Der Gebrauch des Begriffs „Nafri“ Zur „Nafri“-Debatte: Danke, Kölner Polizei!
Politik
Wie ein Nordafikaner aussieht, das weiss man in Köln. Und dass er grundsätzlich verlogen, brutal und gierig ist, auch.


Sicherheitsmobil der Polizei auf dem Bahnhofvorplatz in Köln. Foto: © Raimond Spekking (CC BY-SA 4.0 cropped)
Was ist das, ein „Nafri“? Google wirft zu dem Terminus einige ältere Zeitungsartikel aus. Die meisten entstanden Anfang 2016 und verweisen auf eine interne Seite der Kölner Polizei. Dort existiere ein „Analyseprojekt Nafri“. Springers Bild liegen diese mit „nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Dokumente natürlich vor, und die Postille schlachtete sie als besonders geheime Beweise für die Bösartigkeit nordafrikanischer Jungmänner genüsslich aus: „Polizeiintern heissen sie ‚Nafris‘. Es sind kriminelle Banden, vorwiegend junge Männer aus nordafrikanischen Staaten, die als Intensivstraftäter nicht nur in Köln, sondern bundes- und europaweit zuschlagen.“
„Nafri“-Staaten sind dem Papier zufolge: Ägypten, Marokko, Algerien, Libanon, Lybien, Syrien und Tunesien. Das Polizei-Papier zeichnet ein Bild des „Nafris“, das einen erschaudern lässt: Er ist verlogen, hinterhältig, grundsätzlich bewaffnet und gewalttätig – weshalb den Beamten empfohlen wird, ganz besonders auf „Eigensicherung“ zu achten, wo so ein „Nafri“ im Spiel ist. Und als ob das nicht reiche, erschwindelt sich der „Nafri“ noch dazu Sozialleistungen.
Der Gebrauch des Begriffs „Nafri“ durch die Polizei spiegelt wider: Für die deutschen Behörden sind die Bezeichnungen „Nordafrikaner“ und „nordafrikanischer Intensivtäter“ synonym. Bis zum Beweis seiner Unschuld gilt einer, der „augenscheinlich“ aus einem der genannten Länder kommt, als Schuldiger. Vorgegangen wird hier – das erklärte der Sprecher der Kölner Polizei gestern, nachdem Kritik am kollektiven Festhalten von „Nafris“ aufkam – so: Wer „phänotypische Merkmale“ aufweist, die zu einnem „Nafri“ passen, wird erst einmal verdachtsunabhängig aufgehalten, hinter Hamburger Gitter verfrachtet und umfassend kontrolliert. Fragt man nach, welches solche Merkmale denn sind, gibt der Sprecher der Kölner Polizei zu Protokoll: „Wie ein Nordafrikaner grundsätzlich aussieht, das weiss man.“
Die Sprache der Kölner Polizei verrät ihre Denke: Nordafrikaner und Intensivtäter ist schlichtweg ein- und dasselbe. Der Nordafrikaner ist der „Nafri“ und der ist Intensivtäter. Immer. Was hier gemacht wird, ist mehr, als die – für sich schon dumme – Behauptung, die Cops könnten aufgrund des „Aussehens“ erkennen, wer aus Nordafrika kommt. Vielmehr wird gesagt: Der Nordafrikaner als Nordafrikaner hat bestimmte gemeingefährliche Eigenschaften.
Dass die Polizei so vorgeht, ist indessen nichts Neues. Wer in der Nähe von Kriminalitätsschwerpunktgebieten wohnt, weiss das. Wenn hier jemand, der „augenscheinlich“ schwarz ist, aufgegriffen wird, wird er von martialisch auftretenden Cops umrundet, angeschrien und durchsucht. Hat er auch nur kleine Mengen Gras dabei, geht's ab in die Zelle, Gerichte und Ausländerbehörde übernehmen. Als weisser Tourist aus den USA oder Bayern oder sonstwoher kannst du dir dagegen auf dem Wagendach des Einsatzfahrzeugs eine Line Koks legen und es interessiert in Berlin keinen noch so ehrgeizigen Fahnder.
Wer mit dem Bus oder der Bahn innereuropäische Grenzen überquert und „augenscheinlich“ kein blond-blauäugiger Nicht-„Nafri“ ist, kennt dasselbe Phänomen: Desinteressiert geht die Bundespolizei an den Deutschen vorbei, sieht den phänotypisch erkennbaren Fremdling und schwupps ist die Personenkontrolle unvermeidbar.
Oder du willst zur Ubahn. Aber es gab gerade einen Terroranschlag. Und du heisst Naveed B. und nicht Frank Henkel oder Karl-Heinz Irgendwas. Dann sitzt du 20 Stunden in der Einzelzelle, wirst misshandelt und von der Presse als Massenmörder vorverurteilt. Die Beispiele liessen sich endlos ergänzen. Unleugbar ist: Rassistische Kategorisierungen gehören zur Ermittlungspraxis deutscher Polizeibehörden wie die Pickelhaube zum ordentlichen Preussen.
Die Kölner Polizei hat nun nichts anderes getan, als ihre alltägliche Praxis ganz offen und ohne Schnörkel als das auszusprechen, was sie ist: Rassismus. Dafür wäre ihr eigentlich zu danken. Denn das hätte der Beginn einer Debatte sein können, die sich gegen diese Form der Diskriminierung wendet. Ob eine solche allerdings entsteht, ist mehr als zweifelhaft. Denn ein nicht kleiner Teil der Bevölkerung im Deutschland des Jahres 2017 scheint schon wieder so weit zu sein, Rassismus gutzuheissen, wenn er der Gesundheit des Volkskörpers nützt.
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