UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

Der Ruf des Geldes: Mit 16 freiwillig zur Bundeswehr!

9008

Der Ruf des Geldes Ein Vorzeigejunge: Mit 16 freiwillig zur Bundeswehr!

earth-europe-677583-70

Politik

Kürzlich wurde von der „Schwäbischen Zeitung“ (31.3.25) ein junger Mann im Streitgespräch mit seinem Vater porträtiert, wobei es um den Wunsch des 16-Jährigen ging, zur Bundeswehr zu gehen.

Datum 26. April 2025
2
0
Lesezeit17 min.
DruckenDrucken
KorrekturKorrektur
Dazu bedarf es nämlich nach geltender Rechtslage der Zustimmung der Eltern. Abgebildet wurde der Junior in kindischer Manier mit Pfeil und Bogen – gewissermassen als Signal, dass die Nation eventuell auch mit halbstarken Kriegertypen etwas anfangen kann.

Da musste „Bild am Sonntag“ (6.4.25) natürlich zugreifen. Wenige Tage später erschien die ganze Story dort erneut. Hier wirkte der junge Mann auf dem Foto schon erwachsener, und warum er die Aufmerksamkeit der Medien verdiente, wurde auch gleich klargestellt: „Die Bundeswehr muss massiv aufgerüstet werden. Es braucht aber nicht nur Geld, sondern auch junge Menschen, die für ihr Land kämpfen wollen. Tim will das.“ (BamS)

Die Bildredakteure ersparten sich angesichts der aktuell laufenden Aufrüstungspropaganda jedes Argument, warum der Hochrüstungskurs sein muss, und stellten ihn gleich als Sachzwang dar, zu dem sich ein zweiter gesellte: die Akquisition von Kanonenfutter. In dem Fall kann das Militär auch Kinder gebrauchen – zu denen laut UN-Kinderrechtskonvention alle Minderjährigen unter 18 zählen. Eine Konvention übrigens, die die Bundesregierung erst 2010 ohne Einschränkungen übernahm.

1959 hatte die UN-Generalversammlung eine „Erklärung der Rechte des Kindes“verabschiedet, die aber die BRD 1992 nur mit Einschränkungen ratifizierte (was etwa die geringeren Rechte minderjähriger Flüchtlinge betraf). So schaffte es Deutschland 50 Jahre nach der Verkündigung von Kinderrechten, sich ohne Einschränkung hinter die feierliche Deklaration zu stellen. Wahrhaft eine kinderfreundliche Republik, die ein halbes Jahrhundert braucht, um die Kinderrechte voll und ganz anzuerkennen!

Der Ruf des Geldes

Ganz gleich nun, ob die vorstellig gemachte Diskussion zwischen Vater und Sohn wirklich so stattgefunden hat oder von den Journalisten in Szene gesetzt wurde, wirft sie doch ein bezeichnendes Bild auf die Debatte um Wehrdienst und Wehrpflicht. Der Vater eröffnet die Diskussion mit der Frage: „Tim, warum willst Du unbedingt zur Bundeswehr?“ Die Frage richtet sich nicht gegen die Bundeswehr, sondern gegen den Zeitpunkt dieser Entscheidung. Schliesslich will der Junge die Schule abbrechen. Da die Frage allgemein gestellt ist, antwortet der auch allgemein: „In erster Linie wegen des Geldes. Was verdienst Du beim Bund? Das Anfangsgehalt liegt bei 2700 Euro im Monat. Später bekomme ich mehr.“
Gegen den Wunsch, Geld zu verdienen, lässt sich hierzulande natürlich schwer etwas vorbringen. Schliesslich unterliegen alle Menschen, die nicht über Vermögen oder nennenswertes Eigentum verfügen, dem sachlichen Zwang, Geld zu verdienen. Diesen Zwang muss man sich zu eigen und Gelderwerb zum Anliegen machen – spätestens in der schulischen Leistungskonkurrenz wird einem das eingebimst. Denn schliesslich ist alles in dieser Gesellschaft Eigentum – also Mittel des Geschäfts –, weswegen die einzige Möglichkeit für die Masse der Bevölkerung darin besteht, sich als Arbeitskraft zu verdingen. Dazu braucht es jemanden, der über Geld verfügt und damit die Verfügungsmacht über andere erwirbt.

