Der österreichisch-kanadische Milliardär und Politiker Frank Stronach Strohsacks Geisterstunde

Politik

Eines kann man heute wohl schon mit Sicherheit sagen: Das Team Stronach ist Vergangenheit, auch wenn es noch drei Jahre im österreichischen Parlament absitzen wird.

Der Industrielle Frank Stronach (links im Bild) am Sommerfest 2011 der SPÖ.
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Der Industrielle Frank Stronach (links im Bild) am Sommerfest 2011 der SPÖ. Foto: SPÖ Presse und Kommunikation (CC BY-SA 2.0 cropped)

8. September 2015
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Zu den kommenden Landtagswahlen in Wien und Oberösterreich wird man gar nicht erst antreten. Man hat weder geeignete Kandidaten noch Leute, die einen Wahlkampf tragen könnten. Das mediale Surplus, das Stronach 2013 mühelos in die Vertretungskörperschaften spülte, ist endgültig verbraucht. Man kann dort auch nicht mehr richtig was werden, wenn man nicht schon was geworden ist. Die Mandate sind besetzt und neue nicht in Reichweite. Gut dotierte Posten sind rar. Keine Karriere, nirgendwo. Die Sache ist over, auch wenn der Milliardär ohne mit einer Wimper zu zucken nach wie vor verkündet: „Das Team Stronach, das ist die Zukunft Österreichs“. Überzeugung ist der Superlativ des strikten Nonsens.

Fettnapf und Dreckfleck

Natürlich ist das völlig realitätsblindes Gerede, aber der Mann geht einfach davon aus: „Ich fühle mich begnadigt“ sagt er , obwohl er „begnadet“ meint. „Ich bin nicht gescheitert“, sagt da einer, obwohl von einem Fettnapf in die nächste Niederlage poltert. Kein Dreckfleck wird ausgelassen. Und stets neigt er, der von sich gern in dritter Person spricht, zu Verschwörungstheorien: „Der könnte gefährlich sein, der könnte das System ändern“, meint der da über sich selbst. Unter System versteht er die Bürokratie und die Gesetze, die Gewerkschaften und einen sozial aktiven Staat. Das mochte er nie leiden. Gewerkschaftsbeiträge verglich so einer schon mal mit „Schutzgeldzahlungen an die Mafia“.

Begonnen hatte es ganz fulminant. Da kaufte einer ein paar Abgeordnete der sterbenden Haider-Partei, etablierte ohne gewählt worden zu sein, einen Klub im Nationalrat. Stärkste Kraft wollte man werden und sogleich den Kanzler stellen. Keine Ansage, die nicht jenseits gewesen ist. Geworden sind es 2013 nur magere 5,7 Prozent. Heute sind von elf Abgeordneten gerade noch sieben übrig. Vier haben sich in zwei Etappen Richtung ÖVP verabschiedet. Verliert das Team noch drei Mandate, verliert es den Klubstatus. Mit Kathrin Nachbaur verliess nun sogar die ehemals engste Mitarbeiterin und Klubchefin seines Teams das sinkende Schiff. Stronach selbst spricht von einem „Säuberungsprozess“, von miesen Charakteren und sudert einmal mehr von irgendwelchen Werten. Es ist ein Geschwätz sondergleichen, das Problem ist bloss, dass es dem gemeinen Menschenverstand in vielen Punkten entspricht.

„Betrug!“, schreien nun die Stronach-Leute und wollen vor den Kadi ziehen. Wenn die Anwälte die Entflohenen auf Schadenersatz klagen, findet das Theater als zivilrechtliche Klage am Bezirksgericht sein lächerliches Nachspiel. Aber schliesslich erhält das Team nun über 300.000 Euro weniger an Klubförderung pro Jahr. Das tut weh. Stronach deutete ausserdem an, dass bei den Übertritten Geld im Spiel gewesen sein muss. Er, der es wohl wissen muss, weil es bei ihm nie um anderes gegangen ist, sagt: „Es geht immer irgendwie ums Geld!“

