Die Reaktion als politischer Begriff Reagieren auf die Reaktion

Politik

Konzepte sind altmodisch, wenn sie im Leben keine Entsprechung mehr finden. Sie aber zu sprachlichen Antiquitäten und somit zu inhaltlichen Leichen zu erklären, muss überhaupt erst angebracht sein.

Leitungen zum Kondensator einer Klimaanlage.
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Leitungen zum Kondensator einer Klimaanlage. Foto: smial (Licence Art Libre)

29. September 2013
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Wenn das konzeptuelle Werkzeug, mit dem man die Welt begreift, sie auch gut beschreibt, sollte man es sich behalten. Das folgende Wort aus der Werkzeugkiste der Emanzipation gehört dazu und soll folglich auf sich aufmerksam machen: das Reaktionäre. Die reflexartige Beziehung ihm gegenüber verführt dazu, den Reflex selbst genauer zu untersuchen. Nichts ist nämlich brutaler als die Verstümmellung von Gedanken durch das Verwischen ihrer Spuren und kein Schicksal schlimmer als das Absinken in ein grosses, weites Vergessen.

Eine Reaktion bezeichnet zunächst einmal eine Gegenbewegung bzw. eine Rückwirkung, nicht nur in der Chemie, auch in der Medizin oder Psychologie. Derselbe Begriff kennt aber auch eine andere Bedeutung im Bereich der Geschichtsschreibung und Gesellschaftskunde. Reaktion heisst da: Kräfte der Rückständigkeit, die strukturierte Zurückdrängung von Befreiungsbestrebungen, kurz, ein Gegenzug zur Rückkehr der alten Mächte und veralteten Werte. Als Begriff mit einem klassenmässigen Inhalt hat die Reaktion in turbokapitalistischen Zeiten an Bekanntheit selbstverständlich eingebüsst. Sozial besagt der Begriff schliesslich, dass bestimmte Klassen sich gegen eine Infragestellung ihrer angestammten oder gehobenen Position in der Gesellschaft sträuben, also wehren.

An sich ein allzu rebellischer Gedanke! Längst hat jene Abwehr ideologische Nacharbeit geleistet und sich in Verklärung geübt. So hat der politische, eher unbestimmbare Elitebegriff den ökonomischen, aber wenigstens messbaren Klassenbegriff allmählich ersetzt. Fazit: die soziale Bestimmung von Verantwortlichen wird schwerer und unkonkreter, ja ephemer. Das illustriert nicht nur den Antirealismus des gefeierten Zeitgeists, sondern zugleich den gestiegenen Einfluss auf die Begriffswelt, die Vorstellungen und die Erklärungsmodelle von sowohl Kritikern wie Massen. Kein Wunder also, dass sich die Reaktion, ihrerseits von den herrschenden Klassen getragen, selber sprachlich verflüchtigt hat. Immerhin verfügt sie über die Mittel zur entsprechenden Einflussnahme und entzieht sich durch dieses Diktat der Debatten einer für sie gefährlichen Kritik.

Die leichtfertige Verwendung des Begriffes zur Schmähung von Andersdenkenden hat mit ihrer Effekthascherei dem Sinn des Wortes "Reaktion" zusätzlich geschadet, welches ursprünglich den Zweck gehabt hat, die heutigen Feinde des Morgigen zu benennen. Über Jahrzehnte hinweg ist es ein modisches Schimpfwort der machtlosen Linken im Westen und der scheinlinken Bürokratie im Osten gewesen.

Tatsache ist, dass es trotzdem reaktionäre Tendenzen bis heute gibt, für deren Festnagelung sogar vulgärmarxistische Formeln ausreichen würden, so wie es nachweislich Bemühungen gibt, einerseits eine radikale Enthistorisierung zu erreichen, indem man, wie der Soziologe Schumpeter gehofft hat, den Menschen das Denken in solchen Begriffen der Entwicklung abgewöhnt, und andererseits demokratische Formen unschädlich zu machen, indem man sie, wie der Elitetheoretiker Pareto beim Parlamentarismus verlangt, zur Schonung der im Volk noch lebenden Demokratiewünsche als dekoratives Element belässt.

