Die Kritiker des DGB
Betrachtet man die versammelten Demonstranten, stellt man fest, dass bei dieser sowieso schon kläglichen Menge keineswegs DGB-Mitglieder die Hauptmasse der Demo stellen.Nach ein paar wenigen Reihen der DGB-Jugend, die den Zug eröffnen darf, weil das bunt und nach Zukunftsperspektive aussieht, folgen SPDler (mit Parteifahnen – worüber sich einige Teilnehmer empören) und Grüne, danach noch einige IGMetaller.
Und dann? Mit DKP, Friedensforum Dortmund, DFG/VK, MLPD, Sol, Bir-Kar, KP, Antifa-Gruppen, verschiedenen türkischen und iranischen Linken undsoweiterundsofort treten viele Gruppen an, die zahlenmässig zusammen weit mehr sind als die originären Gewerkschaftsmitglieder. Und die zweitens ziemlich kritisch zu dem stehen, was der DGB in seinen Tarifrunden praktiziert und medial vertritt.
Standortsicherung durch Sozialpartnerschaft
Die Politik der deutschen Gewerkschaften besteht darin, die Interessen der Arbeitnehmer im Namen der Sicherung deutscher Arbeitsplätze den Rentabilitätsforderungen der Unternehmen unterzuordnen. Aus der Logik der Abhängigkeit, die man eingesehen hat und zur Basis des eigenen Forderns macht, dient sich der DGB Staat und Kapital als selbstbewusster Partner bei der Förderung des deutschen Wachstums an, der von einem Gegensatz zwischen der Interessen von Lohnarbeit und Kapital nichts mehr wissen will. Zusammengefasst heisst das: Sozialpartnerschaft.Wozu dieser Verein, der letztes Jahr seinen 75. Geburtstag feierte und sich stets sehr für seine Leistungen lobt, es damit gebracht hat, ist daran abzulesen, dass inzwischen 15 Millionen Menschen in Deutschland unter der Armutsgrenze leben, das Renteneintrittsalter demnächst wieder da ankommen soll, wo es unter Bismarck startete und aktuell der Acht-Stunden-Tag – zugestanden, um den deutschen Arbeiterräten ihre sozialistischen Bestrebungen auszureden – von der neuen Regierung abgeschafft bzw. aufgeweicht werden soll.
Der neue Burgfrieden
Das alles kritisieren die in der Demo mitlaufenden Vereine mehr oder weniger heftig. Jahr für Jahr beklagen sie, dass die Politik der deutschen Gewerkschaft nicht kämpferisch genug ist, zuviel Kompromissbereitschaft gegenüber dem Kapital existiert, die Arbeiterinteressen „verraten“ werden. Gleichzeitig finden sich diese Kritiker Jahr für Jahr am 1. Mai bei der DGB-Demo ein und sorgen dafür, dass der „Kampftag der Arbeiterklasse“ nicht zum Voll-Fiasko für die Berufsdemonstranten mit Funktionärsstellen gerät – auch wenn jedes Mal weniger Leute auflaufen. In diesem Jahr kam zusätzlich zu dem normalen Klagen über die mal wieder zu kurz gekommenen Interessen der Lohnabhängigen auch noch die Sorge, dass demnächst auch noch ein Krieg ins Haus steht – Politik und Medien sind in dieser Frage ja bereits entschieden: „Wir“ müssen „kriegstüchtig werden! Was hört man dazu von der schwarz-rot-goldenen Gewerkschaft? Grundsätzlichen Widerspruch? Ein entschiedenes Nein zu dem Ansinnen, das Clemens Fuest mit „Kanonen statt Butter“ ja klar und deutlich zusammengefasst hat?Natürlich nicht. Im Vorfeld der Ostermärsche hat der DGB-Vorstand seinerseits erklärt, dass „auch der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften die Notwendigkeit sehen, in Deutschland und Europa verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um gemeinsam verteidigungsfähiger zu werden.“ Die „Sagt Nein!“-Petition, die das ablehnt, ist lediglich eine kleine innergewerkschaftliche Opposition. Ein Interview zur medialen Kampagne in Sachen Kriegstüchtigkeit, das Peter Schran (langjähriger ARD-und ZDF-Filmemacher) mit Renate Dillmann zu ihrem Buch „Medien. Macht. Meinung. Auf dem Weg in die Kriegstüchtigkeit“ führen wollte, hat die verdi-Zeitung publik abgelehnt. Dafür zeigt die gerade gelaufene Tarifrunde von verdi praktisch, dass die Gewerkschaft ein weiteres Mal bereit ist, die Interessen der Lohnabhängigen angesichts der „Notwendigkeit“ (!) der Aufrüstung hintanzustellen. Ein erneuter Burgfrieden also – von wegen „nie wieder!“.
„Klassenkampf statt Krieg und Krise“
Um so erstaunlicher insofern das Auftakt-Transparent der diesjährigen Mai-Demo. Die Gewerkschaftsjugend der verschiedenen Einzelgewerkschaften hatte sich zusammengetan unter dem Motto: Wir brennen für Klassenkampf statt Krieg & Krise.Was ist da passiert? Kriegt es der DGB jetzt mit einem rebellischen Nachwuchs zu tun, der die Nase voll hat? Haben die Jugendlichen zuviel Marx gelesen? So war es natürlich nicht gemeint. Ein bisschen auf die Pauke hauen, ein bisschen Kapital-Bashing, das war man sich natürlich schuldig. Darauf angesprochen, wo denn beim DGB so etwas wie Klassenkampf zu sehen sei, kam die Antwort ebenso schnell wie routiniert: Eben deshalb sei es ja so wichtig, das in die Gewerkschaft hineinzutragen.
Auch die Gewerkschaftsjugend beherrscht das Verfahren also spielend, einen Standpunkt vorstellig zu machen und stolz vor der Demo herzutragen, von dem sie weiss, dass er nicht vorhanden ist.
Anders gesagt: Vertritt überhaupt jemand in dieser Demo des DGB den Standpunkt des DGB?
PS und ein Vorschlag
Wie wäre es dann damit, diese alberne Veranstaltung einfach mal sein zu lassen? Eine Demonstration mit einer ernsthaften Kritik an dem, was der kapitalistische Alltag, der Staat, der ihn verwaltet und nun auch noch der „kommende“ Krieg für die vom Lohn abhängende Menschheit bedeuten, hätte dagegen einiges zu sagen… Der DGB könnte derweil auf dem „Familienfest“ die Würstchen grillen.Eine interessante Diskussion zum 1. Mai des DGB und dem diesjährigen Aufruf gab es beim Podcast-Sender 99:1, einen Artikel von Suitbert Cechura beim Gewerkschaftsforum.
Wie man den DGB kritisiert, hat ein rot-schwarzer Block 2018 in Dortmund und 2019 in Essen demonstriert...