Als ein derart normaler „Arbeitgeber“ tritt nun auch die Bundeswehr auf, obgleich sie nichts produziert oder verkauft. Mit dem gezahlten Sold erwirbt sie die Verfügungsmacht über Menschen, um diese als Gewaltmittel gegen andere Staaten einzusetzen. In der Werbung für eine solche „Arbeitsstelle“ braucht die Bundeswehr also erst einmal gar nicht auf den Nationalismus von jungen Leuten zu setzen; sie dient sich einfach als Gelegenheit an, schnell an Geld zu kommen. Die nächste Frage erscheint daher sehr konstruiert: „Ist Dir Geld mit 16 Jahren so wichtig?“ Seit wann ist die Bedeutung des Geldes eine Altersfrage? Geld brauchen in dieser Gesellschaft alle, unabhängig von ihrem Alter. Deshalb ist die Antwort auch nicht überraschend: „Viele meiner Freunde machen bereits eine Ausbildung. Sie verdienen ihr eigenes Geld. Sie müssen ihre Eltern nicht nach Geld fragen, wenn sie irgendwas kaufen wollen. Das nervt.“ Die Frage, warum die Eltern ihn knapp halten, kommt diesem jungen Mann nicht in den Kopf, auch wenn er das Gymnasium besucht. Offenbar haben die Eltern, die wahrscheinlich mehr als 2700 Euro verdienen, nicht genug, um ihm ein anspruchsvolles Leben zu finanzieren. Sie müssen sich ihr Geld wie die meisten einteilen.

Die Kinder finanziell knapp zu halten erfolgt oft auch aus pädagogischen Gründen: Der Nachwuchs soll lernen, mit Geld umzugehen. Dieses respektable Erziehungsziel ist eigentlich ungenau formuliert. Denn der Umgang mit Geld ist leicht, wenn man es denn hat. Lernen soll der Nachwuchs vielmehr, sich das Geld einzuteilen, weil die Ausgabe auf der einen Seite dazu führt, dass man sich woanders etwas versagen muss. Was die Bundeswehr den jungen Leuten mit dem tollen Auftritt als zahlungswillige „Arbeitgebers“ verkündet, ist auch klar: Sie können schon in jungen Jahren an Geld kommen und sich aus der Abhängigkeit von ihren Eltern befreien. Gegen dieses Versprechen zieht der nächste Einwand nicht: „Tim, Du bist 16! Du wirst noch viele Jahre gutes Geld verdienen. Wozu brauchst Du diese 2700 Euro im Monat jetzt sofort?“

Schliesslich kommt der Senior nur mit dem Vertrösten auf eine unsichere Zukunft, bis zu der erst einmal die Einschränkungen weiter gehen. Das lässt sich der Junior nicht bieten: „Ich will einfach feiern gehen und nicht auf das Geld schauen. Oder mir in zwei Jahren ein schönes Auto kaufen. Man muss es hochrechnen. Ich würde mit 18 Jahren sowieso zur Bundeswehr gehen. Wenn ich zwei Jahre warte, würde ich auf 64 800 Euro verzichten.“ Eine Sichtweise wie aus der Werbung der Bundeswehr: „Du willst immer nur mehr…“

Diese Rechnung geht aber nur auf, insofern der junge Mann unterstellt, dass er, wie viele seiner Altersgenossen, weiter im „Hotel Mama“ kostenfrei wohnt und beköstigt wird. Dann ist die Bezahlung pure Finanzierung des Vergnügens. Da vergleicht sich Tim offensichtlich mit anderen jungen Männern, die mit PS-starken Autos durch die Gegend düsen, bei denen dicke Auspuffrohre, Spoiler und dröhnende Musikanlagen darüber hinwegtäuschen sollen, dass es meist gebrauchte sind: Autos, die sich die jungen Leute solange leisten können, wie sie bei den Eltern wohnen. Denn schon der Führerschein stellt sie vor grosse finanzielle Probleme. Die Protzautos verschwinden dann, wenn die jungen Leute einen eigenen Hausstand gründen, da reicht meist das Einkommen für solche Schlitten zusätzlich zu Unterkunft und Verpflegung nicht mehr.

