Lachende Kinder in einem Flugzeug sollen das grausame, erbarmungslose Szenario beschönigen. In Text und Bild wird die systematische Deportationspraxis hier kindgerecht als harmloses Abenteuer vermittelt. Stets begegnen wir freundlichen Helfern und zuversichtlichen Kindern – wörtlich heisst es etwa: „Je mehr Du darüber weisst, desto besser bist Du auf diese grosse Veränderung in Deinem Leben vorbereitet.“ Sogar die UN-Kinderrechtskonvention wird zitiert: „Du sollst ja Deine Rechte kennen.“
In diesem verstörenden Farbenspiel der Verharmlosung sprechen die Broschüre-Texte von „Heimatland“, „Rückkehr“ und „Abenteuer“, nie aber von Abschiebung oder Zwang.
Repression und Gewalt in Zuckerwatte verpackt
Offiziell schreibt Frontex von „Rückkehr ins Herkunftsland“, kein Wort von Verschleppung oder gar Ausschaffung gegen den Willen von Betroffenen. In der Broschüre wird verklärend formuliert: „Für Dich und Deine Familie ist es im Moment nicht möglich, in diesem Land zu bleiben… Das bedeutet, dass Du in das Heimatland Deiner Familie zurückkehren musst.“In neurechten Diskursen würde man eher von Remigration sprechen. Hier wird die gewaltsame Abschiebung von europäischen Bürger:innen als interessantes Abenteuer verkauft, als würde es sich um einen von der EU gesponserten, aufregenden Familienausflug ins Disneyland von Paris handeln. Im Frontex-Kinderbuch wird diese bedingungslose Vertreibung als grosse Herausforderung präsentiert, die ja auch etwas Spannendes sein könne und viel Tolles und Neues bringen wird. So heisst es aus Rücksicht auf die Kinder: „Vielleicht freust Du Dich darauf, im Heimatland Deiner Familie Freunde und Familienangehörige zu treffen, und bist gespannt auf diese grosse Veränderung.“ Diese wohlfeile, absurde Rhetorik überspielt auf perfide Weise die gewaltsame Natur der systematischen Ausweisung.
Kinderfreundliche Beschönigung
Die Propaganda-Broschüre setzt auf kindgerechte Darstellungen und lustige Wortspiele. Illustration und Text sind geradezu grotesk kontrastreich: Etwa zeigt eine Zeichnung spielende Kinder am Flughafen vor Erwachsenen mit bunten Warnwesten – und der Text fragt dazu: „Welche Farbe wird die Weste wohl haben?“
Illustration aus der Frontex Broschüre "Mein Leitfaden zur Rückkehr".
Die Helfer am Flughafen sind freundliche, entgegenkommende Erwachsene mit (wahlweise blauen, roten oder gelben) Westen, deren Aufgabe stets als aktive Hilfestellung verkauft wird. Die strukturelle, staatlich angewandte Gewalt erscheint als komplett harmlos. Selbst die bedrohliche Szene, als der eigene Vater in Handschellen abgeführt wird, kommt lässig und locker kommentiert daher: „Möglicherweise siehst Du jemanden mit Handschellen. So sind er und die anderen sicher.“
Hier schwingt ein eiskalter, menschenverachtender Zynismus mit, der an Paradoxie wohl nur noch schwer zu überbieten ist. Staatliche Repression in Form der polizeilichen Fesselungsmethode wird als harmlose, alltägliche Normalität verkauft.
Diese infantile Verpackung soll als Hardcore-Pharmazeutikum dienen: Abschiebung wirkt wie ein buntes Spiel mit gutmütigen, wohlmeinenden Akteuren. Nach der Landung in der Heimat warten „leckere neue Süssigkeiten“ und „nette neue Lehrer“ – eine Kindheitsfantasie, die Realität und Traumata in den Hintergrund drängen soll.

Illustration aus der Frontex Broschüre "Mein Leitfaden zur Rückkehr".
EU-Pragmatismus und Traumata
Die EU versucht sich medienwirksam als wolwollend und familienfreundlich zu präsentieren, doch hier spielt sie bewusst mit vorgetäuschter Zärtlichkeit und unverblümtem Zwang gegenüber den schwächsten unserer Gesellschaft.Die UN-Kinderrechtskonvention wird zwar zitiert – doch kann sie die eiskalte, gnadenlose Logik staatlicher Gewalt nicht übertünchen. Die Broschüre inszeniert Abschiebung als pädagogisches Unterfangen, ganz im Sinne eines „Must-Read“-Kompendiums für Familien.
Tatsächlich aber wirft die Praxis, Jugendliche ohne eigene Wahl und gegen ihren Willen aus ihrem gewohnten Umfeld zu reissen, logischerweise schwere ethische Fragen auf. Die wortreiche Vorspiegelung von Chancen, Möglichkeiten und Freundlichkeit im Frontex Heft steht im krassen Widerspruch zur hässlichen Realität der längst zum Alltag gewordenen europäischen Ausschaffungspraxis.
Unzählige Abschiebungen an der EU-Aussengrenze, lange Haft und Familientrennung – all das wird in dieser Broschüre zu einer bunten Illusionsvorlage. Nach den pittoresk versprochenen Süssigkeiten bleibt nur ein beissend galliger Nachgeschmack zurück: Eine EU-Agentur, die vorgibt, Kinder zu schützen, verkauft ihnen in Wirklichkeit staatlichen Gewaltzwang als spannendes Abenteuer. Selten hat die Union ihre menschenverachtende, misanthropische Aussiedelungspraxis so makaber verpackt.