Sie melden, gutachterlich qualifiziert, Verstösse an die zuständige Untere Naturschutzbehörde (UNB) mit der Bitte um einen Vor-Ort-Termin zur sachlichen Klärung (das Beteiligungsverfahren kennt Gremien und Formate zur Erörterung der Konfliktfelder zum Interessensausgleich). Der Naturschutz und ökologische Fragestellungen bieten sich an, mitzumoderieren. Die Behörde kennt Ihre Arbeit. Sie waren schon öfter im öffentlichen Interesse des Naturschutzes aktiv im Stadtraum und im Bezirk gegen die Zerstörung der Lebensräume von Habitaten für Hausbrüter wie beim geplanten Baulos Rathaus Kreuzberg, dem Mehringdamm und dem Postgiroamt.
Der Reihe nach!
Das Bündnis Stadtnatur in K(reuzberg) 61 (BüStnak61) arbeitet seit 2020 zu ökologischen und naturschutzrechtlichen Fragen auf dem sogenannten „Dragonerareal“ in Kreuzberg und ist Mitbegründer der AG Artenschutz bei Bauvorhaben des Berliner Umweltverbandes „NaturFreude Berlin“. Seine Expertise floss in das sich als modellhaft und mit Transparenz und durch zivilgesellschaftliches Engagement auszeichnend beschriebene Beteiligungsverfahren Rathausblock mit ein. Es beteiligte sich mit Infoständen und Redebeiträgen an verschiedenen Foren. Sie arbeitet mit in der AG Ökologie und Nachhaltigkeit im Beteiligungsverfahren. Es ist Co-Autor einer qualifizierten und detaillierten Kartierung der Brutvögel am Dragonerareal. Die Kartierung wurde beim Forum Rathausblock im Juli 2021 öffentlich präsentiert und hoch gelobt, bei den Verfahrensträgern eingereicht und so Bestandteil der Arbeitsunterlagen im Bauprozess.Aktuelle Abrissarbeiten
Das Baufeld Süd wurde denkmalschützerisch begutachtet und gesichert, zwischenzeitlich jedoch beräumt. Die Baubrache liegt direkt vor dem Kiezraum, einem nachbarschaftlichen und stadtpolitischen Nutzungsraum, der und nach längeren finanziell aufwändigen Bauarbeiten jetzt stadtpolitischer Begegnungsort und Initiativen-Treff geworden ist; er würde sich nunmehr anbieten zu einer ökologisch wertvollen Nutzung als „Blumenwiese“ in der Zwischennutzung. Das Baufeld Mitte – West grenzt an das Grundstück der Anwohnerin und ornithologischen Expertin im Artenschutz. Seit Ende Dezember 2023 gibt es fachliche begründete Schriftwechsel mit den Zuständigen und Entscheidern im Beteiligungsverfahren und tatkräftiger Expertise der NaturFreunde Berlin.Die sachverhaltlichen Einlassungen im Verlauf der Abrissmassnahmen wurden nötig, da aktuelle artenschutzrechtliche Verstösse festgestellt, dokumentiert und an die zuständige Naturschutzbehörde wie immer an die Verantwortlichen im Bauprozess zur Kenntnis, gemeldet wurden. Die Vor-Ort-Termine als Chance und Instrument im postulierten Beteiligungsverfahren zu nutzen, hätte sich angeboten. Alle diesbezüglichen Mühen aber erwiesen sich als vergeblich. Es gab keinerlei Antworten oder Kontaktaufnahmeversuche.
Dringlichkeit
Als Mitte Mai erneut Verstösse gegen das Bundesnaturschutzgesetz festgestellt wurden, versuchte es die Anwohnerin aufgrund der Dringlichkeit mit einem direkten telefonischen Klärungsversuch bei der ausführenden Abriss-Firma.Es ging dabei um Arbeiten an einer Mauer zum Nachbargrundstück, einem grossen Knöterich- Habitat, seit Jahren gewachsen und Brutstätte seltener Vogelarten, die naturschutzrechtlich nicht sachgemäss ausgeführt worden waren und Gegenstand des Ziel- und Interessenkonflikts. Unsachgemässe Vorgehensweise der Abrissfirma warf Fragen bezüglich der potentiellen Einkürzung der Pflanze auf (Verstoss gegen § 44 BnatSchG, Abs. 2), das Störungsverbot (Verstoss gegen § 44 BnatschG, Abs. 3) betreffend sowie die planerisch zu berücksichtigende Fluchtdistanz (5m) bei Haussperlingen. Eskalation des Konfliktes
Anstatt eines Lösungsangebotes gab es für die Anwohnerin und Artenschutzexpertin beim Telefonat bereits „nicht unerhebliche Schadensersatzforderungen, sollte es zu Verzögerungen im Abrissablauf kommen“. Sie verwies die Firma auf die Ordnungswidrigkeiten bei Nichtbeachtung des Bundesnaturschutzgesetzes (§ 44 BnatSchG) und rief die Polizei.
Die gerufenen Beamten versuchten, UNB und ökologische Baubegleitung zwecks juristischer und sachlicher Einordnung zu erreichen. Beide waren nicht erreichbar. (Ein Schuss geradezu in Ofen in der Sache Artenschutz!)
Sachzwänge versus Naturschutz
Statt Konfliktmanagement wenige Tage später ging bei der Anwohnerin die Schadenersatz- androhung durch die Anwälte der Abrissfirma ein. Im Kern mit der Argumentations- und Denkfigur:„(...) die Behörde hätte längst eingegriffen, wenn eine Ordnungswidrigkeit vorläge, deshalb lägen wohl auch keine Verstösse vor.“ Zuständigkeiten nicht verlässlich geklärt! Das Bündnis Stadtnatur in K(reuzberg) 61 findet es beschämend, dass Anwohner mit Sachkompetenz zivilrechtlich belangt werden. Statt Konfliktmanagement: Erklimmen der nächsten Eskalationsstufe.