Dass das Geld von der Bundeswehr nur viel ist im Verhältnis zu seinem Taschengeld, aber keinen berauschenden Lebensunterhalt bietet, kann der Junge daher auch nur schwer gegen den Einwand des Vaters aufrecht halten, nach Steuern und Sozialabgaben bleibe für ein selbstständiges Leben recht wenig. Da erklärt Tim: „Man braucht keine Wohnung. Man kann in der Kaserne in Einzelzimmern wohnen. Beim Essen bekommt man einen Zuschuss. Ausserdem bleibe ich sowieso nur zwei Jahre in der Kaserne. Danach gehe ich zur Fremdenlegion ins Ausland… Bei der Fremdenlegion verdient man richtig Geld.“
Waren eben noch die 2700 Euro das Reich der Freiheit, erweisen sie sich bei näherem Hinsehen als recht bescheidenes Mittel für ein selbstständiges Leben, das in einer Kaserne mit Kantine den Luxus bilden soll. Also braucht es mehr Geld und das gibt es bei der Fremdenlegion. Wobei wahrscheinlich eine nähere Bekanntschaft mit dieser nicht vorliegt, sondern eher vage Vorstellungen von fremden Ländern und Abenteuern den Ausschlag geben. Nebenbei erweist sich hier der Musterknabe in Sachen Auffüllung der deutschen Armee als vaterlandsloser Geselle, der bei der schulischen Einschwörung auf seine staatsbürgerliche Rolle etwas verpasst hat. Wahrscheinlich hat ihn die Schule auch nicht informiert, dass sich in der Fremdenlegion vorwiegend Männer sammeln, die mit der üblichen Konkurrenz in der kapitalistischen Gesellschaft gebrochen haben, um auf andere Weise ihr Glück suchen. Das hat nicht wenige in die Kriminalität geführt, so dass sie in der Legion ihre einzige Chance sehen, zu etwas zu kommen. Das sind dann die passenden Typen für Staaten, die Menschen brauchen, denen ihr Leben nichts mehr wert ist.

Und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt

Aufs Thema Fremdenlegion will der Vater zunächst nicht eingehen, kehrt vielmehr zum Ausgangspunkt zurück, dass der Junge die Schule abbrechen will: „Über die Fremdenlegion reden wir später. Versöhnlich formuliert: Deine Mutter und ich finden es klasse, dass Du mit 16 Jahren weisst, was Du willst. Das wissen viele Jugendliche in Deinem Alter nicht. Trotzdem können wir nicht nachvollziehen, dass Du jetzt die Schule schmeisst. Wir drängen darauf, dass Du vorher das Gymnasium zu Ende bringst und Dein Abitur machst. Kannst Du das nachvollziehen?“

Das Lob ist natürlich geheuchelt, schliesslich teilen die Eltern den Inhalt der Entscheidung, für den sie ihn loben, nicht. Die Antwort ist entsprechend: „Ich kann verstehen, dass ihr den Wunsch habt. Ich habe mich anders entschieden. Ich gehe zum Bund. Das ist so.“ Dass es mit dem Verständnis nicht weit her ist, wird dann auch schnell deutlich: „Du bist minderjährig. Ohne die Unterschrift von Deiner Mutter und mir kannst Du es vergessen.“ Der Vater zieht sich so auf seine elterliche Gewalt zurück, mit der der Staat den Erziehungsberechtigten Macht über ihren Nachwuchs verleiht. Ihre Gewalt besteht aber in beschränkten Mitteln wie Gewährung oder Entzug von Taschengeld, Hausarrest etc., mit denen der Wille des Kindes in die gewünschten Bahnen gelenkt werden soll. Dass es letztlich auf den Willen zum Mitmachen auch beim Kind ankommt, macht der Junge denn auch deutlich: „Dann könnt ihr vergessen, dass ich noch länger zur Schule gehe.“

Die Antwort kommt prompt: „Wir können Dich zwingen.“ Ein Zwang, der sich als unwirksam erweist: „Dann gehe ich halt hin, sage nichts und bleibe sitzen.“ Auch wenn der Junge ein Stück weit einlenkt – „Ich mache die elfte Klasse fertig. Das verspreche ich. Dann bin ich weg. Ich gehe zum Bund. Die Entscheidung steht fest.“ – , ist die Botschaft, die potentiellen jungen Interessenten am schnellen Geld übermittelt wird, deutlich. Die Eltern mögen dagegen sein, ein effektives Mittel gegen den Wunsch, zum Bund zu gehen, haben sie nicht. Halbwüchsigen soll klar sein: Wenn Du unbedingt willst... So endet ja auch die betreffende Werbung der Bundeswehr: „Du willst immer nur mehr, weil Du es kannst.“

