Einmal hat's noch gereicht Gemeinderatswahl: Wien hat gewählt

Politik

Wien hat gewählt. Die Sozialdemokraten haben noch einmal den ersten Platz verteidigt, die rot-grüne Koalition in der Stadt kann fortgesetzt werden. Doch die Rechten rücken scheinbar unaufhaltsam auf. Weit und breit ist keine erfolgversprechende Strategie gegen die FPÖ zu sehen.

Michael Häupl hat es mit seiner Sozialdemokratischen Partei in der Schlacht um Wien noch einmal geschafft.
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Michael Häupl hat es mit seiner Sozialdemokratischen Partei in der Schlacht um Wien noch einmal geschafft. Foto: Werner Faymann (CC BY-SA 2.0 cropped)

15. Oktober 2015
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Einige Tage vor den Wahlen in Wien hat mich ein nicht in Österreich lebender Freund gefragt, wie sich das so anfühlt hier angesichts des bevorstehenden FPÖ-Erdrutschsieges. Die Frage hat mich zunächst verwundert – immerhin ist man hierzulande an rechte Wahlerfolge schon so gewöhnt, dass man diese zwar mit Kopfschütteln, aber ohne Hysterie zur Kenntnis nimmt. Die – letztlich doch nicht eingetretene – Möglichkeit, dass die Blauen den ersten Platz in Wien übernehmen, war zwar ein etwas beunruhigender Gedanke, aber wie gesagt: man ist ja schon einiges gewohnt.

Die Regierungsbeteiligungen der FPÖ auf regionaler und Bundesebene haben zudem gezeigt, dass die Sache kompliziert ist, und mit den Blauen an der Macht im Wesentlichen dasselbe passiert IMG_6020wie ohne diese – nur eben etwas rascher und weniger schaumgebremst. Anders formuliert: Privatisierungspolitik, Sozialabbau, restriktive Asylpolitik – das alles und noch viel mehr setzen seit Jahr und Tag auch die anderen Parteien, allen voran SPÖ und ÖVP, fleissig um.

Und doch: es ist schon irgendwie seltsam in einer Stadt zu leben, in der an einem Wochenende Zehntausende gegen die herrschende Asylpolitik, für Menschlichkeit und „Refugees welcome“ auf die Strasse gehen und am nächsten Wochenende fast ein Drittel der Wahlberechtigten der Nachfolgepartei einer Organisation ehemaliger NSDAP-Mitglieder ihre Stimme gibt.

Die Hoffnung der hunderten AktivistInnen, die während der vergangenen Wochen auf den Bahnhöfen Wiens eine beeindruckende Hilfsstruktur aus dem Boden stampften, dass sich das Engagement auf die allgemeine Stimmung auswirken könnte, hat sich jedenfalls nicht erfüllt. Dies war allerdings bereits vor zwei Wochen deutlich geworden, als die FPÖ bei den Landtagswahlen im drittgrössten Bundesland Oberösterreich ebenfalls 30,36 Prozent der Stimmen einfuhr. In Wien bekamen die Rechten am Sonntag nun 31 Prozent und rückten damit näher an die um fünf Prozent geschmälerten Sozialdemokraten heran, die 39,5 Prozent erreichten. Dahinter liegen – ebenfalls mit leichten Verlusten – die Grünen mit 11,6 Prozent. Und irgendwo auf den hinteren Rängen tummeln sich die arg geschwächten Bürgerlichen von der ÖVP mit 9,2 Prozent, gefolgt von den schleimig-neoliberalen Neos mit 6,2 Prozent.

Wer soll diese Sozialdemokratie wählen?

