Porträt eines österreichischen Milliardärs Das Benko-Netzwerk

Politik

19. Februar 2020

Berlin will Weltstadt sein, und da muss aufgewertet werden. Am Neuköllner Hermannplatz steht ein besonders prestigeträchtiges Grossprojekt an, der Umbau des Karstadt-Kaufhauses.

Das Warenhaus Karstadt am Hermannplatz, Hasenheide 1-6 (links), in Berlin-Kreuzberg. Die Fassade am Hermannplatz befindet sich genau auf der Grenze zum Ortsteil Berlin-Neukölln.
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Das Warenhaus Karstadt am Hermannplatz, Hasenheide 1-6 (links), in Berlin-Kreuzberg. Die Fassade am Hermannplatz befindet sich genau auf der Grenze zum Ortsteil Berlin-Neukölln. Foto: Jörg Zägel™ (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

19. Februar 2020
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Was das bedeutet ist klar: Gentrifizierung, Mietsteigerung, Verdrängung. In diesem Fall ist aber auch besonders interessant, wer hinter diesem Projekt steht: Der österreichische Milliardär René Benko. Dessen Vita hat es in sich. Unser Autor Ahmad Gharibi über den österreichischen Grossinvestor und seine Verbindungen.

Seit nun mehr als einem Jahr versucht die Signa-Holding des Immobilienmoguls René Benko die Berliner Öffentlichkeit vom Abriss und Neubau des Karstadt-Gebäude am Hermannplatz zu überzeugen. Der Platz gehört zum Bezirk Neukölln, das Gebäude selber steht in Friedrichshain-Kreuzberg. Im Mai 2019 stellte Signa ihren Plan vor dem Stadtentwicklungsausschuss von Friedrichshain-Kreuzberg vor und erhielt drei Monate später eine deutliche Ablehnung. Anfänglich noch recht öffentlichkeitsscheu, änderte Signa daraufhin ihre Strategie und startete eine breit angelegte PR-Kampagne.

Mit Unterstützung der Beratungsfirma Joschka Fischer & Company – ja, DER Joschka Fischer – lenkt der Konzern die Diskussion seitdem auf Themen wie urban gardening, den Bau von Sozialwohnungen und eines „multikulturellen” Ärztehauses sowie der notwendigen Verkehrswende am Hermannplatz. Gleichzeitig werden gezielt lokale Akteur*innen wie z.B. die Hilfsorganisation Karuna e.V. oder der Initiator des Berliner Fahrradvolksentscheides Heinrich Strössenreuther in die Öffentlichkeitsarbeit einbezogen. Signa schafft es vermehrt, über diese vermeintlich nachhaltig-sozialen Projekte Stimmen für ihren Plan zu gewinnen und so eine Debatte über ihre langfristigen Ziele zu verhindern.

Bezeichnend ist dabei, dass sowohl andere Vorhaben und Beteiligungen von Signa, als auch René Benkos Vorgeschichte und geschäftliches Umfeld in der öffentlichen Diskussion kaum bis gar nicht thematisiert werden. In Anbetracht der stadtpolitischen Bedeutung des Hermannplatzes ist ein Blick auf diese Aspekte aber notwendig, um Signas Vorgehen im Kontext ihrer unternehmerischen Gesamtstrategie einordnen zu können.

Die Signa-Holding

Im Jahr 2000 gegründet, ist die Signa-Holding mittlerweile dergrösste private Immobilienkonzern Österreichs, mit unzähligen Tochterunternehmen, Privatstiftungen und einer in Delaware angemeldeten Briefkastenfirma. Signa ist jedoch schon lange kein reiner Immobilienkonzern mehr. Seit 2013 existieren zwei getrennte Kerngeschäftsbereiche unter den Namen Signa Real Estate (Immobilien) und Signa Retail (Handel). Die Immobiliensparte verwaltet einen Bruttovermögenswert von 19 Milliarden Euro und gehört zu den aggressivsten Akteur*innen beim Aufkauf und der „Aufwertung” von innerstädtischen Immobilien. Signa plant in dutzenden Städten Bauprojekte in zentralen Lagen und will bei den allermeisten die bestehenden Gebäude abreissen und neue errichten. Unter anderem baut die Firma momentan in Wien ein zweites KaDeWe, in Hamburg den Elbtower und in Berlin den Stream-Tower für Zalando.