Enpowerment ade!
Zu unserem Leidwesen mussten wir feststellen: o Anstatt Potentiale und Ressourcen der beteiligten Anwohner (citizen science) vor Ort zu nutzen, um die Konfliktfelder zu identifizieren und Vorkommnisse zu beheben, o anstatt ambitionierte Artenschutzkonzepte zu entwickeln und dem Namen Modellprojekt gerechtzuwerden, o sowie vor Ort Termine zur direkten Klärung der artenschutzrechtlichen Verstösse zu arrangieren und zu deeskalieren wurde das Faktische bagatellisiert oder gar nicht erst zur Kenntnis genommen, interessengeleitet die rechtlichen Grundlagen offensichtlich mit Nichtbeachtung behandelt und das Verursacherprinzip mit der Klageandrohung durch den Bauträger, dem Land Berlin, auf den Kopf gestellt.Ein „Beteiligungskrieg“ im Modellprojekt mit „willigen Vollstreckern“? Die in der Stellungnahme aufgeworfenen Fragen lassen uns zu der Bewertung kommen, dass o Bürgerkompetenz offensichtlich als „unerwünschte Kontrolle“ gewertet wird, o das Beteiligungsverfahren von der Strategie „Privatinteresse vor Sachlösung“ bestimmt wird, o die Bereitstellung professioneller Konfliktlösungstrategien im Handlungskonzept offenbar nicht vorgesehen sind und o der Artenschutz im Modellprojekt Rathausblock als Störfaktor betrachtet und über die zivilrechtliche Schiene mundtot gemacht werden soll. Die Kosten wären bei den zur Verfügung stehenden geldlichen Ressourcen von mehren Millionen Euro für das städtebauliche Erneuerungsgebiet „peanuts“ gewesen.
Unsere Haltung: Nein, nicht so!
Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft sehen die Sachzwänge bei der Planung und die eigenen Interessenlagen, nicht aber die Potentiale des Konfliktmanagements als Chance und Lernfeld. Die Akteneinsicht wird zur vorläufigen Bewertung auf der Basis unseres jetzigen Kenntnisstandes beitragen. Berücksichtigung und Einbeziehung von Anwohnerexpertisen, inklusive des erstellten faunistischen Gutachtens und der hierzu vorgeschlagenen Ausgleichskonzepte stünden dem vermeintlichen Modellprojekt als vertrauensbildende Massnahmen gut zu Gesicht. Die Rücknahme der Zivilklage mit sachlich kompetenter Einlassung der Beteiligten wäre eine „Wiedergutmachung“, die das Vertrauensverhältnis stärken und zur Rehabilitierung der Anwohnerbeteiligung beitragen könnten.Erste Stellungnahmen aus den informellen Nutzertreffen haben uns erreicht. Unsere Bewertung: „Nichthandeln“ der UNB, als „Falsche Behauptung“, lapidar abgetan mit der Empfehlung, „dies den Fachleuten zu überlassen“.Wir sind Experten und werden in Frage gestellt, was offenbar eigeninteressensgeleitet und selbstrechtfertigend und nicht lösungsorientiert sich darstellt. Abschätzige Haltung dem Engagement der Anwohner gegenüber
Die Begriffe „Ignoranz und Willkür“ sind als „deutlich deplatziert“ zu qualifizieren und der Verweis darauf, dass das bezirkliche Umwelt- und Naturschutzamt „eingebunden sei“, ist als Rechtfertigungsargument zurückzuweisen. Der UNB ist die Ordnungsbehörde und hat im gesetzlichen Auftrag tätig zu werden, nicht unterzutauchen und nicht sich „totzustellen“ und sich in Nichtbefassung zu erschöpfen.
Der Antrag auf Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz läuft. Warten wir ab, was die Einsicht bei den „Institutionen der Strukturellen Gewalt“ im Bezirksamt ergibt.
Zusammenfassend
Einerseits wird im Beteiligungsverfahren des Modellprojekts Rathausblock nachbarschaftliches Engagement propagiert; andererseits erfahren Nachbarn nicht nur auf Fragen, Einlassungen und das Einbringen ihrer Erfahrungen eine eklatante Nichtbeachtung ihrer Anliegen. Berechtigte Bürgerinteressen werden offenkundig als Störfaktoren bei der Beteiligung an der Suche nach Lösungen betrachtet.Darüber hinaus wird versucht, rechtmässiges ziviles Engagement mitsamt sachlicher Kompetenz durch rechtliche Androhungen mundtot zu machen.
Zivilgesellschaftliches Engagement und Transparenz, Kernbegriffe des ursprünglich hochgelobten Beteiligungsverfahrens, werden so zu blossen Worthülsen herabgewürdigt.
Konstruktiv-kritische Partizipation – nicht „Partizipationstrallala“ – gehört zur Demokratie und darf nicht durch eine interessendominierte Handlungsweise rechtbrechend und autokratisch „gelöst“ werden.
Konflikte müssen da, wo sie auf fachlicher Grundlage erkennbar werden, auch fachlich gelöst werden. Zu diesem Zweck ist das Beteiligungsverfahren geschaffen worden.
Die naturschutzrechtlichen Belange müssen von den zuständigen Behörden durchgesetzt und dürfen nicht auf die zivilrechtliche Ebene verschoben werden. Ein Modellprojekt verkommt sonst zum hohlen Euphemismus und ist das Geld und das Engagement nicht wert, das es kostet. Artenschutz ist nicht verhandelbar und liegt im öffentlichen Interesse.