Je widersinniger jedoch eine Gesellschaft im Sinne der Allgemeinheit und ihres Wohls organisiert ist, und je realitätsferner und inakzeptabler die staatlichen Lösungsvorschläge für die Bedürfnisse und Nöte der Massen ausfallen, desto notwendiger wird die Wiedereinführung der Reaktion in das politische Tagesvokabular. Man braucht schliesslich keine Erlaubnis, um geschichtliche Übeltäter und Fortschrittsfeinde irgendwann wieder als eben diese bezeichnen zu dürfen und die Mechanismen ihrer systemischen Entstehung aufzuzeigen.

Die Reaktion als politischen Begriff kann man unschwer umreissen. Sie ist die Kraft des Angriffs auf den sozialen Fortschritt, ein vielseitiger Widerstand der überlebten Klassen und ihrer Einrichtungen gegen das historische Vorwärtskommen. Reaktionär zu sein, bedeutet lediglich: im Kampf gegen die Interessen der Allgemeinheit befindlich, auf Machtburgen bauend, gegen das massenhafte Umdenken und eine gesellschaftliche Neugestaltung zu sein. Je stärker die Reaktion, desto grösser übrigens die Krise, jene Zeit, in der ein allgemeiner Widersinn herrscht, weil man neue Wege auf alten Pfaden sucht und sonst auf keinen anderen suchen lässt.

Der Dominanz der bestehenden Verhältnisse in Rollen und Besitz wird allerdings dort zugesetzt, wo ganze Bevölkerungsschichten darunter leiden müssen. Die Legitimität solcher Zustände im Staat und am Markt bekommt dann schnell Kratzer. Man fühlt sich davon dominiert, rechtlich zwar frei, aber wirtschaftlich genötigt, wenn auf die Finanzblasen der Unternehmer nicht Finanztransaktionssteuern und Börsengeschäftsregeln, sondern Sozialeinschnitte und Sparpakete für die Bevölkerung folgen. Derweil operiert die Reaktion mit Angst, denn sie schreit es ins Volk hinaus: "Wehe, oder ihr werdet alles verlieren!".

Das Management der Ängste droht traditionell mit Verlust oder Nichtung. Inflation, Rezession, Börsencrash – unter dem Vorwand, Arbeitsplätze und die Ersparnisse vieler davor zu retten, ist man nur noch mit der Rettung von Industrie und Finanz beschäftigt und greift als Regierung auch gegen den Willen seiner Wählerschaft hart durch. Den Reaktionären im Volk selbst, jenen autoritären Charaktern, die dieses krisenhafte Durcheinander weiterhin für Ordnung halten, ist jedes Mittel recht, inklusive Brachiallösungen, Führerkulte und Gewaltphantasien.

Im Geist der unbewussten finanziellen Abhängigkeit identifizieren sie sich mit fremden Interessen und bangen daher ebenfalls um die herrschenden Klassen und Institutionen, deren Überlebtheit sie nicht begreifen. Denn sie leben entweder im Windschatten ihres Geldes oder hinter den Mauern ihres Staatsapparats und sind somit selbst nur politisches Kleingeld, soziale Spielfiguren, nützliche Idioten, sprich, selbst ohne und doch für die Macht.

Das Dämmern einer neuartigen Gesellschaftsordnung, wie sie sich in ausgedehnten Krisen immer ankündigt, dieses Weiterkommen in der Geschichte, dort wo man schon viel zu lange verweilt ist, den sozialen Umbruch zugunsten der Mehrheit, besonders wenn er Rechtsauffassungen der Vergangenheit auszuhebeln scheint, all das, was eine tatsächliche Vermenschlichung der Welt erlaubt – hasst die Reaktion und fürchtet der Reaktionär. Wichtigste Waffe ist dabei, wie oben angedeutet, die ideologische Diversion: man modifiziert Begriffe, tilgt Konzepte, betreibt Säuberungen im Vokabular, personalisiert Vorgänge, höhlt die Sprache aus und verschleiert Zusammenhänge.