Die Handelssparte hat ca. 45.000 Beschäftigte, ist in 20 Ländern aktiv, erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von 7,2 Milliarden Euro und ist in Deutschland durch die Übernahme von Galeria Kaufhof und Karstadt bekannt geworden. In letzter Zeit investiert die Signa Retail vermehrt in Firmen aus teils sehr unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen. Die Spanne reicht vom Logistikunternehmen Fiege-X-Log über den Vertreiber von Luxuskonsumgütern Eataly bis hin zum Reiseanbieter Thomas Cook. Zusammen mit der Investition in das Immobilienanalyse-Start-Up realxdata, dem Kauf des Online-Marktplatzes Hood.de und der Kooperation mit Amazon wird das langfristige Ziel von Signa deutlich:Der Konzern ist dabei, analogen und digitalen Handel inklusive eigener Distributionswege zu kombinieren und so einen „Marktplatz der Zukunft“ zu entwickeln. „So entsteht eine einzigartige Möglichkeit für stationäre als auch reine Online-Konzepte, gemeinsam mit Karstadt Warenhaus das innerstädtische Flächenangebot bedarfsorientiert zu nutzen und somit noch näher am Kunden zu sein”, so der Vorstandsvorsitzende der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH, Stephan Fanderl.

In Wolfsburg ist die Signa Real Estate dabei schon einen Schritt weiter. Denn sie baut in enger Kooperation mit VW nicht nur ein Gebäude, sondern das gesamte Stadtviertel Nordkopf zu einem Marktplatz um. Konzerne sind dort dann nicht nur näher bei ihren Kund*innen, sondern Menschen leben als Kund*innen von Konzernen in „Mischquartieren mit flexibler Nutzung, in denen Angebote für Wohnen, Arbeiten und Leben verschmelzen [und] die funktionale Trennung von Standorten nach Nutzungsarten an Bedeutung verliert”, wie es in einer Projektbeschreibung des Konzerns heisst.

Letztendlich bedeutet das, dass die Trennung von Wohnort und Arbeitsplatz, von Freizeit und Arbeit, von privatem und öffentlichem Raum komplett aufgehoben wird. Die Stadt wird endgültig zur Fabrik, in der jede Interaktion, jeder Gegenstand und jeder Raum von den Verwertungsinteressen der Konzerne bestimmt und diesen unterworfen sind.

Der Firmengründer

Der Kopf hinter diesen Entwicklungen ist der 42-jährige René Benko aus Innsbruck. Aus bürgerlichen Verhältnissen stammend, gehört er mittlerweile mit geschätzten fünf Milliarden Euro Vermögen zu den reichsten Menschen der Welt. Neben seiner Betätigung im Immobilien- und Handelssektor, hält Benko je 25% an der Kronen Zeitung und dem Kurier – zwei einflussreichen Boulevardzeitungen in Österreich – und gilt als einer der einflussreichsten Menschen in Österreich. Er begann Anfang der 2000er Geld zu machen, indem er Dachböden in Innenstädten renovierte und anschliessend weiterverkaufte.

Federführend machte er Signa mit dieser Geschäftslogik immer grösser, nur dass er bald vom Handel mit Dachböden zu Hotels, Ärztehäusern und ganzen Einkaufszentren wechselte. Im Juni 2013 zog sich Benko urplötzlich aus der operativen Führung der Signa-Holding zurück und wurde Vorsitzender des eher informellen Beirats. Nach eigenen Angaben stand das in keinem Zusammenhang zu einem Gerichtsverfahren, das kurz zuvor gegen ihn aufgrund eines Korruptionsverdachtes eröffnet worden war.

„Musterfall von Korruption”

Italienische Fahnder*innen hatten im Zuge anderer Ermittlungen eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem ehemaligen Premier von Kroatien Ivo Sanader und Benkos Steuerberater aus dem Jahre 2009 gefunden. In dieser steht Medienberichten zufolge, das Sanader 150.000 Euro erhält, sollte ein in Italien anhängiges Steuerverfahren zu einem „positiven Ende“ komme. Als die besagte Vereinbarung geschlossen wurde, war der gebürtige Mailänder Silvio Berlusconi Ministerpräsident in Italien. Er war zu der Zeit der wohl einflussreichste Mensch der Stadt, in verschiedenste Korruptionsaffären verwickelt und wurde selber 2013 wegen Steuerbetruges verurteilt.

