Baumbesetzer*innen zu 60 Tagessätzen verurteilt Freiburg: Kriminalisierung der Klimagerechtigkeitsbewegung

Politik

Am 25.01.2022 fand im Freiburger Amtsgericht der Prozess gegen zwei Aktivist:innen statt, die im November 2020 unter dem Namen „Bündnis 91/Die Grüneren“ einen Baum auf dem Platz der Alten Synagoge (PdAS) in Freiburg besetzt hatten.

Aktivist:innen vor dem Gericht in Freiburg.
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Aktivist:innen vor dem Gericht in Freiburg. Foto: twitter.comdie_grueneren

6. Februar 2022
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Die Aktion hatte damals in Solidarität mit dem Widerstand im Dannenröder Forst stattgefunden. Die beiden Aktivist:innen wurden wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt:innen und Beleidigung zu 60 Tagessätzen à 10 und 20€ verurteilt.

Die Aktivist:innen hatten vom 07. bis 08. November 2020 einen Baum in der Freiburger Innenstadt besetzt. Viele Menschen hatten die Besetzung auf dem Platz solidarisch begleitet. Die Polizei hatte den Aktivist:innen über die Dauer der Besetzung hinweg den Zugang zu Essen, Trinken und Toiletten verwehrt. Als Reaktion darauf wurde den Menschen im Baum von Unterstützer:innen ein Versorgungspaket auf die Plattform geworfen, wobei es zu der Situation kam, auf die sich die Vorwürfe der klagenden Polizisten beziehen.

Die Aktivist:innen hätten am Seil, welches am Paket hing, gezogen und damit Verletzungen eines Polizisten in Kauf genommen, der das andere Ende des Seils am Boden festgehalten und sich Rötungen an der Hand zugezogen hatte. Ausserdem wurden die Aktivist:innen beschuldigt, durch das Seilziehen Widerstand gegen den Vollstreckungsbeamten geleistet und die anwesenden Polizisten beleidigt zu haben.

Um den Vorwürfen nachzugehen wurden in der Verhandlung fünf Polizisten als Zeugen gehört. Die Zeugenaussagen zum Tathergang unterschieden sich deutlich und alle Polizisten wollen verschiedene Beleidigungen gehört haben. Besonders widersprüchlich erschien die Aussage des geschädigten Polizisten, der als erster Zeuge aussagte. Dieser verhielt sich aufbrausend und leicht reizbar und musste mehrfach von der Richterin beruhigt werden. Als es um den Auftrag seines Einsatzes ging, sagte er, dass er nur ein Handlanger wäre und einfach ausführen würde, was ihm gesagt wird.

Ausserdem sagte er im Zeugenstand zum ersten Mal aus, dass er seine Schmerzen an die beschuldigten Aktivist:innen kommuniziert hätte und sie gebeten hätte, aufzuhören. Trotz aller Ungereimtheiten wurde den Zeugen geglaubt und die Aktivist:innen nach drei Stunden Verhandlung zu 60 Tagessätzen verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wertete die Situation des Seilziehens sogar als tätlichen Angriff und forderte 110 Tagessätze.

Die Aktivist:innen machten zur Sache keine Aussage, adressierten die Ungerechtigkeit des Prozesses aber in ihrem so genannten letzten Wort, das direkt vor der Urteilsverkündung verlesen wurde. Darin kritisierten sie den Fokus des Prozesses, der die Gefährdung der Baumbesetzer:innen durch den Polizisten komplett auslässt. Hierfür fanden sie folgende Worte: "Statt danach zu fragen, warum ein Polizist ohne nachzudenken an ein Seil springt, an dem Menschen auf einem Baum eventuell auch mit ihren Körpern befestigt sind, wird ein weiterer Fall 'linker Gewalt gegen Polizist:innen' bearbeitet. Wieder einmal wird sich also auf eine vermeintliche Gewalt gegen die Polizei fokussiert, statt Gewalt durch die Polizei zu betrachten."

Ausserdem betonten die Aktivist:innen, dass sie nicht davon ausgegangen seien, diesen Prozess juristisch zu gewinnen. Vielmehr sei ihr Anliegen gewesen, aufzuzeigen, dass es sich bei der erfahrenen Repression um keinen Einzelfall handle, sondern um eine systematische Kriminalisierung der Klimagerechtigkeitsbewegung und linker Aktivist:innen. Die Polizei als Institution halte Ungerechtigkeiten aufrecht und verstärke diese zudem weiter.

Der Ungerechtigkeit im Gerichtssaal steht die grosse Solidarität während des Prozesstages entgegen. Am Morgen trotzten circa 50 Menschen der Kälte und versammelten sich vor dem Amtsgericht für eine Solidaritäts-Kundgebung. Und auch am Abend brachten um die 200 Menschen bei einer Soli-Demo unter dem Slogan "Unsere Solidarität gegen ihre Repression" ihre Wut auf die Strasse.

Am Ende des Tages ordnete die Aktivistin Robin Busch den Prozess wie folgt ein: "Das ist ein klarer Fall von Kriminalisierung der Klimagerechtigkeitsbewegung. Polizist:innen schützen das zerstörerische System, verwehren Aktivist:innen Essensversorgung und andere Grundbedürfnisse und gefährden mit dem unbedachten Sprung an ein Seil das Leben von Aktivist:innen. In der Anklage werden dann die Tatsachen verdreht und die Menschen verurteilt, die sich für ein gutes Leben für alle einsetzen."

Trotz der Anklage und jetzigen Verurteilung machen die Aktivist:innen in ihrem letzten Wort deutlich: "Die Zeit des Prozesses hat uns verdeutlicht, wie wichtig die Werte und Ziele sind, für die wir einstehen und wie viel Rückhalt in unserer Bewegung steckt. Wir werden auch weiterhin für eine gerechtere Welt für alle kämpfen, egal wieviel Repression uns und unseren Verbündeten noch um die Ohren gehauen wird. Unser Widerstand lebt, unsere Solidarität ist ungebrochen!"

pm