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Mannheim: “Polizistin schüttet Öl auf Demonstranten”

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Zur Situation auf der Strasse bei der Sitzblockade Mannheim: “Polizistin schüttet Öl auf Demonstranten”

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Politik

Ein Video geht viral, in dem eine Polizistin in Mannheim einer Unterstützerin der Letzten Generation bei einer Sitzblockade Pflanzenöl aus einem Kanister über den Kopf schüttet. [1]

Sitzblockade in Mannheim am 6. September 2023 auf der Konrad-Adenauer-Brücke. Polizistin schüttet Pflanzenöl über Demonstrantin.
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Sitzblockade in Mannheim am 6. September 2023 auf der Konrad-Adenauer-Brücke. Polizistin schüttet Pflanzenöl über Demonstrantin. Foto: Letzte Generation

Datum 6. September 2023
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Nun veröffentlicht die Letzte Generation ein längeres Video dazu [2]. In dieser Pressemitteilung dokumentieren wir Erfahrungsberichte mit dieser Polizeibeamtin auch im anschliessenden Polizeigewahrsam.

Zur Situation auf der Strasse bei der Sitzblockade

Um gegen den Verfassungsbruch der Regierung in der Klimakatastrophe zu protestieren und darauf aufmerksam zu machen, dass sich in Bayern aktuell mehrere Dutzend Unterstützer:innen der Letzten Generation im Langzeitgewahrsam befinden, protestierten am 02.09.2023 Unterstützer:innen der Letzten Generation mit einer Sitzblockade in Mannheim. Mehrere Personen klebten dabei ihre Hände mit Sekundenkleber auf der Konrad-Adenauer-Brücke an den Asphalt.

Alle folgenden Aussagen beziehen sich auf die Polizeibeamtin, die im Video zu sehen ist, wie sie Öl über den Kopf einer Demonstrantin schüttet (im Folgenden: „die Beamtin“). Nach dem Eintreffen am Versammlungsort auf der Konrad-Adenauer-Brücke sammelte die Beamtin zunächst Klebstofftuben ein.

Mario Hess berichtet: „Beim Einsammeln des Klebers hat die Beamtin auch ein Kältespray eingezogen. Auf meinen Einlass, dass dies benötigt wird, um die geklebte Hand zu kühlen, damit keine Verletzungen an der Hand entstehen, meinte sie nur: ‚Das ist mir egal, ihr seid selbst schuld, ihr habt euch ja auch angeklebt!'“

Benjamin Schuler erklärt: „Ein Polizeibeamter hat uns Kältespray gegeben mit den Worten: ‚Falls ihr Schmerzen habt, könnt ihr es benutzen.' Die Beamtin ist dazwischen gegangen mit den Worten: ‚Was soll das jetzt?' Der Polizeibeamte erwiderte: ‚Das bleibt stehen, die haben Schmerzen.' Sie erwiderte: ‚Die sollen Schmerzen haben, die sind ja auch selber schuld.'“

Um das Lösen der Hände vom Asphalt möglichst verletzungsfrei durchzuführen, verwendet die Polizei Pflanzenöl, das auf die Hände aufgetragen wird, um abschliessend die Hände nach einer Einwirkzeit Stück für Stück vorsichtig zu lösen. Die Polizeibeamtin überschüttet mit diesem Pflanzenöl mehrere der Sitzblockierer:innen. Anschliessend reicht ein Feuerwehrmann den Betroffenen Papiertücher zum abwischen. Die Szene ist im Video [2] dokumentiert.