Die Frage, die sich die Sozialdemokratie angesichts des voranschreitenden Einbrechens der FPÖ in ihre WählerInnenschichten, stellen muss ist nicht, weshalb immer weniger Menschen der SPÖ ihre Stimme geben, sondern weshalb es eigentlich immer noch so viele tun. In Wien hat SP-Bürgermeister Michael Häupl zwar versucht, sich im Wahlkampf ein etwas sozialdemokratischeres Image im traditionellen Sinn zu geben; insbesondere hat Häupl sich nicht auf die üblicherweise scheiternde Strategie von Rot und Schwarz herabgelassen, die Parolen der Freiheitlichen in abgeschwächter Form nachzuplappern. Dies hat wohl letztlich viele linksliberale WählerInnen veranlasst, diesmal SPÖ anzukreuzen. Häupls Verluste hielten sich somit nicht trotz, sondern wegen der „Flüchtlingsfrage“ in Grenzen. Diese hatte natürlich den Wahlkampf dominiert und das von Medien, Meinungsforschern, SPÖ und FPÖ herbeigeredete „Duell“ um Wien zwischen Bürgermeister Häupl und FP-Chef Heinz-Christian Strache inhaltlich bestimmt.

Hinter dieser Auseinandersetzung verschwanden nicht nur die anderen Parteien, sondern auch andere politische Inhalte. Insbesondere konnte von der SPÖ die unangenehme Frage verdrängt werden, weshalb sie in den traditionellen Arbeiterbezirken immer mehr an Boden verliert. Am Sonntag errang die FPÖ in Floridsdorf und Simmering, zwei frühere SP-Hochburgen, den ersten Platz. Dort, in den Aussenbezirken Wiens, leben die viel zitierten „einfachen Menschen“ –ArbeiterInnen und Arbeitslose, denen mit Appellen für Menschlichkeit weder Angst um ihre Arbeitsplätze, noch die Last steigender Mieten genommen wird. Diese können wohl kaum nachvollziehen, weshalb sich die Regierung im Rathaus gefühlte 90 Prozent der Zeit mit Fussgängerzonen befasst statt mit den Problemen und Sorgen des Alltags. Gelingt das nicht – und wenig deutet auf einen Richtungswechsel der SPÖ hin – dann bleibt nur die Hoffnung, dass sich die rechtsextremen Polit-Hanswürste der FPÖ durch Spaltung oder besoffenes Autofahren bei nächster Gelegenheit wieder selbst zerlegen.

Viele Wahlen wird die SPÖ jedenfalls mit Durchhalteparolen nicht mehr für sich entscheiden können. An der Basis ist das natürlich vielen klar – diverse Initiativen der vergangenen Monate zeigen das deutlich. Solange aber die neoliberal geschulten realitätsfernen Funktionäre eine Politik verfolgen, die mit jener des Bundeskoalitionspartners ÖVP völlig austauschbar ist, gibt es für immer weniger Menschen einen Grund sozialdemokratisch zu wählen.

Linkes Trauerspiel

Keinen Ursache für Heiterkeit gibt es auch für die wahlwerbenden Parteien und Gruppen links der SPÖ. Das Bündnis „Wien anders“, bestehend aus Piraten, KPÖ und unabhängigen KandidatInnen erzielte mit 1,1 Prozent ein ähnliches Ergebnis wie die KPÖ vor fünf Jahren. Damit ist ein weiteres „buntes“ Wahlbündnis mit fliegenden Fahnen gescheitert. Den Sinn und Zweck derartiger Gemeinschaftskandidaturen konnte bislang noch niemand schlüssig erklären. Auf Stadtebene kandidierte auch die Sozialistische Linkspartei und errang 0,19 Prozent; in einzelnen Teilen Wiens standen ausserdem die „Partei der Arbeit“ sowie die „Revolutionär-Kommunistische Organisation Befreiung“ für die Bezirksvertretungen zur Wahl. Die Ergebnisse sind allesamt enttäuschend und zeigen, dass die Atomisierung der kleinen Wiener Linken niemandem nutzt. Zudem sei bei manchen Kandidaturen die Frage gestattet, inwieweit derartige Minderheitenfeststellungen den Aufwand einer Teilnahme am Wahlspektakel wert sind.

Karl Schmal / lcm