Der Bund als Sportplatz

Nachdem das klargestellt ist, geht es wieder um den Wunsch selber. Der Vater: „Sprechen wir nochmal emotionslos über Deine Motivation. Geld ist ein Grund, okay. Was noch?“ Das Bild, das der Junge vom Bund hat – oder das die Werber hier malen –, ist etwas realitätsfremd: „Sport. Ich kann beim Bund viel Sport treiben. Laufen, Basketball, Fussball, Fitness. Ich kann mich in Mannschaftssportarten weiterentwickeln, wenn ich mit Älteren spiele. Ich bin sicher, dass Sport beim Bund viel Spass macht.“ Sicherlich kann nach Dienstschluss beim Bund Sport getrieben werden, das ist aber nicht Bestandteil des Dienstes. Dort wird die körperliche Fitness durch Märsche, Robben im Gelände u.ä. betrieben. Dem Vater scheint diese Begründung denn auch zu wenig zu sein: „Geld und Sport – sind das tatsächlich die einzigen Motivationsgründe, warum Du Dich für so einen grossen Schritt entscheidest?“

Der junge Kandidat für die Fremdenlegion hat offenbar mit grossen Erwartungen auf eine schulische wie militärischen Karriere bereits abgeschlossen. Den vagen Versuch des Vaters, ihn mit dem Hinweis zu locken, das Abitur eröffne ihm eine Offizierslaufbahn, weist er zurück: „Um Offizier zu werden, müsste ich beim Bund studieren. Ich habe mir den Eignungstest angeschaut. Ich hätte keine Chance, die Mathe-Fragen zu lösen… Die Lücken sind zu gross. Das kann ich nicht mehr aufholen. Die Offizierslaufbahn kommt nicht in Frage. Ich will ja sowieso zur Fremdenlegion.“

Womit es ein weiteres Argument für junge Leute ohne Berufsabschluss gibt, zum Bund zu gehen: Auch wenn man in der schulischen Konkurrenz versagt oder eine Ausbildung abgebrochen hat, der Weg zum Bund steht einem immer offen. Der Bund braucht nicht nur Studierte, die Offiziere werden wollen, sondern auch einfache Soldaten als Fussvolk. Da spielt der Abschluss keine Rolle und dennoch kann man Karriere machen, das weiss auch Tim: „Geld ist wichtig. Vielleicht gründe ich irgendwann mit 30 Jahren einen privaten Sicherheitsdienst im Ausland. Prominente schützen hat Zukunft. Da verdient man 10 000 Euro im Monat. Ich habe beim Fitness jemanden kennengelernt, der das macht. Erst Bundeswehr, dann Fremdenlegion, dann privater Sicherheitsdienst. Das ist auch mein Plan.“

Dass sich der zukünftige Söldner keine Gedanken über seine berufliche Zukunft gemacht hätte, kann man nicht sagen. Die Rolle des Geldes hat er richtig erkannt. Auch dass Gewalt zur Sicherung von Staaten und Eigentum immer gefragt ist; das gehört offenbar zusammen. Ob das einem persönlich eine sichere berufliche Zukunft ermöglicht, steht dann aber auf einem ganz anderen Blatt. Zu denken geben könnte dem jungen Zukunftsplaner schon, dass sein erfolgreiches Vorbild immer noch in der Mucki-Bude rumhängt. Oder hat ihn dessen dicker Schlitten vor der Tür beeindruckt? Oder soll der junge Mann als etwas unbedarft erscheinen – als gutwillig, aber auch als einer, der noch einige Lektionen zu lernen hat? Bei aller materiell abgesicherten Abenteuerlust, zu der sich die Bundeswehr anbietet, muss jetzt doch etwas zur nationalen Verantwortung kommen!

