Zur Invasion der russischen Armee in die Ukraine Nach der Schlacht wird es keinerlei Landschaft geben

Politik

Es gibt eine angreifende Macht: die russische Armee. Auf beiden Seiten sind Interessen des grossen Kapitals im Spiel.

Wohnblock in Kiew, Walerij Lobanowskyj Avenue, 6-A nach dem Beschuss mit einer Rakete während des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022.
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Wohnblock in Kiew, Walerij Lobanowskyj Avenue, 6-A nach dem Beschuss mit einer Rakete während des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022. Foto: Kyivcity.gov.ua (CC BY 4.0 cropped)

7. März 2022
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Korrektur
ERSTENS.- Wer jetzt leidet – durch die Irrsinnigkeiten der einen und die hinterlistigen ökonomischen Berechnungen der anderen – das sind die Bevölkerungen Russlands und der Ukraine (und vielleicht bald die Bevölkerungen der näher oder weiter gelegenen Geographien). Als Zapatistas, die wir sind, unterstützen wir weder den einen noch den anderen Staat, sondern diejenigen, die – für das Leben – gegen das System kämpfen. Als die multinationale Invasion des Iraks, angeführt durch die US-amerikanische Armee, vor fast 19 Jahren [begann], gab es Mobilisierungen gegen diesen Krieg auf der ganzen Welt. Keine*r mit gesundem Menschenverstand dachte: Sich gegen den Krieg zu wenden, bedeute sich auf die Seite Sadam Husseins zu stellen. Jetzt gibt es eine ähnliche Situation, obzwar sie nicht gleich ist. Weder Selenskyj noch Putin. Stopp dem Krieg.

ZWEITENS.- Verschiedene Regierungen haben sich der einen oder der anderen Partei – aus wirtschaftlichem Kalkül – angeschlossen. Es gibt bei ihnen keinerlei humanistische Wertung. Für diese Regierungen und ihre »Ideologen« gibt es gute und schlechte Interventionen-Invasionen- Zerstörungen. Die guten sind die, die ihnen Nahestehende umsetzen; die schlechten stellen jene dar, die von ihren Gegnern durchgeführt werden. Der Applaus für Putins verbrecherische Begründung zur Rechtfertigung der militärischen Invasion in der Ukraine wird sich dann in ein Wehgeschrei verwandeln, wenn mit gleichen Worten die Invasion anderer Pueblos – deren Prozesse dem grossen Kapital nicht wohlgefallen – gerechtfertigt wird.

Sie werden in andere Geographien eindringen, um sie vor »Neonazi-Tyrannei« zu retten oder um benachbarten »Narco-Staaten« ein Ende zu bereiten. Sie werden dabei dieselben Worte Putins wiederholen: »Wir werden entnazifizieren« (oder etwas dem entsprechendes). Sie werden sich ausbreiten mit »Begründungen« über die »Gefahr für ihre Bevölkerungen«. Und somit [geschieht das] – wie uns unsere Compañeras in Russland sagen: »Die russischen Bomben, die Raketen und Kugeln richten sich gegen die ukrainischen Menschen; und sie fragen nicht nach deren politischer Meinung oder nach der Sprache, die gesprochen wird« – jedoch wird die »Nationalität« – der einen wie der anderen – geändert.

DRITTENS.- Die grossen Kapitale und ihre Regierungen des »Westens« hatten sich darin eingerichtet zu betrachten, wie die Situation sich verschlimmerte – und sogar dazu zu ermuntern. Dann – nachdem die Invasion bereits begann – haben sie darauf gewartet zu sehen, ob die Ukraine widersteht und stellten ihre Berechnungen an, was sich aus dem einen oder anderen Resultat herausziehen lassen könnte. Da die Ukraine widersteht, haben sie somit nun angefangen Rechnungsquittungen über »Hilfe« auszustellen, die erst später kassiert werden. Putin ist nicht der einzige, der überrascht ist, über den ukrainischen Widerstand.

Diejenigen, die diesen Krieg gewinnen werden, sind die grossen Waffen-Konzerne und die grossen Kapitale, die [jetzt] die Gelegenheit sehen, um Gebiete zu erobern, zu zerstören-wieder aufzubauen. Das heisst: neue Waren- und Konsument*innen-Märkte zu schaffen.