Auf einmal sagt man ArbeitnehmerInnenschaft zur Arbeiterschaft oder nichtssagender Weise Marktwirtschaft zum Kapitalismus, man spricht nicht mehr vom Imperialismus, sondern schlicht von der Marktverflechtung und Handelsfreiheit, und die Monarchomachen alias Tyrannenmörder verschwinden unerklärlich aus dem Fremdwörterlexikon, oder man sagt, dass die Märkte verschreckt wären, als wären sie handelnde Subjekte, und dass die Preise steigen würden, obwohl sie in Wirklichkeit selbst nicht steigen, sondern angehoben werden, und man ergötzt sich auch an anderen Euphemismen wie Rationalisierung statt Entlassung, wie diplomatische Lösungssuche statt Kriegsvorbereitung usw. usf. Wenn solche Kuriosa und Paradoxa zum Hauptbestandteil der Sprech- und Ausdrucksweisen einer Gesellschaft werden, hat die reaktionäre Ideologie einen ersten Sieg bereits errungen, einen ideellen.

Das reaktionäre Gedankengut ist weitreichend: von der angeblich gesunden Ohrfeige über vorzugsweise unterschiedliche Geschlechterrollen bis zum Denkverbot, dem Hörigkeitsideal, Ausschliesslichkeitsrecht und Weltherrschaftsanspruch. Viele denkfaule Subjekte haben es in ihre Persönlichkeit eingebaut. Eine Klasse hält es aber mithilfe ihres kommandofreudigen Kapitals, ihrer kontinuierlichen Korruptionsarbeit und ihrer medialen Instrumente lebendig. Weltweit stellt sie den harten Kern der Reaktion: die Monopolbourgeoisie.

Die immer grössere Konzentration und Zentralisierung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals durch die stärksten Unternehmen ermöglicht es ihr, in einem Industriezweig sowohl die Produktion wie auch den Absatz zu beherrschen und in den globalen Finanzgeschäften enorme Werte ohne Leistung zu generieren. Auf der einen Seite kehrt die Monopolbourgeoisie die freie Konkurrenz damit in ihr gerades Gegenteil, denn sie löscht sie gewissermassen aus, wenn sie Monopolprofite erwirtschaftet und Zinseszinsen einheimst.

Gleichzeitig initiiert sie die Konkurrenz auch auf einer höheren Stufe, zum Beispiel im Ringen von Mittelstandsunternehmen mit den Grosskapitalien, und insbesondere auf der Ebene der internationalen Beziehungen, auf der ein Staat bei Bedarf auch militärisch für monopolistische Interessen eingreift und seine ganze Verflechtung mit der Macht der Monopole offenbart.

Zur Einnerung: noch bevor Gaddafi 2011 unter der aufständischen Königsfahne gelyncht wurde, reisten schon westliche Wirtschaftsdelegationen nach Libyen, um im Politvakuum vorteilhafte Erdölverträge abzuschliessen, aber auch die englisch-amerikanische Operation Ajax 1953 zum Sturz des demokratisch gewählten Mossadegh im Iran hatte nur den Erdölrechten des Petrochemiekonzerns BP gedient, welcher früher APOC hiess, ein Kürzel für Anglo-Persian Oil Company. Man sieht, die Monopolbourgeoisie weiss ihre ökonomischen Sonderinteressen durchzusetzen, offiziell natürlich unter einem angeblich politischen Vorzeichen.

Zudem ist der Staat, erst einmal eingeklemmt in zwischenstaatliche Abkommen und Organisationen wie Nato und EU, der sicherste Auftraggeber und beste Freund für grosse Sicherheitsfirmen und Rüstungskonzerne. Allein im Irak haben Zigtausende amerikanische Privatsöldner in einer gesetzlichen Grauzone blutig gedient, und in Grossbritannien übersteigt die Zahl der privaten Sicherheitsbeamten, derzeit bei einer Viertel Million Securities unter Waffen, jene der Polizei um ein Drittel. Von den Kapitalspritzen und Hilfsaktionen in Billionenhöhe für Industrie und Banken ganz zu schweigen; die genaue Zahl ist an sich egal. Das operative Prinzip verstört vielmehr.

