Freispruch für einen geistigen Brandstifter Götterdämmerung in den USA

Politik

Wie eine alte Partei erst ihr Gesicht verloren hat und sich auf der Suche nach der Zukunft das eigene Grab schaufelt.

Teresa Parson, Donald Trump, Melania Trump und Mike Parson, Februar 2020.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Teresa Parson, Donald Trump, Melania Trump und Mike Parson, Februar 2020. Foto: Office of Missouri Governor (CC BY 2.0 cropped)

15. Februar 2021
5
0
7 min.
Drucken
Korrektur
Kurzes Nachdenken über einen US-Präsidenten, der sich wünschte, als der „grösste und beste Präsident aller Zeiten“ und auch noch ruhmreicher als alle anderen vor ihm in die Geschichte seines Landes einzugehen.

Dazu folgende Fragen: Was ist eine Polit-Farce, was ist eine nationale Tragödie, was ist Schande, was ist Schmierentheater, was sind Menschen (vor allem Politiker) ohne Ehre, ohne Anstand, ohne Moral und sozialer Verantwortung, was ist und was löst Zynismus im Denken eines Präsidenten im darauf reagierenden Handeln eines Volkes aus, was sind historische und politische Lügen, wie und wann beginnen sie Wirkung zu zeigen und stärker als die Wahrheit zu sein, was muss das für ein Land sein, in dem eine alte Partei erst ihr Gesicht, damit auch ihre Ehre verloren hat und sich nun auf der verzweifelten Suche nach Zukunft das eigene Grab schaufelt nach dem Prinzip: Denn sie wissen nicht, was sie tun...

Wer auf Fragen dieser Art jemals nach Antworten suchte, der musste und brauchte sich in den letzten Wochen einfach nur (weltweit) vor den Fernseher zu setzen oder/und in anderen Medien dabei zu sein, um den hoffnungsvollen Beginn, den unrühmlichen Verlauf und das abrupte böse (nicht überraschende) Ende des 2. Impeachment-Verfahrens gegen Ex-Präsident Donald Trump aufmerksam verfolgen zu können.

Man denke doch nur einen einzigen Augenblick darüber nach, was da geschehen ist: Die Republikaner als aktive Handlungsträger und Mittäter im Verlauf von vier Jahren haben ihren Anführer, den „Haupttäter“ mehrheitlich frei gesprochen, ihn damit für unschuldig erklärt. Unfassbar, wie ehrlos, wie verlogen, wie feige und doppelzüngig doch amerikanische Senatoren sein können. Ob sie allesamt die perverse „Kunst des Lügens“ von ihrem präsidialen „Anführer“ gelernt und diese dann in ihre „Wahrheiten“ integriert haben?

Sie standen jedenfalls diesem geistigen Brandstifter, der so viel Unheil über die Vereinigten Staaten von Amerika und eine immense Unruhe in die Welt gebracht und so viel politische und moralische Schuld auf sich geladen hat, treu und willenlos zur Seite, haben sich von Anfang an (offenbar unter totaler Ausschaltung ihres Gewissens) mitschuldig und sogar auch noch freiwillig vor den ideologischen Karren dieses Präsidenten gespannt, der sein Volk wie kaum ein anderer Präsident zuvor auseinander dividiert und in ein grossformatiges Chaos gestürzt hat. Es führen bekanntlich viele Wege nach Rom und ebenso viele Wege führten und führen wohl auch weiterhin Demagogen immer wieder an die Macht. Und so soll hier noch einmal (bevor es in Vergessenheit gerät) nachgefragt werden: Wie ging Donald Trump eigentlich vor? Ich sehe das so: Er benötigte keinen offenen Putsch (wie sonst überall in der Welt üblich) zum Beispiel mit Hilfe des US-Militärs, um eine gerade amtierende Regierung ab und sich selbst auf den Thron im Weissen Haus zu setzen.

Nein, er wählte einen anderen Weg: Er putschte sich mit dem Aussprechen von tausenden Lügen an die Macht und ging dabei sehr subtil, höchst raffiniert vor: Er liess sich nämlich ordnungsgemäss wählen, so recht nach demokratischen Spielregeln und (scheinbar) auch mit allergrösstem (wohl aber mehr geheuchelten) Respekt vor der Geschichte der USA, vor der Verfassung und „vor dem Gesetz“ (woran er sich dann während seiner Regentschaft allerdings kaum noch gehalten hat).

Und siehe da: Das Täuschungsmanöver, professionell eingefädelt und dramatisch inszeniert und über Twitter stündlich neue Lügen, Verdächtigungen und fake news in die Welt hinaus posaunend, dieses Manöver führte tatsächlich zum Erfolg. Und so flogen dem 45. US- Präsidenten quasi über Nacht die Herzen von Millionen Amerikanern aller Generationen und aller Geschlechter zu. Und die Bewunderung und die Liebe dieser von einem besseren Leben träumenden Jünger für ihren vom Himmel herab gestiegenen Heilsbringer nahmen gigantische, beängstigende, schliesslich dann sogar höchst bedrohliche Ausmasse an.