Der Unternehmer ist ein durch und durch autoritärer Knochen, ohne das auch nur eine Sekunde zu kaschieren. Der in der Öffentlichkeit durchaus geschätzte Hang zum Autoritären, entpuppt sich bei Stronach allerdings als Überhang. Der beratungsresistente Austro-Kanadier versteht es nicht und nicht zu dosieren. Dass da einiges schlecht ankommt, scheint ihm gar nicht zu dämmern. Einmal mehr überraschte er, als er im ORF-Sommergespräch die Todesstrafe (für bestimmte Delikte) nicht dezidiert ausschliessen wollte. Dafür verstieg sich das Haupt der antifemistischen Partei nun aber zu einer wahrhaft emanzipatorischen Aussage: „Frauen sind auch Menschen, wie wir.“

Reflexion ist seines nicht. In seiner absolut primitiven Weltsicht, konnte Franz Strohsack Partei und Firma nie unterscheiden. Das ist alles eins, nämlich seins und das hat zu spuren wie der Auspuff-Imperator es will. „Seine“, das ist sowieso ein besitzanzeigendes Fürwort. Geschäfte machen und Politik machen konnte Stronach nie auseinander halten. Das, was er Wirtschaft nennt, mag finanziell reüssieren (was schlimm genug ist), in der Politik erweisen sich die gleichen Methoden oder besser Machenschaften als untauglich, ja als entwürdigend und peinlich, was sie selbstredend auch in der Ökonomie sind. Dort sind verhaltensgestörte Auffälligkeiten freilich alles andere als ein Malus.

Naturstoned

Bewusstlos, aber absichtlich wird Politik zur Schmierkomödie. Da wird intrigiert und abserviert, dass es eine Freude ist. Gegeneinander, miteinander, durcheinander, immer wartend auf das Machtwort aus Übersee: Klubchefs werden abgesetzt, Spitzenkandidaten ausgetauscht, Vorstandsmitglieder rausgeworfen, ganze Landesorganisationen (wie vor einigen Wochen die oberösterreichische), einfach aufgelöst. Gegen die Stronach-Partei sind alle anderen politischen Formationen Horte der Seriosität. Dort erlebt der Obskurantismus seine bisher höchste Blüte in der Alpenregion. Wahrlich, es ist Politik im Zustand fortgeschrittener Weggetretenheit. Da ist einer wirklich naturstoned.

Aber auch die Umgebung glänzt in pomadisierter Anästhesie. Jetzt soll's erst richtig losgehen. Es gelte nunmehr Stronachs „geistige Revolution“ zu vollziehen, liess der nagelneue Klubchef Robert Lugar, einst Haider-Mann in FPÖ und BZÖ, wissen. Stronachs Stern ist erst im Steigen. Einige Sterne wird er schon noch reissen. Und tatsächlich, wie aufgezogen, redet sich da ein marktradikales Männlein durch das ORF-Sommergespräch als sei nun die Geisterstunde angebrochen. Nicht bloss deshalb muss sich die (ehemalige) Wählerschaft die Frage nach ihrer Intelligenz stellen lassen. Nur zu tun als sei man getäuscht worden, ist nicht zu akzeptieren. Da sind schon die Deppen unterwegs gewesen. Keine ernsthafte Analyse kommt ohne Wählerbeschimpfung aus.

Leichenvergiftung

Gewinner dieser Verwesung ist vorerst die Volkspartei. Vor allem deren Generalsekretär Reinhold Lopatka, ein Mini-Machiavelli der übelsten Sorte, hatte die Übertritte eingefädelt. Geradezu genüsslich wurde hier aktive Sterbehilfe geleistet. Gelingt es gar ein drittes Mal dem toten Team zwei Mandate zu entreissen, dann hat die ÖVP – so ganz en passant – die SPÖ als stärksten Klub des Nationalrats überholt. Ob der Volkspartei diese Art von Blutauffrischung gut tut, mag man bezweifeln, eher tippen wir auf eine Leichenvergiftung.

Einen fliegenden Koalitionswechsel zur FPÖ wird schon die FPÖ aus taktischen Überlegungen verhindern. Und keineswegs wird es nach der nächsten Wahl schwarz-blau, sondern wenn dann blau-schwarz geben, da anzunehmen ist, dass die Freiheitlichen die ÖVP locker überholen werden. Strache wird auch einen beträchtlichen Teil der Stronachschen Konkursmasse erben. Der Strohsack ist jedenfalls leer. Die Reihen lichten sich.

Ist Frank Stronach als Politiker am Ende? Aber nein doch, darüber ist er schon weit und längst und für alle Zukunft hinaus….

Franz Schandl
streifzuege.org