Mit einer unglaublichen Unverfrorenheit wird der Monopolbourgeoisie auf Steuerkosten unter die Arme gegriffen, den lohnabhängigen Bevölkerung aber zum Engerschnallen ihres Gürtels geraten. Dass die Massen länderübergreifend die Krisen der Superreichen nicht mehr zahlen wollen, macht aber deutlich, wie überlebt diese Klasse von staatlich garantierten Grossindustriellen und demokratisch unlegitimierten Bankokraten samt ihren Erpressungstaktiken und Gläubigerforderungen wirklich ist. Darüber hinaus unterstreichen die hohe Produktivität, die hohe Arbeitsteiligkeit der Produktion und das hohe Niveau der Vergesellschaftung der Arbeit nichts anderes als die Überflüssigkeit der monopolistischen Produktionsweise.

Wenn sich nun Entwicklungen so überschlagen, dass sie die Grundfesten bestehender Verhältnisse untergraben, wenn technische Neuerungen und soziale Verschiebungen den Rahmen der gängigen Denk- und Lebensweise zu sprengen drohen, kurz, wenn die Welt plötzlich in Bewegung gerät, keimt in diesem Gezerre zwischen dem Entstehenden und dem Vergehenden zwangsfolgend eine Krise: zunächst eine philosophische, welche sich allgemein als kulturelle und intellektuelle Orientierungslosigkeit niederschlägt, dann eine politische, welche alle Illusionen über die Kompetenz und Moral der üblichen Entscheidungsträger zu verscheuchen anfängt, und schliesslich eine soziale Krise, welche den Vertrag namens Staat dort aufkündigt, wo er seine Gewalt nicht mehr zum Nutzen, sondern zum Nachteil des Volkes ausübt.

Recht und Gesetz werden mehr und mehr als Gerechtigkeitsverhinderung und reiner Systemerhalt empfunden. Indes wird die gesamte Gesellschaft von einer Welle der Irrationalität erfasst; reaktionäre Ideen nähren sich von Gefühlen der damit einhergehenden Hoffnungslosigkeit und Schwäche, um sich durch das Schüren von Komplexen und Angst eine breite Basis zu verschaffen.

Die dominantesten Elemente solcher Krisenzeiten sind: ein Hang zur Schwärmerei bei den sozialen Ordnungsvorstellungen, eine Schwarzmalerei bei der Beurteilung der Gegenwart und Gestaltung der Zukunft, eine Urteilsentsagung, was die Möglichkeit und das Ausmass menschlicher Erkenntnis betrifft, eine Schuldigsprechung der Vernunft für alle Misserfolge der materiellen Unvernunft und ihrer institutionellen Schutzmächte, ein massenhaftes Grundgefühl von Ungewissheit und existenzieller Furcht, überhaupt ein Geist der Käuflichkeit und ein sich verselbständigendes Aggressionspotenzial.

An den Knotenpunkten einer solchen Zuspitzung formieren sich ideelle Lager, hinter denen die betroffenen Interessensgruppen stehen. In Reinform, die es als solche in der Wirklichkeit niemals gibt, müsste man sie an den beiden Extremen das revolutionäre und das reaktionäre Lager nennen. Als perspektivische Bestimmungen sozialer Kräfte haben sie durchaus ihre Berechtigung. Das erste Lager verlangt eine grundlegende Umwälzung und wird mangels anderer Alternativen zu einem Umsturz getrieben, während das zweite diese Entwicklungen zum Schutz von Privilegien aufhalten möchte und dazu den Staatsapparat und seine Institutionen in Gang setzt, auch hier wieder alternativlos.

So man die Entscheidung aufschiebt, wird da wie dort allerlei relativiert und reformiert, und man erhält als Kompromiss ein jeweils zahmeres Klassenbewusstsein, vorausgesetzt, die wirklichen Verhältnisse spielen überhaupt noch mit. Es ist ein Burgfriede mit Ablaufdatum. Andernfalls brechen rechtsfreie Räume auf und bürgerkriegsartige Zustände aus, in denen kompromisslos enteignet und umverteilt wird, ganz gleich unter welchem Vorzeichen und in Namen welcher Werte. Das kann der Preis sein, den man zahlt, für eine vor sich hin kriselnde Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit – und zwischen den Klassen.