Allerdings kam es anscheinend nie zu der Zahlung an Sanader und auch das Verfahren in Italien gegen die Signa-Tochter läuft nicht im Sinne der Firma. Das Dokument aber reichte als Beweis, um 2012 ein Verfahren gegen Benko und seinen Berater zu eröffnen. Die Richterin Marion Zöllner spricht in erster Instanz von einem „Musterfall an Korruption” und verurteilt beide zu einem Jahr Haft auf Bewährung. Benkos Anwälte legen Einspruch ein und werden dabei öffentlich unterstützt vom Generalanwalt der Generalprokuratur Harald Eisenmenger. Dieser war zumindest zeitweise Burschenschaftler der Aldania Wien und Ex-Mitglied der extrem rechten Vereinigung Corps Arminia Turicensis. Schlussendlich wird das Urteil jedoch 2014 in letzter Instanz vom Obersten Gerichtshof in Wien bestätigt und René Benko ist von da an rechtskräftig wegen Korruption vorbestraft.

Benko und die Politik

Benkos damaliger Steuerberater und einer seiner Anwälte im Verfahren sind wiederum sehr aufschlussreich in Bezug auf sein politisches Umfeld in Österreich. Sein Steuerberater Michael Passer war von 1989-1993 für die FPÖ Vizebürgermeister in Innsbruck, Benkos Geburtsort und die Stadt, in der er sein erstes grosses Kaufhausprojekt umgesetzt hatte. Passer und Sanader wiederum kennen sich schon aus Innsbrucker Zeiten, beide waren dort an der Führung eines lokalen Unternehmens beteiligt. Des weiteren war Passer von 1995-2011 mit Susanne Riess verheiratet, die von 2000-2003 in der ersten ÖVP/FPÖ-Regierung Vize-Kanzlerin und Bundesparteiobfrau der FPÖ war. Sie ist mittlerweile Vorstandsvorsitzende der Wüstenrot Bausparkassen- und Versicherungsgruppe und sitzt im Beirat von Signa.

Zufälligerweise war Benkos zeitweiser Anwalt, Dieter Böhmdorfer, unter derselben Regierung wie Riess Justizminister. Böhmdorfer war langjähriger Anwalt des ehemaligen FPÖ-Obmannes Jörg Haider und wie dieser während des Studiums in der Wiener Burschenschaft Silvania. Das letzte Mal in der Öffentlichkeit war Böhmdorfer, als er die FPÖ bei der Anfechtung der Präsidentschaftswahl 2016 vertrat. Zu alledem wird im Mai 2019 das “Ibiza-Video” veröffentlicht, in dem Heinz-Christian Strache im Sommer 2017 behauptet, dass Benko über illegale Konstrukte Geld an die FPÖ gespendet hat. Unmittelbar vor der anstehenden Veröffentlichung des Skandal-Videos hat Strache Benko angerufen.

Diese vielen Verbindungen zur FPÖ bedeuten aber nicht, dass seine Beziehungen zu anderen Parteien minder eng wären. Der ehemalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer von der SPÖ sitzt im Beirat von Signa und ist einer der ersten einflussreichen Unterstützer*innen von Benko. Und wenn Benko alljährlich zum Empfang in sein Nobelhotel Park Hyatt Wien einlädt, gibt sich das who-is-who der österreichischen Politik und Wirtschaft die Klinke in die Hand.

Ein besonderes enges Verhältnis scheint Benko zu Kanzler Sebastian Kurz von der ÖVP zu haben. Ende 2017 ist der Möbelhändler Kika-Leiner kurzfristig gezwungen, eine Luxusimmobilie in der Mariahilfer Strasse in Wien zu verkaufen. Aus verschiedenen Gründen musste der Kauf bis zu einer gewissen Frist abgewickelt werden, nur waren in Österreich gerade Weihnachtsferien und die zuständigen Behörden geschlossen. Kanzler Kurz liess das zuständige Bezirksgericht aufschliessen, beorderte die leitenden Beamt*innen aus dem Urlaub zurück und ermöglichte so die fristgerechte Abwicklung des Geschäfts zugunsten von Signa. Ein Regierungssprecher kommentierte: „Der Zugang der Bundesregierung ist, eine serviceorientierte Verwaltung anzubieten. Das gilt insbesondere für Bürgerinnen und Bürger und natürlich auch für Unternehmen, wenn es um die Rettung von heimischen Arbeitsplätzen geht.” Signa kaufte im darauffolgenden Jahr die Möbelhauskette komplett auf und entliess jeden Fünften der knapp 6000 Mitarbeiter*innen.

