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Redebeitrag auf der Demonstration gegen den Ausbau der Autobahn A5

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Redebeitrag auf der Demonstration gegen den Ausbau der Autobahn A5 Alle Menschen sind gleich!

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Politik

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Geschwisterlichkeit begegnen.“ – so heisst es in Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948.

Bundesautobahn A5 bei Frankfurt am Main.
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Bundesautobahn A5 bei Frankfurt am Main. Foto: Marek Ślusarczyk (Tupungato) (CC-BY 3.0 unported - cropped)

Datum 23. Mai 2025
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Die Art und Weise, wie in unserem Land und weltweit gewirtschaftet, geplant, gebaut, gefahren und auch regiert wird, steht faktisch immer wieder im menschenverachtenden Widerspruch zu diesem Ziel. Würden wirklich alle Menschen aufgrund ihrer Gleichheit weltweit den gleichen Zugang zu Ressourcen und Energie beanspruchen können, dann wäre schon vor Wochen der bundesdeutsche Anteil für das laufende Jahr verbraucht. Für Deutschland basiert das natürlich auf einem Durchschnittswert, dessen Anteile auch in diesem Land massiv ungleich verteilt sind: wenige fliegen im Privatjet nach Sylt, die viele kommen ständig unpünktlich wegen des bröckelnden Zustands der Bahn.

Wir stehen heute hier, weil wir einen vernünftigen und an der Gleichheit aller Menschen orientierten Umgang mit Ressourcen, Energie und allen kostbaren natürlichen Grundlagen menschlichen Lebens der Erde wollen – was das gerade Gegenteil einer an Profitmaximierung orientierten Wirtschaft ist. Wir stehen hier, weil wir uns hier vor Ort vehement und lautstark gegen den irrsinnigen Plan eines zehnspurigen Ausbaus der Autobahn A5 von Friedberg bis zum Frankfurter Kreuz wehren. Und nicht nur gegen den zehnspurigen Ausbau, sondern gegen jeden!

Dafür wollten wir heute auf der Autobahn A5, auf der Europabrücke, unter dem Motto „Musizieren statt Betonieren“ aktiv werden. Das Ordnungsamt der Stadt Frankfurt untersagte uns das. Die – so wörtlich – Hauptschlagader Deutschlands, die A5, wegen unseres Anliegens für drei Stunden zu sperren sei ein unzumutbares Sicherheitsrisiko.

Wir haben unseren Aktionstag nicht zufällig gewählt. Morgen vor 90 Jahren protestierten die Antifaschisten Ludwig Gehm und seine Genossen gegen die feierliche Eröffnung der ersten Autobahn in Deutschland durch Hitler. Sie störten die geplante Nazi-Show durch in der Nacht vor der Eröffnung aufgemalte mit Graffiti „Fort mit Hitler“, „Hitler ist Krieg“ auf der funkelnagelneuen Fahrbahn sowie mit der erfolgreichen Sabotage der Lautsprecheranlage, über die Hitler sich an die sogenannte Volksgemeinschaft wenden wollte. Auch diesen Widerstand wollten wir auf der Autobahn, unweit des historischen Schauplatzes, feiern. Auch das wurde uns untersagt. Flüssiger Verkehr ist wichtiger.
Warum wohl? Die Beantwortung dieser Frage führt uns vom damaligen 19. Mai 1935 zum heutigen Tag. 1933, zum Zeitpunkt, als der Autobahnbau am 23. September begonnen wurde, hatte gerade mal ein einziges Prozent der Deutschen ein Auto. Und für sie wurden in der Nazizeit 4000 Kilometer Autobahn geplant und gebaut? Sicher nicht wegen des dringenden Mobilitätsbedarfs. Die Hitler-Faschisten bedankten sich damit bei den Bauunternehmen und stampften den VW-Konzern aus dem Boden – letzteren nicht zuletzt mit dem beschlagnahmten Geld der bereits verbotenen Gewerkschaften.

Deutsche Autobahnen wurden nie entnazifiziert und es sind nachweislich dieselben Bauunternehmen und dieselben, als „das Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ belobhudelten Auto-Konzerne, die damals und heute von solchen Vorhaben profitieren.

Dazu passt: es ist exakt der Bau- und der Verkehrssektor, die unter Bruch des geltenden Rechts den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes, seitdem es existiert, Jahr für Jahr nicht genügen und damit für sie völlig folgenlos die Klimaschutzziele sabotieren, die dieses Land sich völkerrechtlich verbindlich gegeben hat.

Es waren die sogenannten „Kraft durch Freude – Autos“ von VW, die wenige Jahre nach 1935 an die Front des Zweiten Weltkriegs rollten – Ludwig Gehm und seine Freunde hatten die Wahrheit auf die Autobahn gemalt. Und heute? Es ist VW und es sind andere Auto-Konzerne, die heute auf Rüstungsproduktion umstellen – und es sind hessische Autobahnen, die belegbar auch militärischen Zwecken dienen sollen.

Das sind die Kontinuitäten, gegen die wir alle uns stellen müssen, ob wir wollen oder nicht, mit denen wir alle rechnen müssen, wenn wir uns für eine am Frieden mit der Natur und unter den Völkern orientierte Lebensweise samt entsprechender Formen der Mobilität stark machen wollen. Das Konzept des Motorisierten Individualverkehrs darf keine Zukunft haben, wenn wir und unsere Kinder und Enkel leben wollen. So klar stellt sich die Alternative!

Dafür stehen wir hier – und heute auch zur Verteidigung von Grundrechten und Demokratie. Wir sind nicht allein - wir grüssen solidarisch alle, die an diesem Wochenende in anderen Städten dezentral für eine umfassende Verkehrswende zu Tausenden auf die Strasse gehen.

Und ich gehe davon aus: das war nicht unser letzter Versuch! Es wird immer weiter Veranstaltungen, Demos, Kundgebungen, Aktionen entlang der Ausbaustrecke der A5 geben – und auch Anmeldungen zu Demos auf der A5. Eines Tages kommen wir damit durch! Lasst uns jeden Ausbau der A5 gemeinsam verhindern!

Deshalb - über alle Widersprüche auch unter uns hinweg: hakt euch unter – seid dabei!

Kein Ausbau der A5
für wirksamen Klimaschutz,
für eine umfassende Mobilitätswende
für das Recht auf Versammlungsfreiheit –
für Frieden mit der Natur und zwischen den Völkern!
Alle Menschen sind frei und gleich - Think global, act local!

Hans Christoph Stoodt