Das weltweite Finanzsystem Argentiniens Schulden, wieder einmal

Politik

Argentinien: Ärger in der Regierungskoalition wegen Abkommen mit dem IWF, Máximo Kirchner (FdT) ist zurückgetreten. Die FdT vertritt im Parlament die Regierungskoalition.

Máximo Kirchner (August 2016), Mitglied der Abgeordnetenkammer Argentiniens seit 2019.
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Máximo Kirchner (August 2016), Mitglied der Abgeordnetenkammer Argentiniens seit 2019. Foto: EMans (CC BY-SA 4.0 cropped)

25. Februar 2022
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„Kirchner gab seinen Rücktritt bekannt, nachdem Wirtschaftsminister Martín Guzmán ein neues Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) verkündet hatte. Er teile weder “die Verhandlungsstrategie” mit dem IWF noch ihre Ergebnisse, erklärte der 44-Jährige in einem Kommuniqué. Der Kongress muss der Übereinkunft mit dem IWF noch zustimmen. Es geht dabei um die Rückzahlung von 44 Milliarden US-Dollar. Argentinien wurde hierfür mehr Zeit eingeräumt. Als Gegenleistung darf der IWF vierteljährlich die Staatsfinanzen überprüfen, bevor es zu Zahlungen kommt. Das südamerikanische Land muss ausserdem sein Haushaltdefizit bis 2024 reduzieren und die Inflation, die bei 50 Prozent liegt, senken. Ausserdem verpflichtet sich Argentinien dazu, die staatlichen Energiesubventionen abzubauen. Letzteres könnte die privaten Haushalte besonders treffen.“ (Amerika21, 9.2.)

Konkret heisst das, dass die endgültige Lösung der Abwicklung dieses Kredits bis 2024 aufgeschoben wird. Bis dahin sind nur vergleichsweise geringfügige Summen an den IWF zu zahlen.

Man muss im Auge behalten, dass es hier nur um die Schulden geht, die zur Zeit der Regierung Macri mit dem IWF aufgelaufen sind. Hinter diesem Kredit steht im Halbdunkel die 3-4fache Summe, die bei privaten, vor allem US-Banken noch aussteht. Auch die ganze Rolle der argentinischen Altschuld ist unklar, die unter Néstor Kirchner mit Vergleichen abgewickelt, später durch das Urteil eines New Yorker Gerichts in Frage gestellt wurde und schliesslich unter Macri durch eine Einigung mit den Geier-Fonds wieder schlagend geworden ist. Es geht jedenfalls in Argentinien um viel mehr als die 44 Milliarden, die sind vergleichsweise harmlos.

Eine Einigung mit den privaten Banken setzt aber erst eine Einigung mit dem IWF, der sozusagen die Zahlungsfähigkeit Argentiniens garantiert, voraus. D.h., die wirklich grossen Brocken stehen noch aus, bevor der oben beschriebene „Deal“ überhaupt unter Dach und Fach ist.

Máximo Kirchner ereifert sich über die Kontrollmöglickeiten, die dem IWF in diesem Abkommen eingeräumt werden und sieht das als eine Verletzung der Souveränität Argentiniens.

Dazu muss man wissen, dass ein Teil der Politikermannschaft und Justiz Argentiniens die Kreditaufnahmen unter Macri sowieso als verfassungswidrig ansieht und Macri deswegen vor Gericht stellen will.

Das verkompliziert natürlich die ganzen Schuldenverhandlungen, weil das geht überhaupt ans Eingemachte der ganzen demokratischen Gepflogenheiten weltweit:

Darf eine Regierung ihrer Bevölkerung überhaupt eine solche Schuldenlast aufbürden, die der betreffende Staat nie und nimmer zurückzahlen kann?

Ob das Parlament diesem Vor-Abkommen überhaupt zustimmt, ist eine andere Frage. Dabei hat Martín Guzmán, der Finanzminister Argentiniens, seit 2 Jahren verhandelt, um überhaupt so weit zu kommen. Die ganze andere Schuld Argentiniens ist seit dem Amtsantritt von Alberto Fernández in der Schwebe, genauer genommen schon seit den Monaten vorher, da die Regierung Macri auch notgedrungen viele Zahlungen reduzierte, weil kein Geld mehr da war und er auch keinen Kredit mehr erhielt, als klar wurde, dass er die Wahlen verlieren wird.

Der Nachrichtenkanal France24 fragte 2 Ökonomen, einen Argentinier und eine für eine argentinische Universität tätige Spanierin, was dieses Abkommen denn bedeute? (Beide Befragten sind ganz eifrige Vertreter des Wirtschaftsliberalismus, also keine kritischen Geister gegenüber der finanziellen Weltordnung.)

Diana Mondino meinte, erstens sei die Abmachung noch gar nicht fix, zweitens schöbe sie das Problem nur in die nächste Legislaturperiode, wo dann entweder die gleiche oder eine andere Regierung sich damit auseinandersetzen müsse. Gabriel Rubinstein wies darauf hin, dass irgendeine Einigung besser sei als gar keine, da bis jetzt noch nicht klar sei, ob Argentinien überhaupt irgendwelche Kredite bedienen oder gar abzahlen würde, was jeden privaten Investor im In- und Ausland abschreckt.

Auf die Frage des Moderators, wie denn Argentinien aus den zyklisch wiederkehrenden Wirtschaftskrisen herauskommen und wieder zu alter Glorie auferstehen könnte, meinten beide durch die Blume: Auf absehbare Zeit auf jeden Fall nicht. Wachstum kann bei einer derzeitigen Schuldenlast nicht entstehen.

Mondino wies auch noch auf den Umstand hin, dass alle wirtschaftliche Tätigkeit mit hohen Abgaben – Steuern, Exportzöllen usw. – belastet sei, die die Akkumulation des Kapitals behindern bzw. verunmöglichen. Aber aus irgendetwas muss sich der Staatsapparat finanzieren, da Argentinien keinen Kredit mehr hat.

Deswegen hat jede Regierung irgendwelche ihr nahestehende Unternehmer, die diese Abgaben vermeiden und deshalb Gewinne machen können. Das regt natürlich die Unzufriedenheit derjenigen Eliten an, die es nicht in diesen „Inner Circle“ schaffen, und beflügelt die Korruptionsvorwürfe, die von den unterlegenen Kapitalfraktionen mit schriller Stimme vorgetragen werden.

In diesem Interview mit den beiden Ökonomen wird auch noch zur Sprache gebracht, dass Argentinien derzeit Kredite nur von Russland und China erhält, die in die Fisch- und Viehwirtschaft, die sonstige Landwirtschaft, den Bergbau und die Infrastruktur investiert werden und deren zukünftige Gewinne dann zur Rückzahlung der Kredite verwendet werden sollen.

Alle diese in Argentinien auftretenden Fragen stellen im Grunde die gesamte Kreditvergabe weltweit in Frage:

1. Die Rechtmässigkeit von staatlicher Kreditaufnahme überhaupt

2. Die Bedienung von IWF-Krediten

3. Die Bedienung der alten Schulden Argentiniens, die von den Gläubigern praktisch nicht mehr erzwungen werden kann, weil Argentinien sowieso zahlungsunfähig ist und daher nicht mehr mit weiterer Kreditverweigerung unter Druck gesetzt werden kann

4. Die Rolle des IWF als Garant der Kreditwürdigkeit eines Staates

Amelie Lanier