Sabine G. berichtet: „In Vorbereitung zum Lösen kippte sie besonders grosszügig Öl auf meinen Arm, sodass ich die ganze Zeit in einer grossen Lache aus Öl und Desinfektionsmittel sass.“

Stefan Diefenbach-Trommer berichtet: „Mir wurde von ihr Desinfektionsmittel über Hand und Hose gegossen, ohne jede Vorwarnung. Anschliessend riss sie mir die Finger vom Asphalt.“

Sabine G. berichtet weiter: „Sie wollte meinen Rucksack durchsuchen, ich erklärte, dass ich ihn nicht absetzen könne, weil meine Hand ja angeklebt sei. Daraufhin riss sie ohne Vorwarnung dreimal so heftig daran, dass ich vor Schmerz aufschrie. Ich habe ihr dann nochmal erklärt, dass ich den Rucksack nicht ausziehen könne. Darauf meinte sie: ‚Ja, selber schuld, das hätten Sie sich überlegen sollen, bevor Sie sich angeklebt haben.' Anschliessend riss sie an den Reissverschlüssen, sodass meine Sachen herausfielen.”

Zur Situation im Polizeigewahrsam

Alle Sitzblockierenden wurden ins Polizeipräsidium Mannheim verbracht. Im Hinterhof befindet sich dort der Flachbau mit den Gewahrsamzellen. Braune Kacheln, in vielen Zellen riecht es nach Urin, die Luft abgestanden, einige Zellen haben ein Toilettenloch im Boden.

Susanne Flender berichtet: „Bei mir wollte die Beamtin mit der Leibesvisitation bei noch offener Tür anfangen, eine zweite Kollegin war dabei, die sich sichtlich unwohl fühlte. Daraufhin wurde die Tür geschlossen. Lächelnde Aufforderung: ‚Ausziehen.' Brüste hochgezogen. Dann: ‚Hose!' Ich habe um mein Oberteil gebeten, dann ging es weiter. Diskussion um Unterhose mit den Damenbinden drin, auch durchsucht. Als ich diese wieder anziehen wollte, Pobacken auseinandergezogen. Alles sehr demütigend, wortkarg und hämisch. Auf meinen Einwand, dass das alles nicht nötig sei, hat nur die andere Kollegin reagiert.“

Jana Trommer, Diplompsychologin/ Kindertherapeutin berichtet: „Ich sollte auf der Polizeiwache im Flur mein Kleid ausziehen. Dann hat sie mich allein in der Zelle nackt durchsucht und ich musste mich ohne Unterhose breitbeinig an die Liege stellen. Eine weitere Aktivistin sollte sich dann in meiner Gegenwart ausziehen, alles zusammen ziemlich entwürdigend.“

Sabine G. berichtet: „Auf der Polizeiwache nahm die Beamtin mich und eine andere mit den Worten in Empfang: ‚Na, welche der Prinzessinnen wollen wir denn zuerst behandeln?' Meine beiden Arme waren voller Öl und ich bat darum, mich abwischen zu dürfen, wurde auf die Zelle vertröstet, das war dann aber nicht mehr möglich. Ich musste mich für die Leibesvisitation in der Zelle neben einer anderen Aktivistin (eine junge Polizistin war ebenfalls anwesend) Stück für Stück ausziehen, wollte dann die Unterhose nicht ausziehen, sagte, das sei entwürdigend und ich würde mich schämen. Da riss sie mir die Unterhose selbst runter, ich empfand dies als sehr demütigend.

Und weil ich nicht wollte, dass sie an meiner Hose die Bändel zerschneidet, musste ich ohne Hose, also im Slip in der Zelle sitzen. So sahen mich auch männliche Beamte halbnackt in der Zelle. Da kam dann beispielsweise auch ein Beamter vom KDD (Kriminaldauerdienst) rein, um eine andere Insassin abzuholen. Erst nach Schichtwechsel hat der Beamte am Abend festgestellt, dass dafür, dass ich meine Hose nicht zurückbekäme, ja offenbar kein Grund vorliege, und hat mir meine Hose zurückgegeben.“

Raúl Semmler, Letzte Generation Rhein-Neckar, erklärt: “Bisher hatten wir einen guten Kontakt mit der Polizei in Mannheim. Wir würden uns über ein Gespräch mit allen am Einsatz Beteiligten freuen.”

pm

Fussnoten:

[1] twitter.com/AufstandLastGen/status/1698988386965434482?s=20

[2] twitter.com/AufstandLastGen/status/1699370145179693426?s=20