Deutschland ist nicht erst seit Thüringen in Europas rechter Mitte angekommen Die rechtsnationalistische Konstellation

Politik

Auffällig an den Ereignissen in Thüringen ist, dass der Antikommunismus die bürgerlichen Mitte Deutschlands noch immer stärker prägt als der Antifaschismus.

Kundgebung unter dem Motto „Kein Schritt nach rechts – #nichtmituns!“ gegen die Kooperation von FDP und CDU mit der AfD in Thüringen und für den Rücktritt des Thüringer Ministerpräsidenten Kemmerich am 8. Februar 2020 auf dem Platz der Republik.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Kundgebung unter dem Motto „Kein Schritt nach rechts – #nichtmituns!“ gegen die Kooperation von FDP und CDU mit der AfD in Thüringen und für den Rücktritt des Thüringer Ministerpräsidenten Kemmerich am 8. Februar 2020 auf dem Platz der Republik. Foto: Leonhard Lenz (CC0 - PD)

4. März 2020
3
1
4 min.
Drucken
Korrektur
Letzterer wirkte stets etwas aufgesetzt, ersterer hingegen substanziell, d.h. er gehört zum Wesen dieser Formationen. Nur so ist es erklärlich, dass sich FDP und CDU fast blindwütig von der AfD vorführen lassen konnten. Der Coup, der ihr eigener hätte sein sollen, war ihnen völlig entglitten.

Es war jedoch davon auszugehen, dass solch ein Tabubruch sich früher oder später ereignen wird. Dass er gerade in Thüringen passieren sollte, wo die Nazifratze nicht bloss Akzent oder Pose dieser rechtsrechten Partei ist, sondern das Profil des Landesverbands darstellt, ist doch etwas überraschend. Aber beim Kommunistenfressen ist alles erlaubt, dachte man sich. Das Publikum wird es schon goutieren. Der Antikommunismus trifft zwar auf keine Kommunisten mehr, aber alleine, dass man wieder einmal die Linkspartei düpieren konnte, lässt innerlich beben. Da hat er aber geschaut, der Ramelow.

Nun, Deutschland ist in Europas rechter Mitte angekommen. Rechtspopulistische Gruppierungen mit faschistischer Schlagseite haben Saison, mag es da auch konjunkturelle Einbrüche wie in Österreich geben. Diese Realität gilt es zu erkennen ohne sie als Normalität anzuerkennen. Die rechtsnationalistische Konstellation ist alles andere als ausgestanden. Erschreckend ist freilich der fragile Zustand der etablierten Kräfte, denken wir nur aktuell an die Flucht von Annegret Kramp-Karrenbauer. Die alten Volksparteien zerbröckeln, sofern sie nicht selbst die populistische Karte zücken.

In Österreich ist die FPÖ weniger Normalität geworden als immer schon Normalität gewesen. Bereits in den Neunzehnhundertfünzigerjahren wollte die ÖVP mit der FPÖ (seinerzeit nichts anderes als ein Sammelbecken von Nazis) koalieren, was allerdings der damalige Bundespräsident Theodor Körner, ein Sozialdemokrat, verhinderte. Der erste, der auf Bundesebene eine formale Allianz mit den Freiheitlichen schloss, war Bruno Kreisky, nachdem er 1983 seine absolute Mehrheit verloren hatte. Da befand sich die FPÖ gerade in einer liberalen Phase, sie war in diesen Jahren (wie ihre einstige Schwesterpartei, die FDP) sogar Mitglied der Liberalen Internationale, aus der die FPÖ erst 1993, da schon unter Jörg Haider, gedrängt wurde. Die konservative Österreichische Volkspartei wiederum koalierte auf Bundesebene bereits zweimal mit den Freiheitlichen, 2000-2006 unter Wolfgang Schüssel und von 2017-2019 unter Sebastian Kurz.

In Österreich gibt es in einigen Bundesländern übrigens gar keine Möglichkeit die FPÖ von öffentlichen Ämtern fernzuhalten. Ein Proporzsystem beteiligt alle im Landtag vertretenen Parteien ab einer gewissen Grösse an der Landesregierung, egal ob es zu einer faktischen Koalition kommt oder nicht. So gibt es etwa im grössten Flächenland Niederösterreich zwar eine absolute ÖVP-Mehrheit, trotzdem ist die SPÖ mit zwei Sitzen und die Freiheitlichen mit einem Sitz in der Landesregierung vertreten. Das ist mitunter bequem.

Was Bernd Höcke betrifft, müsste man wohl einräumen, dass er heute in der FPÖ ausgeschlossen werden würde, während er vor einigen Jahren dort durchaus seinen renommierten Platz gehabt hätte. Es gibt zwar noch unzählige Kellernazis in der FPÖ, aber es gibt keinen organisierten völkischen Flügel. Der Deutschnationalismus der Freiheitlichen wurde inzwischen weitgehend durch einen rot-weiss-roten Patriotismus ersetzt. Insofern ist die Rede Norbert Hofers, des neuen Parteivorsitzenden, dass die FPÖ eine normale rechtskonservative Partei ist, nicht einfach als Finte von der Hand zu weisen. Vergessen werden soll dabei aber nicht, dass gezielte ultrarechte Provokationen in der FPÖ jahrelang auf der Tagesordnung gestanden sind. Und auch heute zeigt ein „Einzelfall“ nach dem anderen, woher das Reservoir der Funktionäre sich speist, auch wenn die Parteispitzen Nazisprüche nicht mehr tolerieren geschweige denn unterstützen.

Die FPÖ ist neuerdings strikt auf Reputation bedacht. Hätte sie nicht ihren Klubobmann Herbert Kickl, müsste man sogar feststellen, dass sie an Beisshemmung leidet. Am meisten trauern sie den Regierungsämtern und den Futtertrögen nach, und es ist schon erstaunlich wie devot sie sich verhalten und sich immer wieder penetrant an Sebastian Kurz anbiedern. Man kann nicht sagen, dass das nicht zusammenpasst. Ohne den Ibiza-Skandal wäre schwarz-blau noch immer in Amt und Würden, da braucht man sich nichts vorzumachen. Für die ÖVP hat der Umstieg zu den Grünen einen Machtzuwachs gebracht, aber bisher keinen Richtungswechsel ausgelöst. Mitte-Rechts geht scheinbar auch mit der Ökopartei.

Franz Schandl
streifzuege.org