UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

Hofreiter vs. Scholz: mehr Führung, mehr Waffen! | Untergrund-Blättle

7007

Mehr Führung, mehr Waffen! Hofreiter vs. Scholz

Politik

Pluralistische Demokratie hat – wie jeder weiss – viele Vorteile gegenüber einer Diktatur mit „gleichgeschalteter“ Meinung.

Anton Hofreiter an der Radkonferenz, September 2019.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Anton Hofreiter an der Radkonferenz, September 2019. Foto: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (CC BY 2.0 cropped)

24. April 2022
5
0
4 min.
Drucken
Korrektur
Zum Beispiel ist dort eine freie Auseinandersetzung möglich. Selbst im Rahmen einer regierenden Koalition, wie sich gerade in der Bundesrepublik zeigt. Der Grünen-Politiker und Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestages kritisierte am 14. April in einem Interview mit „RTL Direkt“ den Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Vorwürfe sind schwerwiegend. „Wir verlieren massiv Ansehen“, sagt Hofreiter und meint alle Deutschen, denen es ja nicht egal sein kann, wie deren Staat in der Welt steht.

„Wir“ so Hofreiter, „müssen jetzt endlich anfangen, der Ukraine das zu liefern, was sie braucht, und das sind auch schwere Waffen“. Wir sind Deutschland und Deutsche müssen, was Deutschland will: Russland im Kampf um den Einfluss in der Ukraine und der Welt zurückdrängen. Die vom Kanzler versprochene „Zeitenwende“ trete nicht schnell genug ein! Dazu fällt dem Politiker der basisdemokratischen Partei ein: „Und da braucht‘s deutlich mehr Führung“.

„Wir“ – schon wieder „wir“ – „verlieren […] massiv Ansehen bei all unseren Nachbarn“, was „nicht nur ein Problem für die Menschen in der Ukraine“ ist, da deren Staat sie nicht gut genug gerüstet in den Krieg schicken kann, sondern auch „ein Problem für uns“.

Wenn Deutschland keine klare Unterstützung beim Zurückdrängen Russlands zeige, wird es nicht als Weltmacht ernst genommen – so die Sorge. Wenn andere Mächte schneller mit Rüstungsgütern zur Stelle sind, haben die womöglich auch mehr zu sagen bei der Gestaltung der Verhältnisse in der Region.

Allzu plural sind die Positionen innerhalb der Regierungskoalition am Ende aber trotz allem nicht. Grüne Kritiker und die Kritisierten sind sich einig, dass die Bundesrepublik alles Recht der Welt hat, ihre Interessen überall, auch und gerade in der Ukraine wahrzunehmen. Deutsches Kapital soll sich auch dort betätigen können, wo die russische Führung es nicht möchte. Um das durchzusetzen muss die Regierung sogar einzelne Unternehmen zeitweilig an den Geschäften mit Russland hindern. Wer als eine führende Macht anerkannt werden möchte, darf vor Drohungen nicht weichen und muss eigene Drohungen auch ernsthaft umsetzen.

Aus denselben Gründen erklärt die russische Führung ihren Staatsbürger:innen auch beständig: “wir“ – mal wieder ein „wir“! — „hatten keine andere Wahl“ als in die Ukraine einzumarschieren. Dies nennt Hofreiter wiederum „Vernichtungskrieg“ aus dem nur eine Konsequenz möglich sei, nämlich die Aufrüstung des ukrainischen Staates. Darauf arbeitet die Regierungskoalition ja sowieso schon hin. Die Meinungen gehen nur auseinander, wie viel Deutschland dafür an wirtschaftlichen Schaden im Kauf nehmen soll. Was gemacht werden darf und muss steht fest, die Diskussion entflammt sich an der Frage, wie es am besten umgesetzt wird.

Für die höchste Ämter qualifizieren sich diejenigen, die das gemeinsame Programm des Vorankommens auf Kosten anderer Staaten inklusive Schaden an deren Bevölkerung auch effektiv umsetzen können. Da ist Zimperlichkeit nicht angesagt. Da zeigen sich die Unterschiede zwischen dem autoritären Russland und dem pluralistischen Deutschland deutlich: die deutschen Politiker legen sich furchtlos mit dem Autoritäten an und verlangen von denen “mehr Führung”.

