Influencerin in Uniform Frauen, Krieg und die Mutti aller Dinge

Politik

Es gibt ab und an zum Glück auch gute Nachrichten. Frauen können sich immer mehr und schneller selbst verwirklichen.

Kriegspropaganda im 1. Weltkrieg.
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Kriegspropaganda im 1. Weltkrieg. Foto: Howard Chandler Christy (PD)

23. September 2022
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Überraschung: Der Krieg, der „Vater aller Dinge“, macht es möglich – und diesem Kalauer flössen in gegenderten Zeiten ausgerechnet weibliche Verantwortungsträger wieder Leben ein.

So konnte Annalena Baerbock ihre schon im Wahlkampf geäusserten Träume von einem schönen wertebasierten Krieg unerwartet schnell wahrmachen und darf jetzt nicht nur die deutschen Kriegsziele verkünden („Russland ruinieren!“), sondern auch seine Dauer bestimmen („Dieser Krieg wird noch Jahre dauern“) und das Volk vor Kriegsmüdigkeit warnen.

Christine Lambrecht, Deutschlands bekannteste „Helikoptermutter“ (Titanic), wiederum hat dafür gesorgt, dass man beim Wort „helfen“ inzwischen nicht mehr an Brot für die Welt oder Entwicklungshilfe denkt, sondern an schwere Waffen, die allerdings trotz Hunderter Millionen Euros verdammt nochmal „immer noch“ auf sich warten lassen.

Oberfeldwebel Marie-Agnes („Die Frisur sitzt!“) Strack-Zimmermann freut sich über die längst überfällige Zeitenwende („Schändlich, dass dafür ein Krieg notwendig war“) und die 100 000 000 000 Euros für „unsere“ Wehrmacht. Einziger Wermutstropfen nach „jahrelanger deutscher Appeasement-Politik“ (in Serbien? in Afghanistan?) ist, dass der richtige Hass auf den Feind fehlt: „Was wir jetzt auch brauchen – das mag martialisch klingen –, ist ein Feindbild.“ – Das sagte die Düsseldorfer Katholikin im Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das ist ein offenes Wort über das, was an Lügen von der Presse erwartet wird. Und es mag martialisch klingen, ist aber vor allem überflüssig, weil bei den Kolleg_innen von Presse, Kultur und Wissenschaft längst in prima Händen.

Ursula von der Leyen hat den Wettbewerb um die schönere Stahlhelm-Frisur an Strack-Zimmermann vielleicht verloren, kann aber ansonsten noch mehr. Sie kann die Ukraine zum Beitrittskandidaten der EU machen, ihr aber auch harte Prüfungen ankündigen, „wenn der Krieg vorbei ist“. Sauer verdientes EU-Geld ist für sie in der kämpfenden Ukraine gut angelegt. Nicht zuletzt wird sie Putin beim G20 auf Bali „ins Gesicht sagen“, wie doof sie ihn findet. All diese tollen Leistungen von Frauen sind aber nichts, nada, zero gegen die von Tetyana Chubar, der „Nelkenprinzessin“.

„Die 24-Jährige, die als begeisterte TikTokerin auch im Feld Wert auf ein gepflegtes weibliches Aussehen legt, erlangte durch ein Video, in dem sie ihrem Kanonenschützen den Feuerbefehl gibt, in der ukrainischen Öffentlichkeit grosse Berühmtheit. Durch ihre Videos und ihre Erfolge – der von ihr geführten Panzercrew werden nicht weniger als die ,Neutralisierung von 15 wichtigen Zielen' zugeschrieben – avancierte die 24-Jährige, die sich nach dem Typ ihres Panzers auf TikTok ,__princeska_13_' (Prinzessin der Nelken) nennt (…) und in ihrer Heimat als ,Influencerin in Uniform' gilt, in der Ukraine zu einem Symbol für den Widerstand gegen die russische Invasion. (…) Aufgrund ihrer Verdienste im Krieg wurde Tetyana Chubar für eine militärische Auszeichnung – die Medaille ,Verteidiger des Vaterlandes' – vorgeschlagen.“ Das schreibt uns die Südtiroler Zeitung und die hat es direkt von der ukrainischen Armee.

Es ist wie in Grimms Märchen: Eine junge wunderschöne Prinzessin mit dem zauberhaften Namen Tetyana (nicht zu verwechseln mit dem russischen Namen Tatjana) kommandiert eine wilde Truppe mit Haubitzen. Und die putzen zusammen die böse Macht immer und immer wieder weg. Das weiss auch König-Präsident Selenskij und will die 24jährige Heldin ehren. Das Tolle ist, dass wir dieses Märchen der Frau mit den langen Wimpern und perfekten Fingernägeln überall verfolgen können, weil sie zum Glück Influencerin ist , die daher auch pausenlos influenct. Das Gute erkennt man übrigens daran, dass es schön ist. Das Böse dagegen ist stets hässlich. Das Gute ist neuerdings jung und weiblich. In diesem Fall auch blond, geschminkt, manikürt und schick uniformiert.

Was können deutsche Frauen da tun? Zum Glück für sie will Eva Högl, Wehrbeauftragte des Bundes (SPD), eine eventuelle Neuauflage der Wehrpflicht angesichts personeller Engpässe („Wir sollten es so lange wie möglich versuchen, über Freiwilligkeit zu gehen“) nicht hinnehmen, ohne dass Frauen in der Truppe verankert werden. Die alte Scheisse „galt ja nur für Männer“. Högl: „Da habe ich gesagt, deswegen nicht die alte Wehrpflicht, weil ich es heute gerne für junge Frauen und junge Männer oder auch mittelalte diskutieren würde.“ Wehrpflicht nur für Typen – das ist mit unserer sister Eva schlicht nicht zu machen.

Deutsche Frauen, junge wie „mittelalte“, machen so eventuell den nächsten Schritt vorwärts: Die oben kommandieren, die unten dürfen sich verheizen lassen. Mit oder ohne Maniküre.

Renate Dillmann