VIERTENS.- Anstatt auf das, was die Medien und die sozialen Netzwerke der jeweiligen Parteien verbreiten – die dies beide als »Nachrichten« präsentieren – oder anstatt auf die »Analysen« der plötzlich wuchernden Anzahl an geopolitischen Experten und Anhängern des Warschauer Paktes und der NATO zurückzugreifen – entschieden wir uns, diejenigen zu suchen und zu befragen, die sich wie wir [die zapatistischen Comunidades (1)] im Kampf für das Leben – innerhalb der Ukraine und Russlands – einsetzen.

Nach einigen Versuchen schaffte es die Comisión Sexta Zapatista, den Kontakt herzustellen zu unseren Vertrauten in Widerstand und Rebellion innerhalb der Geographien, die Russland und Ukraine genannt werden.

FÜNFTENS.- Kurz gesagt: Unsere Vertrauten, die ausserdem die Fahne des libertären A hochhalten, verbleiben entschlossen: im Widerstand – diejenigen, die sich im Donbass, in der Ukraine befinden – und in Rebellion – diejenigen, die sich in Russland auf den Strassen und auf dem Land bewegen und arbeiten. Es gibt in Russland Verhaftete und Verprügelte, weil sie gegen den Krieg protestieren. Es gibt in der Ukraine von der russischen Armee Ermordete.

Es verbindet, eint sie untereinander – wie es sie mit uns verbindet, eint – nicht nur das NEIN zum Krieg sondern auch die Ablehnung, sich Regierungen »anzuschliessen«, die ihre Leute unterdrücken. In Mitten der Verwirrung und des Chaos auf beiden Seiten halten sie ihre Überzeugungen aufrecht: ihr Kampf für die Freiheit, ihre Ablehnung von Grenzen und ihrer Nationalstaaten, die jeweiligen Unterdrückungen, die lediglich die Fahnen wechseln.

Unsere Verpflichtung ist es, sie entsprechend unserer Möglichkeiten zu unterstützen. Ein Wort, ein Bild, ein Lied, ein Tanz, eine erhobene Faust, eine Umarmung – sei es auch aus entfernten Geographien – stellen ebenfalls eine Unterstützung dar, die ihre Herzen ermutigen wird. Zu widerstehen bedeutet, nicht locker zu lassen, zu beharren – bedeutet, sich durchzusetzen, zu siegen. Unterstützen wir diese Vertrauten in ihrem Widerstand, das meint: in ihrem Kampf für das Leben. Wir schulden es ihnen und wir schulden es uns selbst.

SECHSTENS.- Wegen dem zuvor Gesagten rufen wir die Sexta Nacional und Internacional dazu auf – die, die es bisher noch nicht getan haben – entsprechend ihren Kalendern, Geographien und Modi gegen den Krieg zu demonstrieren – in Unterstützung der Russ*innen und Ukrainer*innen, die innerhalb ihrer Geographien für eine Welt in Freiheit kämpfen. Gleichfalls rufen wir dazu auf, den Widerstand in der Ukraine ökonomisch zu unterstützen – auf die entsprechenden Bankkonten, die sie uns zu gegebener Zeit übermitteln.

Die Comisión Sexta der EZLN wird ihrerseits das Ihrige tun, indem sie denjenigen, die in Russland und der Ukraine gegen den Krieg kämpfen, ein wenig Hilfe schicken wird. Auch wurde begonnen unsere Vertrauten in SLUMIL K AJXEMK OP zu kontaktieren, um einen ökonomischen Gemeinschaftsfonds – in Unterstützung derjenigen, die in der Ukraine widerstehen, zu schaffen. Ohne Falschheiten schreien wir heraus und rufen dazu auf, es herauszuschreien und zu fordern:

Russische Armee, raus aus der Ukraine

Der Krieg muss gestoppt werden. Wenn er anhält und – und wie zu erwarten ist – eskaliert – dann wird es vielleicht nicht Eine*n geben, die*der von der Landschaft nach der Schlacht berichten wird.

Aus den Bergen des Südosten Mexikos. Subcomandante Insurgente Moisés. SupGaleano. Comisión Sexta der EZLN. März 2022.

Anmerkungen der_die Übersetzer_in: (1) Hier steht im Original: »nosotras« [ein »Wir« im Femininum]. Wie aus einem früheren EZLNKommuniqué bekannt ist, verwenden die Zapatistas ein Femininum, wenn sie als »[las] Comunidades Zapatistas« sprechen.

Übersetzt von lisa-colectivo malíntzin.