Donald Trump war das Kunststück gelungen, seinen ihm in Scharen zulaufenden Anhängern so glaubwürdig zu versichern, dass es nur ihm (und keinem anderen nach ihm) je gelingen wird, das bereits von seinen Vorgängern um seine Zukunft betrogene Amerika wieder ganz gross zu machen und jedem Amerikaner seinen Stolz, seine Identität und seine verlorene Würde zurück zu geben.

Nichts davon aber hat er eingelöst. Nicht Glück, nicht Wohlstand, nicht Frieden, nicht „Grösse“, nicht Würde und ein fester Glauben an eine glorreiche Zukunft und an nationale Einheit hat dieser Präsident seinem Volk beschert. Im Gegenteil: Er hinterlässt ein traumatisiertes, zwei geteiltes Volk, das sich hasserfüllt gegenüber steht (dieser Riss geht brutal durch Familien, durch gestandene Freundschaften und durch alle anderen Varianten von Lebensgemeinschaften) und bereit zu sein scheint, sich bis auf's Messer zu bekämpfen.

Das alles erfüllt den bewiesenen Tatbestand eines ungeheuren Verbrechens am gesamten amerikanischen Volk, wofür dieser Mann bestraft und zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Dieses Impeachment war also für die Demokraten nicht nur ein „logischer und formaler politischer Vorgang“, sondern geradezu eine moralische Verpflichtung, um das amerikanische Volk vor weiterem Schaden durch Trump zu zu bewahren. Das war ehrenwert und notwendig.

Und nun darf sich die Welt nur noch wundern über einen skandalösen Freispruch, der von einer längst dem Untergang geweihten Partei gefordert und kollektiv durchgepeitscht wurde. Wird das auch das Ende Amerikas und der Demokratie im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten sein?

Nein. So wie das gebeutelte Abendland (trotz diverser Krisen, Katastrophen und Kriegen) bisher nicht unter gegangen ist, so werden gewiss auch die in Aufruhr geratenen und von einem politischen Wüstling ins Chaos gestürzten Vereinigten Staaten von Amerika in absehbarer Zeit nicht untergehen.

Und dennoch sind in der sogenannten ältesten Demokratie der Neuzeit während der vierjährigen Amtszeit von Donald Trump und nach dem 2. Freispruch mindestens die Hälfe aller demokratischen Lichter erloschen und haben damit auch die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung in eine gigantische geistige Finsternis gehüllt, die sich gewiss nicht wieder so rasch verziehen wird.

Nun könnte man sich natürlich fragen, was schert es uns Europäer und den Rest der Welt, dass und wenn sich wahrscheinlich fünfzig Prozent aller wahlberechtigten Amerikaner (ein jeder von ihnen stets den Colt an seiner Seite griffbereit) dabei wohl zu fühlen scheint, sich von einem plötzlich aus dem Himmel und nur auf die amerikanische Erde gefallenen „Erlöser“ offenen Auges ins Verderben treiben zu lassen. In ein paar Jahren werden wir gewiss mehr wissen.

Bis dahin werde ich vielleicht vergessen haben, dass die Vereinigten Staaten von Amerika einmal von einem grössenwahnsinnigen Präsidenten regiert wurden, der glaubte ein Gott zu sein und in Wirklichkeit doch nur ein nach Macht gieriger Popans und ehrloser Lügenbold gewesen ist, den die Geschichte eines Tages im Papierkorb des Vergessens versenken wird. Und doch darf kein Mensch in dieser Welt glauben, dass der Trumpismus, diese ideologische Seuche, bereits morgen überwunden und keinen Schaden mehr anrichten kann. Böse Viren gedeihen nur allzu gern auf dem Humus aus Demagogie, aus Hetze, Fremden-Hass, aus permanenten Lügen und haben nun einmal die verhängnisvolle Eigenschaft, vor keiner nationalen, geistigen und emotionalen Grenze Halt zu machen, sie schleichen sich oft auch unbemerkt und ganz leise ins Bewusstsein, also in das Denken und in das Handeln nachfolgender Generationen ein. Also, liebe Leser, Achtung und aufgepasst.

Eine Frage aber muss ich abschliessend doch noch stellen: Amerika, es schaudert mich / und ich frage dich / du Land der Hoffnung vor langer Zeit / du sterbender Traum von Demokratie / vielleicht schon auf dem Weg zur Anarchie / einst so selbstbewusst, so stark, so gross / sag an, wohin gehst du / in welchen Abgrund torkelst du da bloss?

Axel Michael Sallowsky