stunden Höchstarbeitszeit gelten. Und das obwohl sich Arbeiter_innen in der Schweiz schon zeitlich länger auf der Arbeit abmühen, als in jedem anderen Land in Europa.
Gefahr aus der Laberbude
Aus dem Laufsteg der eitlen Geck_innen, dem Bundeshaus, droht auch Gefahr: mehrere Angriffe auf das Arbeitsgesetz sind dort im Gange: Karin-Keller Sutter und Konrad Graber haben parlamentarische Initiativen lanciert, welche die Arbeitszeiterfassung abschaffen, eine Jahres- statt der wöchentlichen Höchstarbeitszeit und kürzere Ruhezeiten fordern. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gibt es in der Schweiz schon lange, aber erst seit einem Jahr wird sie verstärkt durchgesetzt. Die Umstellung von Wochen auf Jahreshöchstarbeitszeit klingt harmlos, doch es kommt überhaupt nicht auf das selbe raus: Es kann bedeuten, dass du bei einem grossen Auftrag ein paar Wochen 12-Stunden-Tage stemmst und nachher mit 4-Stundentagen kompensierst oder dass, wie teilweise schon jetzt in Branchen mit saisonalen Schwankungen wie dem Bau, Temporäre nur in den Zeiten mit langen Arbeitstagen eingestellt werden und dann wieder vor die Türe gestellt werden.Die kürzeren Ruhezeiten bedeuten, dass von dir verlangt werden kann, dass du auch um 22 Uhr Mails checken musst und um 6 Uhr wieder beginnst. Wie soll da noch zur Ruhe gefunden werden? In die selbe Richtung zielt die Motion von Thierry Burkart: Er will die Arbeitszeiten im Home-office flexibilisieren, etwa indem die Arbeit zu Hause ohne Bewilligung auch Sonntags erledigt werden kann. Was bedeuten wird, dass du keine Erholungszeit mehr hast, da sie immer wieder von kleinen Tranchen Arbeitszeit durchzogen ist. Und du Sonntags erreichbar, verfügbar und produktiv sein musst.
Alles über 39h/Woche schadet dir
Es ist in der Forschung unumstritten, dass bereits tiefere Wochenarbeitszeiten gesundheitlich schädlich sind: „Alles über einer 39-Stunden-Woche kann Sie umbringen“, sagte etwa der Wirtschaftswissenschaftler Peter Flemming von der University of London gegenüber der „Welt“. Der durch die langen Arbeitszeiten und die mangelnde Erholung verursachte Stress führe laut Flemming zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch zu psychischen Problemen. Weitere Folgen von Stress sind etwa Erschöpfungszustände, Burn-outs, Schlafstörungen und Reizbarkeit. Dass sich in der Schweiz viele Arbeiter_innen und Angestellte durch die Arbeit gestresst fühlen, zeigt eine Umfrage der Zentralgewerkschaft Unia: Über zwei Drittel der Beschäftigten sind ihr zufolge Stress ausgesetzt.Arbeitsplatz oder Gesundheit?
So wie es Rime, Bigler und die ganzen wirtschaftsliberalen Strategen darstellen gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder alles abnicken, was von ihnen kommt oder ohne Arbeitsplatz dastehen. Also länger buckeln oder raus! Diese Dreistigkeit muss man sich mal vor Augen führen: Entweder arbeitest du länger für mich oder du brauchst gar nicht erst anfangen. Denn der Gott der Wirtschaft ist ein ganz heikles Wesen: wer ihm nicht bedingungslos huldigt, den lässt er nicht seinen erlösenden Hauch des Wirtschaftswachstums fühlen. So scheint es. Doch die Wirtschaft ist keine Religion.Die Wirtschaft ist auch nicht ein System, das nicht anders organisiert werden kann: In der Menschheitsgeschichte wurden schon verschiedene Wirtschaftssysteme durchexerziert. Wirtschaft ist schlicht und einfach Herstellung, Verteilung und Verbrauch von Waren und Dienstleistungen. Und das sollte doch wohl funktionieren, ohne dass wir uns dabei zu Krüppeln arbeiten. Vor allem da Effizienz und Produktivität ins schier Unermessliche gestiegen ist und ein Teil der Produktion gleich wieder im Müll landet.
Die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust wird vor allem von den Chef_innen und ihren Handlanger_innen kultiviert, damit wir nicht aufmucken und einen grösseren Anteil am Kuchen des wirtschaftlichen Erfolgs fordern. Oder die ganze Bäckerei...