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Neunter Mai: eine Niederlage für den Nationalsozialismus und seine Verbündeten Vom neuen alten deutschen Geschichtsrevisionismus und steigenden Rheinmetall-Aktien

Politik

Der Jahrestag der Zerschlagung des Nationalsozialismus und seiner Verbündete wird in Deutschland immer mehr ein Festival des Geschichtsrevisionismus.

Rheinmetall Defence Niederlassung Kiel.
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Rheinmetall Defence Niederlassung Kiel. Foto: KarleHorn (CC-BY 3.0 unported - cropped)

14. Mai 2023
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Positionen, die vor einigen Jahren noch im Umfeld der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit und deren Umfeld vertreten wurden, sind jetzt in der linksliberalen Taz zu lesen.

Dort waren in der Ausgabe vom 8. Mai solche Sätze veröffentlicht:

„Wir müssen einen simplen Sachverhalt verstehen, den wir uns selbst nicht eingestehen wollen: Nicht alle, die den Nationalsozialismus ausgemerzt haben, haben Verbrechen in diesem Krieg begangen. Doch Millionen Menschen dienten in der UdSSR in einer verbrecherischen Armee einem verbrecherischen Staat. Dieser Staat hat schon damals, 1944/45, genau solche Verbrechen in Europa begangen, die er jetzt, vor unser aller Augen in der Ukraine, in Butscha, Mariupol und Cherson, begangen hat. Und unsere Angehörigen waren Teil dieser Maschinerie.“

Jury Konkewitsch heisst der Autor, der dort nur als ukrainischer Journalist vogerstellt wird. Dass er grosszügig konstatiert, dass nicht alle, die an der Zerschlagung des Nationalsozialismus und ihrer Verbündeter bmitgewirkt haben, Verbrecher waren, würde heute auch fast jeder alte und neue Nazi gerne unterschreiben. Schliesslich wird im Subtext gesagt, viele Kämpfer*innen gegen den Nationalsozialismus und seiner Verbündeten haben Verbrechen begangen.

Man stelle sich vor, Politiker*innen der Union oder AfD hätten solche Thesen vertreten. Dann wären doch Taz und anderes linksliberale Milieu gegen einen solchen Gesichtsrevisionismus auf die Barrikaden gegangen, mit Recht. Und dann muss man diese NS-Verharmlosung ausgerechnet am 8. Mai in der linksliberalen Taz lesen. Nur was macht braunen Dreck besser, wenn er von einem Ukrainer ausgesprochen wird? Schliesslich werden in Deutschland seit jeher gerne Nichtdeutsche vorgeschickt, damit die aussprechen, was viele in Deutschland denken. So werden gerne Juden zitiert, die Israel Apartheid und andere Verbrechen vorwerfen oder sich über den angeblichen deutschen Schuldkult echauffieren. Dann können die wieder gutgemachten Deutschen unschuldig auf sie verweisen, wenn sie eine solche antisemitische These doch nur zitieren. Und die Taz kann geschichtsrevisionistische Thesen, die sonst in der Jungen Freiheit zu lesen sind, einfacher publizieren, wenn darunter ein ukrainischer Name steht, der in der Tradition jener deutschlandfreundlichen ukrainischen Nationalisten steht, die bereits mit dem NS kollaborierten und den Hass auf Juden und Kommunisten mit ihm teilte.

Neunter Mai: eine Niederlage für den Nationalsozialismus und seine Verbündeten

Tatsächlich für diese Gefolgsleute von Stepan Bandera und Co. der 8. und 9. Mai kein Tag der Befreiung sondern eine grosse Niederlage. Sie hatten damals genauso den Krieg verloren, wie die Mehrheit der deutschen Bevölkerung, die bis zum Schluss hinter ihren „Führer“ stand. Doch schon im Kalten Krieg legten sie die Grundlage, dass aus ihrer Niederlage ein Wiederaufstieg erfolgte. Mit der Auflösung hatten Deutschland und seine Verbündete einen wichtigen Sieg errungen.

Es war eine deutschlandkritische Linke, die das vor über 30 Jahren klar erkannt und in Zeitungen wie konkret, 17 Grad Celsius und Phase 2 formuliert hatte. Damals gab es bei einigen Autor*innen schon die Horrorvision, dass man eines Tages den Nazitätern und ihren Verbündeten Denkmäler aufstellt. Heute kann man in vielen ukrainischen Städten Denkmäler des zeitweiligen NS-Verbündeten und Antisemiten Stepan Bandera sehen. Dass aber in der linksliberalen Taz die Thesen seiner Epigonen zu lesen sind, die grossmütig koinzidieren, nicht alle Kämpfer*innen gegen den NS waren Verbrecher, hätten sich wohl auch die pessimistischsten Kritiker*innen des deutschen Wiederaufstiegs nicht vorgestellt.

Der deutsche Revisionismus und die Aktienkurse von Rheinmetall

Dieses Jahr waren zum Jahrestag der Zerschlagung des NS russische und sowjetische Fahnen verboten. Die Schmach vom 9. Mai 1945, als eine Sowjetfahne an die Reichstagsruine gepflanzt wurde, ist damit vergolten. Doch die Deutschen werden allen Alliierten nicht verzeihen, dass sie den NS zerschlagen haben, da soll man sich von den Phrasen von der Vergangenheitsbewältigung nicht täuschen lassen. Denn der neue Geschichtsrevisionismus ist auch die Ideologie, mit denen grosse Teile der Bevölkerung in Deutschland, auch vieler (Ex)-Linke, mit Staat und Nation versöhnt werden. Dass zeigt sich daran, dass am 9. Mai an einer antimilitaristischen Demonstration in Berlin nur knapp 200 Menschen teilgenommen haben. Anlass war die Jahreshauptversammlung des Rheinmetall-Konzerns, die natürlich ganz geschichtsbewusst am 9. Mai stattfindet.

Der Konzern macht vor, wie am Jahrestag des Sieges der neue deutsche Aufstieg zelebriert wird. Die Aktien des Rheinmetall-Konzerns sind seit der heissen Phase des Ukraine-Kriegs immens gestiegen. Rheinmetall steht für den Wiederaufstieg Deutschlands und seiner Verbündeten. Der Geschichtsrevisionismus ist eine der Ideologien, die aktuell den deutschen Konsens herstellt. Die Demonstration war daher der beste Einspruch dagegen. Dass selbst in Berlin nicht mehr als 200 Menschen teilnehmen, zeigt ebenso stark, wie stark dieser deutsche Konsens funktioniert, wie die Tatsache, dass sich niemand mehr daran stört, dass in der Taz am 8. Mai der NS relativiert wird.

Peter Nowak

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