Der Krieg als Bewährungsprobe

Dass er nämlich nur ans Geld denkt und nicht an Deutschland, diesen Vorwurf will der potenzielle Vaterlandsverteidiger nicht auf sich sitzen lassen: „Alle anderen reden nur. Alle sprechen davon, dass wir die Bundeswehr brauchen. Ich gehe hin… Deutschland zu schützen. Wenn Russland angreift. Oder wenn Russland ein Nato-Land angreift. Polen zum Beispiel. Dann kämpfe ich! Im Panzer, bei den Fallschirmjägern, bei der Artillerie, ganz egal. Ich kämpfe dort, wo man mich einsetzt. Die Bundeswehr veranstaltet in ein paar Wochen ein Assessment-Center. Wer da gut abschneidet, hat die Chance an vorderster Front zu kämpfen.“

Die Agitation in den Medien und wahrscheinlich auch in der Schule hat also doch ihre Wirkung getan. Obgleich der russische Präsident nie angedeutet hat, Deutschland oder die Nato anzugreifen, ist dies für den Schüler eine ausgemachte Sache. Dabei stellt er sich den Krieg wie eine überdimensionale Sportveranstaltung vor. Wer sich als Bester in der Vorauswahl bewährt, darf als Belohnung am Endkampf teilnehmen. Dass er als Jugendlicher noch nicht in den Kampfeinsatz darf, stellt er mit Bedauern fest, tröstet sich aber damit, darauf vorbereitet zu werden. Vom Kampf hat er auch klare Vorstellungen: „Ganz einfach. Anvisieren und abdrücken. Schneller sein als andere. Immer aus der Deckung heraus. Man muss halt gut sein.“

Für ihn ist der Krieg wie ein Duell, Mann gegen Mann. Dass dem nicht so ist, darüber hat ihn die Schule offenbar nicht aufgeklärt. Wie auch? Dort werden Schlachten gern als Auseinandersetzungen von moralischen Parteien präsentiert, als Kampf von Demokratie gegen Diktatur oder Ähnliches. Von Kriegskalkulationen ist dort weniger die Rede. Etwa von der 1944 bei der Invasion in der Normandie, wo die „freiheitsliebenden“ Nationen so viele Soldaten aufboten, dass es für die Gegner unmöglich war, sie alle zu erschiessen. Es kam darauf an, dass genügend durchkamen, um am Schluss dem Gegner Paroli zu bieten. Tausende Tote waren einkalkuliert. So viel zur Qualität des Einzelkämpfers!
Dem abenteuerlustigen Anwärter auf die Fremdenlegion kommt der Vater jetzt passender Weise mit der Moral: „Hey Tim, Krieg ist kein Computerspiel. Hast Du kein schlechtes Gewissen, wenn Du einen Menschen tötest?“ Ein Einwand, den dieser auch gleich zurückweist: „Wenn Deutschland angegriffen wird, schiesse ich zurück. Ich schütze unser Land. Das wollen doch alle. Die Regierung gibt 500 Milliarden Euro für neue Waffen aus. Oder noch mehr. Es werden doch gerade alle Waffensysteme gekauft, die es gibt. Aber man braucht jemanden, der sie bedient.“

Mit seiner Zurückweisung der moralischen Bedenken hat der Vaterlandsverteidiger irgendwie Recht. Wieso richtet sich die Frage nach moralischen Bedenken beim Töten an den „Schützen Arsch“ und nicht an diejenigen, die aufrüsten und Soldaten ins Feld schicken? Von daher hat der junge Mann ein gutes Gewissen, schliesslich ist Töten in seinem Fall nicht einfach Mord, sondern geschieht in höherem Auftrag, als Dienst an der Nation. Eine solche einwandfreie Moral braucht es eben, wenn es darum geht, andere umzubringen. Hier hat der Vater also eine klare Antwort bekommen oder abgerufen und so richtet sich sein letzte Argument auf die Gefahr der Verletzung oder des Sterbens: „Hast Du keine Angst, getroffen zu werden? Von einer Kugel, einer Granate, einer Bombe?“ Doch auch damit hat sich der junge Mann auseinandergesetzt: „Man muss halt aufpassen… Wir werden doch super ausgebildet. Wenn ich in den Kampf ziehe, weiss ich was ich tun muss. Ausserdem bin ich sportlich wie kaum ein anderer. Mich erwischt niemand im Kampf.“

Die Antwort ist natürlich völlig weltfremd, ganz so als ob man vor einer Bombe oder Rakete einfach davonlaufen könne. Die Vorstellung der Unverwundbarkeit und den Glauben an den Sieg brauchen eben alle, die in den Krieg ziehen wollen. Dass das Überleben von der eigenen Fähigkeit abhängt, gehört dann dazu. Mit dem Glauben sind auch viele in die Weltkriege gezogen, das Ergebnis ist auf den Soldatenfriedhöfen nicht nur in Frankreich zu besichtigen. Offenbar hält sich dieser Glaube an die eigene Unverwundbarkeit und die eigenen Fähigkeiten auch angesichts moderner Waffen, denen mit Sportlichkeit nicht zu begegnen ist.

