UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

Ausländische Partisanen im französischen Widerstand: Francs-tireurs et partisans – Main d'œuvre immigrée (FTP-MOI)

9088

Résistance in Frankreich: Francs-tireurs et partisans – main d'œuvre immigrée (FTP-MOI) Ausländische Partisanen im französischen Widerstand

earth-europe-677583-70

Politik

Die Francs-tireurs et partisans – Main-d'œuvre immigrée (FTP-MOI) waren ein kommunistisch geprägter Widerstandsverbund, der sich überwiegend aus im Exil lebenden Arbeitern zusammensetzte.

Das Propagandaposter „Affiche rouge“ mit den Widerstanskämpfern der FTP-MOI, veröffentlicht 1944 von der nationalsozialistischen und französischen Polizei.
Mehr Artikel
Mehr Artikel
Bild vergrössern

Das Propagandaposter „Affiche rouge“ mit den Widerstanskämpfern der FTP-MOI, veröffentlicht 1944 von der nationalsozialistischen und französischen Polizei. Foto: Comité d'action antibolchevique (PD)

Datum 9. Juni 2025
3
0
Lesezeit4 min.
DruckenDrucken
KorrekturKorrektur
Ihre Mitglieder stammten aus Ländern unter faschistischer oder nationalsozialistischer Herrschaft – etwa Italien, Ungarn, Rumänien, Polen, Bulgarien, Griechenland oder Spanien. Viele von ihnen hatten in Frankreich Asyl gesucht, aber als Juden oder politische Flüchtlinge standen sie besonders im Fadenkreuz der Besatzungstruppen. In der FTP-MOI schlossen sie sich zusammen, um direkt gegen die deutschen Besatzer zu kämpfen; ihre vielfach kommunistische Weltanschauung verband sie in einem internationalistischen Anspruch.

Zu den bekanntesten Mitgliedern zählten etwa Marcel Rayman (ein jüdischer Pole), Thomas Elek (ein ungarischer Jude), Olga Bancic (eine rumänisch-jüdische Partisanin) und Celestino Alfonso (ein spanischer Republikaner). Auch der Dichter Missak Manouchian gehörte dazu: Geboren 1909 als Überlebender des Völkermordes an den Armeniern, war er in Frankreich sozialisiert und engagierte sich als kommunistischer Aktivist.

Missak Manouchian und seine Partisanengruppe

Im Sommer 1943 wurde Manouchian zum militärischen Leiter der Pariser FTP-MOI ernannt. Unter seinem Kommando operierte das nach ihm benannte „Réseau Manouchian“ mit äusserster Entschlossenheit. Historiker nennen sein Kommando gar eine der aktivsten Widerstandsgruppen überhaupt. Manouchian, ein charismatischer Dichter armenischer Herkunft, trat erst nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 – nach Ende des Hitler-Stalin-Paktes – offen zum gewaltsamen Widerstand an.

Er führte seine Kämpfer zu einer Serie Anschläge gegen die Besatzer. Dabei arbeitete er eng mit anderen Migranten zusammen: In seinen Trupps kämpften neben ihm etwa Boris Holban, der bereits vor ihm die Gruppe geführt hatte, sowie kommunistische Veteranen des spanischen Bürgerkriegs oder Deutsch-italienische Antifaschisten zusammen. Diese „Verschmelzung“ unterschiedlicher Nationalitäten in einer Einheit spiegelte bewusst die revolutionäre Internationalität ihrer marxistischen Überzeugungen wider.

Das Attentat auf SS-Standartenführer Julius Ritter

Der spektakulärste Anschlag der FTP-MOI ereignete sich am 28. September 1943 in Paris: Ein speziell zusammengestelltes Kommando unter Mitarbeit von Marcel Rayman, Celestino Alfonso und weiteren Kämpfern überfiel SS-Standartenführer Julius Ritter, den Repräsentanten von Fritz Sauckel für die Zwangsarbeit in Frankreich. Alfonso eröffnete das Feuer, verfehlte jedoch sein Ziel, und Ritter versuchte in sein Auto zu flüchten. In dem Moment stürzte sich Marcel Rayman auf den Verletzten und tötete ihn mit drei Kugeln. Erst nach der Tat erfuhr die Gruppe aus der Presse, dass ihr Opfer Julius Ritter war, der für die mobilisierten Arbeitskräfte (Service du travail obligatoire – STO) zuständig war. Die gezielte Eliminierung dieses hohen Nazi-Beamten schlug in Frankreich wie eine Bombe ein.

Repression und Hinrichtung der Manouchian-Gruppe

Die deutschen Besatzer reagierten auf den Tod Ritters mit blankem Entsetzen: Sie intensivierten die Jagd auf die FTP-MOI-Kämpfer und nutzten das Ereignis propagandistisch aus. Im Februar 1944 inszenierten sie einen Scheinprozess gegen 23 Mitglieder der Résau Manouchian (davon 22 Ausländer und eine Frau). Der Prozess fand vom 17. bis 21. Februar vor einem deutschen Militärtribunal statt. Nach nur 30 Minuten Beratung verhängte das Gericht über alle Angeklagten das Todesurteil ohne Möglichkeit der Berufung. Noch am 21. Februar 1944 wurden 22 der Verurteilten im Fort Mont-Valérien erschossen; die einzige Frau, Olga Bancic, wurde einige Monate später in Deutschland hingerichtet.

Als Propagandamassnahme entwarf die deutsche Polizei das berüchtigte „Affiche rouge“: ein grossformatiges Poster mit den Fotos und Namen der ten Teilneh-mer. Darauf wurden sie gezielt als „ausländische Terroristen“ denunziert. Der Plan ging jedoch nach hinten los – anstatt Angst zu schüren, machte die rote Anklage-Parole die Résistance-Gefangenen in der Pariser Bevölkerung bekannt und motivierte viele Franzosen zur Solidarität. Heute gelten Manouchian und seine Kameraden als Märtyrer des Widerstands gegen die Besatzung.

Die Nachkriegsgeschichtsschreibung würdigt die FTP-MOI als Beispiel für internationalen Antifaschismus: Die zumeist kommunistisch motivierten Emigranten kämpften nicht nur aus Pflichtgefühl, sondern oft auch aus existenzieller Verzweiflung gegen ihre Verfolger. „Für Aussenstehende sichtbar“, fasst eine Gedenkinstitution zusammen, „repräsentieren die Ausländer, die für Frankreich starben, genau das, wofür Mont-Valérien stand: das Haupt‐Exekutionsgelände von Ausländern, Juden und Kommunisten“. Die brutale Hinrichtung am 21. Februar 1944 und das deutsche Propagandaposter wurden letztlich zu Symbolen der Einheit und Opferbereitschaft im Kampf für die Befreiung Frankreichs.

anu