Von der unkollegialen Art von Hofreiters Kritik distanziert sich die Spitze seiner eigenen Partei zwar, die Forderung nach Lieferung schwerer Waffen teilt sie jedoch durchaus. Die Grünenspitze verweist darauf, dass die Bundesaussenministerin schon alles Mögliche tue um die ukrainische Kriegsführung mit solchem Gerät zu unterstützen. Hofreiters Versuch, sich mit seinem Drängeln auf Waffenlieferungen in der demokratischen Parteienkonkurrenz zu profilieren, kollidiert mit dem Bedürfnis Geschlossenheit in der Koalition zu demonstrieren.

Hofreiter hat für seine Attacke zudem just den Zeitpunkt ausgewählt, an dem der Kanzler zum Frontbesuch in Kiew weilt, während die Aussenministerin der Bundeswehr in Mali eine Visite abstattet. Dort kündigte sie an, den dortigen Auslandseinsatz zu beenden – weil die malische Regierung sich zu viel Freundschaft mit Russland erlaubt. Der Kampf gegen die russische Konkurrenz führt Deutschland inzwischen weltweit und auch in Afrika werden die Staaten vor die Wahl gestellt, ob sie bereit sind, die Folgen einer Kooperation mit Russland zu tragen. Der Einsatz von deutscher Militärmacht ist dabei genauso ein Druckmittel, wie deren Entzug. Alle Hände voll zu tun also für den deutsch-europäischen Imperialismus! Über das „wie“ kann dabei ganz demokratisch gestritten werden.

Alexander Amethystow

Mehr zum Thema...
Marder der Bundeswehr an der ILÜ 2012.
Deutsche Schützenpanzer für die UkraineZögert Scholz bei Waffenlieferungen für Ukraine, um weitere Eskalation zu verhindern?

08.06.2022

- In Anbetracht der Rhetorik der deutschen Führung und insbesondere von Kanzler Olaf Scholz steht Berlin wegen der russischen Intervention in der Ukraine fest an der Seite Kiews.

mehr...
Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch mit dem US-Aussenminister Anthony Blinken in Berlin, Januar 2022.
Sicherheitsforderungen aus MoskauDeutsche Friedensbemühungen inmitten der antirussischen Hysterie um Ukraine

03.02.2022

- Im Zusammenhang mit den von Russland an die USA und NATO übermittelten Vorschlägen über Sicherheitsgarantien steht die Ukraine-Krise unlängst an der Spitze einer hysterischen Informationskampagne, bei der seit Wochen ein russischer Angriff auf die ehemalige Sowjetrepublik heraufbeschworen wird.

mehr...
" ... wow, wir stehen nicht nur auf den Schultern von Joschka Fischer, sondern auch auf denen unserer Grossväter." [...]

19.07.2022 - Russland führt einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, "der Westen" liefert Waffen an die Ukraine und führt einen Wirtschaftskrieg gegen Russland. Das Ziel: Ruinierung und militärische Niederlage Russlands.

Russische Aggression in der Strasse von Kertsch und die Reaktion der deutschen Politiker und Journalisten

18.12.2018 - Als die russische Marine die Strasse von Kertsch sperrte, 3 ukrainische Schiffe angriff und die Besatzungen (teils schwer verwundet) festnahm, bewiesen die deutschen Journalisten und Politiker wie skurrill ihre Wahrnehmung der Nachfolgeländer der Sowjetunion ist.

Dossier: Ukraine
Reporteros Tercerainformacion
Propaganda
Kapitalismus und Schaden

Aktueller Termin in Leipzig

Dokumentarfilm: DER RHEIN FLIESST INS MITTELMEER

Dokumentarfilm: DER RHEIN FLIESST INS MITTELMEER

Mittwoch, 31. Mai 2023 - 21:30 Uhr

cinémathèque, Karl-Liebknecht-Str. 48, 04275 Leipzig

Event in Berlin

The Distillers

Donnerstag, 1. Juni 2023
- 18:30 -

Zitadelle Spandau

Am Juliusturm 64

13599 Berlin

Mehr auf UB online...

IG Metall-Vorsitzender Jörg Hofmann im Gespräch mit Beschäftigten bei FORD in Köln, Mai 2015
Vorheriger Artikel

Gewerkschaftliche Perspektive

Erster Mai 2023 – wie Ostern oder Heilig Abend!?

Blockade der Letzten Generation am 19. Mai 2023.
Nächster Artikel

Flut von Anzeigen

Letzte Generation: Razzia für den Untergang

Untergrund-Blättle