Diamanten, Geldwäsche und Krieg

Auch bei Regierungsreisen von Sebastian Kurz sitzt Benko gelegentlich mit im Flugzeug und am Verhandlungstisch. Im Mai 2018 und im März 2019 fliegen sie gemeinsam in die Vereinigten Arabischen Emirate zu Gesprächen mit Mohammed Bin Zayed. Dieser ist Kronprinz von Abu Dhabi, Oberbefehlshaber der Streitkräfte, in den blutigen Jemen-Krieg verwickelt und mutmasslicher Geldgeber von Milizen im Irak und Syrien. Nach dem ersten Besuch schrieb Signa auf Twitter, dass man „die Gelegenheit für Gespräche u.a. mit dem Staatsfond Mubadala” genutzt habe. Dem Staatsfond von Abu Dhabi gehört die Falcon Private Bank, die wiederum bis 2016 die zweitgrösste Gesellschafter*in der Signa-Holding war. Die Familie Benko Privatstiftung kaufte der Bank alle Anteile ab, nachdem deren Verwicklung in einen Geldwäschering öffentlich wurde. Der sogenannte 1MDB-Skandal ist ein Paradebeispiel für organisierte Wirtschaftskriminalität mit globalem Ausmass, in den Regierungsmitglieder aus vor allem Malaysia, internationale Finanzinstitutionen und Beraterfirmen verwickelt waren.

Die vielleicht schillerndste Figur rund um René Benko ist Beny Steinmetz. Er ist durch den Handel mit Diamanten aus Angola reich geworden und weltweit aktiv im Minengeschäft. Aus den Panama Papers wird ersichtlich, dass sein Konzern über die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca an dutzenden Briefkastenfirmen beteiligt war. Über dieses Netzwerk bezahlte Steinmetz, so die Vorwürfe, politische Entscheidungsträger*innen, um so z.B. in Guinea während der Herrschaft Lansana Contés an lukrative Aufträge zu kommen. Auch aufgrund dieser Vorfälle laufen gegen ihn in mehreren Staaten Ermittlungen wegen Korruption, Urkundenfälschung, Geldwäsche und Bestechung. Es ist unklar, ob er noch in irgendeiner Form an Signa beteiligt ist; sicher ist aber, dass er einer der wichtigsten Geldgeber Benkos während dessen Einstieg bei Karstadt war. Als die Ermittlungen öffentlich bekannt wurden, kaufte Signa Steinmetzs Anteile auf. Beim dafür notwendigen Geld half zum damaligen Zeitpunkt die Falcon Private Bank.

(K)ein gern gesehener Gast

Auch in Anbetracht dieser Informationen hat sich im Juni 2019 die „Initiative Hermannplatz – karSTADT ERHALTEN” gebildet. Die Anwohner*innen aus Kreuzberg und Neukölln lehnen das Projekt, den Konzern und seinen Gründer grundsätzlich ab. Mittlerweile unterstützen mehr als 30 stadtpolitische Gruppen die Initiative und mobilisieren gemeinsam umliegende Bewohner*innen und Gewerbetreibende gegen die Pläne von Signa.

Und wie stehen lokale Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Medien zu Benko und Signa? Die Journalist*in Nina Kugler schreibt für die Morgenpost Artikel über das Projekt und moderierte die Eröffnung von Signas „Dialog-Cafe” im Oktober 2019. Die IHK lud Benko zu ihrem wirtschaftspolitischen Frühstück im November ein und war voll des Lobes für den „Ausnahme-Unternehmer“. Berlins Bürgermeister Michael Müller findet man könne eine dreistellige Millioneninvestition nicht einfach absagen und posierte im Dezember im KaDeWe mit Benko vor der Kamera. Und der Bezirksstadtrat für Bauen in Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt, der die Pläne letztes Jahr noch abgelehnt hatte, prüft mittlerweile wie ein Dialog zwischen Signa, „Expert*innen” und Anwohner*innen ermöglicht werden kann.

Besonders eifrige Unterstützer*innen von Signa sind die Neuköllner SPD und ihr Bezirksbürgermeister Martin Hikel. Die Partei forderte den Senat auf, das Projekt an sich zu ziehen. Für Hikel „passt es zum aufstrebenden Nord-Neukölln” und er sieht darin „eine Chance für den Bezirk”. Zu wem es dementsprechend im Umkehrschluss nicht passt, sind unter anderen die (post-)migrantischen Anwohner*innen und Gewerbetreibenden im Kiez. Welche Chance Hikel ihnen gibt, veranschaulicht er sehr deutlich im aktuellen Kampf gegen „Clan-Kriminalität”: Hier nämlich lässt er hunderte von Beamten mit Kevlar-Weste und Maschinengewehr im Anschlag unversteuertem Tabak und Kohlenmonoxid-Werten in Shisha-Bars hinterherjagen.

Ahmad Gharibi
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