Kriegspropaganda, die auf Kinder zielt

Kinder für die Bundeswehr – dieses Thema haben nicht die Journalisten entdeckt, sondern die Bundeswehr selbst, die mit Tagen der Offenen Tür, Praktika und anderen Veranstaltungen den Nachwuchs für sich gewinnen will. Dies nicht als reine Sympathiewerbung, sondern auch als Akquisition von 16- oder 17-Jährigen für den Militärdienst. Aber kaum setzt die Politik das Thema Aufrüstung und Aufstockung der Bundeswehr auf die Tagesordnung, finden sich jede Menge Journalisten, die die Frage aufwerfen, wie das gelingen kann, oder die sich gleich zum Unterstützer dieses Anliegens aufschwingen. Und was ist da glaubwürdiger, als die Propaganda der Bundeswehr von einem Jugendlichen vortragen zu lassen?

Die „Schwäbische Zeitung“ hat den Bericht über den Jungen nicht als abschreckendes Beispiel gebracht, sondern als tatkräftige Einmischung in die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Da musste „Bild am Sonntag“ natürlich zugreifen – was mittlerweile in vielen Medien seine Fortsetzung findet. Auch Anne Will liess in ihrer Sendung „Angst vorm Krieg – Die Deutschen in der Zeitenwende“ (vom 7.4.25) zwei 16-Jährige zu Wort kommen, die an einem „Praktikum“ beim Bund teilgenommen hatten. Momentan wirbt die Bundeswehr ja eifrig um Freiwillige und auch das Pistorius-Modell will noch nicht verpflichtend einen ganzen Jahrgang einziehen. Dabei ist die Begründung verräterisch: Es fehlen zurzeit die Kapazitäten an Musterungsmöglichkeiten, Kasernen und Ausbildern. Daran wird aber nicht nur von Seiten der Militärs, sondern vor allem von Seiten der Politik und der Öffentlichkeit gearbeitet.

Die Werbung für den Soldatendienst ab 17 Jahren mit der sogenannten Infopost verstösst dabei, wie Armin Lauven im JW-Interview festhielt (29.1.25), „gegen die Grundsätze der UN-Kinderrechtskonvention. 150 Staaten der Welt halten sich daran, die Bundesrepublik nimmt für sich Ausnahmeregelungen in Anspruch. Dafür rügte der ‚UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes' die Bundesregierung mehrfach.“ Aufregung über Kindersoldaten findet ihr Material eben in Afrika oder sonstwo in der Ferne. Da wird dann schon mal ein Kongolesischer Milizenchef vom Internationalen Strafgerichtshof wegen der „Rekrutierung von Kindersoldaten“ verurteilt – „ein Meilenstein in der internationalen Rechtsprechung“, wie Amnesty International den bahnbrechenden Schuldspruch aus dem Jahr 2012 lobte. Sowas gilt natürlich für die Verhältnisse im Urwald, nicht für uns!

Das Präsentieren von Freiwilligen für den Krieg gehört immer zur Kriegsvorbereitung, dabei ist es mit der Freiwilligkeit spätestens im Ernstfall vorbei. Zu studieren ist das in der Ukraine mit ihren Häscher-Kommandos. Dass es süss und ehrenhaft ist, fürs Vaterland zu sterben („Dulce et decorum est pro patria mori“), haben schon die alten Römer behauptet: eine Lüge, die sich bis heute hält, wenn die Toten der Kriege geehrt werden. Würdigen kann man übrigens, sachlich gesehen, nur die Leistung oder Entscheidung eines Menschen. Aber die meisten, die den Heldentod sterben, werden ja gar nicht gefragt, sondern zwangsverpflichtet. Sich fürs Vaterland zu opfern, gehört zur in Stein gemeisselten Lüge für die Toten der Kriege. Die jetzt präsentierten Kinder sind daher Vorzeigeobjekte für die richtige Kriegsmoral, bei der es gar nicht darauf ankommt, warum jemand in die Armee eintritt, sondern: dass er es tut. Schliesslich besteht ein nicht unbeträchtlicher Teil der Ausbildung darin, den angehenden Soldaten das eigene Denken auszutreiben, das sollen sie ihren Vorgesetzten überlassen, sie haben auf Befehl hin zu funktionieren.

Suitbert Cechura