Das Verbrechen muss aufgeklärt werden Mexiko: Vor neun Jahren verschwanden die 43 Studenten aus Ayotzinapa
Politik
Noch immer warten die Angehörigen auf Wahrheit und Gerechtigkeit. Auch neun Jahre nach dem gewaltsamen Verschwindenlassen von 43 Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa ist der Fall nicht vollständig aufgeklärt.


Erinnerung an die verschwundenen Student:innen. Foto: DMRKM / Tobias Lambert
Nach der Amtsübernahme von Andrés Manuel López Obrador Ende 2019 gab es Fortschritte bei der Aufarbeitung, die vor allem dem Druck der Familienangehörigen und Zivilgesellschaft zu verdanken sind. Die aktuelle Regierung setzte eine Wahrheitskommission ein und liess die internationale Expert*innengruppe (GIEI) der Interamerikanischen Menschenrechtskommission wieder ins Land.
Mit ihrer präzisen Arbeit widerlegte die GIEI eindeutig die von der Vorgängerregierung unter Enrique Peña Nieto als „historische Wahrheit“ deklarierte Version, die eine bewusst falsche Interpretation der Ereignisse durchsetzen wollte. Demnach soll das Drogenkartell „Guerreros Unidos“ die 43 Lehramtsstudenten lebend auf der Müllkippe von Cocula verbrannt haben. Auch fanden die Expert*innen deutliche Hinweise darauf, dass Armee und Sicherheitskräfte durch Überwachungsmassnahmen über den Standort und Verbleib der verschwundenen Studenten informiert waren.
Bisher wurden im Zusammenhang mit dem Verbrechen laut offiziellen Angaben 116 Personen verhaftet, darunter 14 Militärs. Doch ist es fraglich, ob der Fall vollständig aufgeklärt werden wird. Lediglich die Überreste von drei der Studenten konnten gefunden werden. Einiges deutet darauf hin, dass die Regierung vor Ablauf der aktuellen Präsidentschaft im kommenden Jahr aus politischen Gründen einen Schlussstrich ziehen will.
Die GIEI hat ihr Mandat Ende Juli 2023 beendet. In ihrem Abschlussbericht betont sie die Verantwortung des Militärs und weiterer staatlicher Institutionen. „Die Entscheidung der GIEI hat verdeutlicht, dass die Generalstaatsanwaltschaft und die Streitkräfte die Suche nach den Verschwundenen behindern”, sagt María Luisa Aguilar Rodríguez von der mexikanischen Menschenrechtsorganisation Centro Prodh. „Insbesondere das Militär verweigert nach wie vor die Herausgabe aller mit dem Fall zusammenhängenden Informationen.“ Abel Barrera vom Menschenrechtszentrum Tlachinollan aus dem Bundesstaat Guerrero fordert von der mexikanischen Regierung, den Abschlussbericht der GIEI ernst zu nehmen.
„Die mexikanische Armee muss den zivilen Behörden, die den Fall Ayotzinapa untersuchen, alle Informationen zur Verfügung stellt, die sie am Tag des Verschwindens der 43 Personen gesammelt hat. Die Angehörigen müssen erfahren, was genau passiert ist.“ Sowohl Tlachinollan als auch das Centro Prodh unterstützen die Angehörigen seit Jahren in ihrem Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit. Sie wurden dafür angefeindet und sogar staatlicherseits überwacht.
„Nicht zuletzt weil die Polizei in Iguala damals beim Angriff auf die Studenten nachweislich G-36-Gewehre der Firma Heckler & Koch verwendet hat, sollte sich auch die deutsche Politik für eine vollständige Aufklärung des Falls einsetzen“, erklärt Françoise Greve, die Koordinatorin der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko. „Damit derartige Verbrechen künftig nicht mehr passieren, muss die anhaltende Straflosigkeit beendet werden.“ Laut offiziellen Zahlen verzeichnet Mexiko heute mehr als 110.000 Verschwundene. Ayotzinapa gilt als einer der besonders emblematischen Fälle und steht stellvertretend für das Schicksal weiterer Verschwundener.
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