In diesem Zusammenhang müsste man die aktuelle Frage stellen, wie reaktionär sich die Antwort auf mögliche revolutionäre Forderungen unter Umständen gestalten könnte. Hierzu ein Gedankenexperiment: würde man etwa heute noch die Demokratie in einem Staat abdrehen, wenn das Volk sich demokratisch gegen die politische Vormundschaft des Monopolkapitals entscheiden würde, sagen wir, durch eine Vorzugswahl antikapitalistischer Linksradikaler zur Regierungsbildung bzw. durch die juristische Respektlosigkeit einer Verweigerung von internationalen Handelsabkommen und Kreditverträgen? Was dann, wie weit würde die Reaktion gehen, und wie bonapartistisch wäre sie schlussendlich? Die andere, um nichts minder aktuelle Frage betrifft den widerständischen Umgang mit der Reaktion und ihren Ideologisierungen.

Es wäre zu vereinfacht, die mystischen Redensarten der Reaktion als reine Ablenkungsmanöver zum Schutz von Autorität und Eigentum abzutun. Zwar ist man bemüht, wenn man es so anpackt, etwas zu beschreiben, das den engeren Sinn oder die letzte Konsequenz der Sache trifft und hervorhebt. Aber die Beschreibung scheitert daran, dass sie eine Dimension der persönlichen Absicht und Intentionalität hier einführt, die in dieser vordergründig beabsichtigenden, intentionalen Form fehlt, sprich, nicht belegbar ist.

Die ideelle Propaganda der Reaktion, ihre Erziehung zur geistigen Unmündigkeit und hin zu willfährigen Untertanen, hat nur Erfolg, wenn die allgemeine Lebensweise schon massenhaft eine Charakterstruktur hervorgebracht hat, die die institutionellen Autoritäten in sado-masochistischer Symbiose verinnerlicht, wohlgemerkt, unabhängig von Stand und Rang. Und völlig richtig ist vielleicht, dass dann jeweils reaktionäre Vernebelung passiert, also in der Folge eine Art Verschleierung des Gegebenen, doch kann man Funktion hier und Konsequenz da nicht bedenkenlos gleichsetzen.

Die Funktion der reaktionären Mystifizierung der Verhältnisse ist der psychologische Krieg gegen autonomes Denken und kollektive Vernunft, eine Mischung aus intellektueller Aufweichung und emotionaler Steigerung der Abhängigkeit von physisch-moralischen Autoritäten. Die Konsequenz all dessen ist das falsche Bewusstsein der Massen, kurz, deren Urteilsblockade. Doch auch all das sind höchstens Notizen, bloss Bruchstücke eines Ganzen, gewissermassen Gedankenfetzen und Nahaufnahmen.

Der Rechtsgelehrte Althusius hat aus der Volkssouveränität einst das Widerstandsrecht gegen eine volksfeindliche Obrigkeit abgeleitet. Der Revolutionär Saint-Juste hat die Regierung gleich als den einzigen gefährlichen Feind eines Volkes bezeichnet. Man weiss mittlerweile, was eine Revolution bezweckt, was alle Revolutionen im Grunde genommen wollen, nämlich klassenlose Freiheit und eine Gütegemeinschaft der Menschengattung, und dass die Ausgebeuteten und Entrechteten, wenn nötig auch illegal, aber geschichtlich gedeckt zu ihrem Recht kommen.

Die Revolution sollte der Schluss aller Schlüsse sein, das Aus und Vorbei für den Krieg, die Armut, den Aberglauben und für die Fuchtel von Geld, Eigentum, Gewalt und Macht. Es wäre ein Schritt nach vorne, von mindestens derselben Tragweite wie in der Urgeschichte die Entdeckung des Faustkeils und Feuersteins. Die Reaktion möchte das jedenfalls verhindern; man muss daher auf sie reagieren.

Mladen Savic