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Bernd Langer über die alte und neue autonome Antifa

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Radiotipi Interview über die Ereignisse in Giessen und zur Geschichte der Antifa Bernd Langer über die alte und neue autonome Antifa

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Politik

Bernd Langer ist einer der Gründer der sogenannten alten autonomen Antifa. Er ist auch Künstler und hat das vielfach weiterentwickelte Logo der autonomen Antifa gestaltet.

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Antifa Logo. Foto: Bernd Langer (PD)

Datum 2. Dezember 2025
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Inzwischen ist er überwiegend Autor und hat mehrere Bücher über die Antifa geschrieben. Wir haben ihn zur Geschichte der alten und neuen autonomen Antifa befragt.

FRIEDER: Hallo Bernd, du wirst als einer der Gründer der, ich nenne das jetzt so, alten autonomen Antifa bezeichnet. Du bist auch Künstler und hast beispielsweise das vielfach weiterentwickelte Logo der autonomen Antifa entwickelt. Inzwischen bist du überwiegend Autor und hast neben anderen Büchern mehrere Bücher über die Geschichte der Antifa geschrieben. Welche Bücher sind das und was ist aktuell in Bearbeitung?

BERND: Ich bin seit 1978 organisiert, seit 77 dabei und war tatsächlich mit ganz am Anfang der Bewegung sozusagen. Also ganz aufs Abstellgleis bin ich noch nicht gelangt. Also ich mache schon noch ab und zu ein paar Dinge, mische mich auf Demos ein und so weiter.
Aber das stimmt, hauptsächlich schreibe ich, reflektiere und analysiere. Und ich habe mein Leben sozusagen dem Antifaschismus gewidmet und habe das grosse Buch über die AntifaAktion geschrieben, das mittlerweile drei Bände hat. Zwei sind erschienen.

Also Antifa-Geschichte aller linksradikalen Bewegungen, Band 1 und 2 gibt es schon. Band 3 kommt im Frühjahr raus und dann kommt gleich hinterher "Antifa in den USA". Das ist eine Geschichte, die eigentlich schon in Band 3 sollte.

Aber der wäre dann so umfangreich geworden, das wäre dann wieder zu dick geworden. Also ich habe jetzt die Antifa-Geschichte dann in Deutschland, also von den Anfängen, das heisst also Kappputsch 1920 bzw. die Revolution in Russland und dann Kappputsch und so weiter, Beginn des Faschismus in Italien bis heute, auf tausend Seiten, biblisches Ausmass, dokumentiert.

FRIEDER: Jetzt die erste Frage zum Thema unseres Interviews. Alte und neue autonome Antifa. Die Antifa in den 80er Jahren unterschied sich doch sehr von der Antifa der 50er, 60er und 70er Jahre. Was war das Spezifische der alten autonomen Antifa?

BERND: Also vor der autonomen Antifa wurde der Begriff Antifa eigentlich so gar nicht verwendet. Den gab es kurz am Ende des Zweiten Weltkriegs und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit Antifa-Komitees in der DDR und so weiter. Dann verschwand dieser Begriff wieder.

Natürlich hat die VVN, 1948 gegründet, eine antifaschistische Politik betrieben. Sie hat sich aber selbst nicht als Antifa damals bezeichnet. Das ist eine Bezeichnung, die sie erst wieder sich zugelegt
hat in den 90er Jahren, glaube ich.
So davor war das undenkbar, dass sie das für sich verwendet haben. Zur VVN und diesem ganzen DKP-Spektrum hatten wir als Autonome ein sehr gespaltenes Verhältnis. Also ich rede jetzt von den 70er und 80er Jahren, weil die eine eigene Linie gefahren haben.

Das hiess, das war die Linie der SED im Wesentlichen, die sie auch finanziert und politisch gesteuert
hat. Das hiess, zur Militanz hatten sie ein sehr distanziertes Verhältnis, weil sie ja den Schulterschluss mit der Arbeiterklasse, das heisst eigentlich den Schulterschluss mit dem DGB und der SPD gesucht haben. Sie sagten, Militanz wirkt abschreckend auf die Leute, das wollen wir nicht.

Und mit der Neuen Linken gab es diverse Probleme in dieser Hinsicht, aber auch in anderer Hinsicht, zum Beispiel, dass wir ja parteienhierarchische Strukturen und so weiter in der Form abgelehnt haben. Da gab es einige Konflikte, sodass sie also nicht mit dabei gewesen sind bei dieser ersten Organisierungsphase. "Rock gegen Rechts" in Frankfurt am Main war daher sehr wesentlich.

Es gab mehrere grosse Konzerte, um das Deutschlandtreffen der NPD zu verhindern, zwischen 1979 und 1981. Drei Stück an der Zahl, die dort dann, die ersten mussten richtig durchgesetzt werden. Und da aus dem, wie soll ich sagen, Nachlass dieser Rock-gegen-rechts-Geschichte, die vor allen Dingen der KB, Kommunistischer Bund, das war so eine K-Gruppe, organisiert hatte, entstand dann die Idee, also weiterführende Antifa-Arbeit zu entwickeln.

Und dann hat man das norddeutsche Antifa-Treffen aufgerufen. Bei diesem Treffen waren alle möglichen Vertreter, Vertreterinnen unabhängiger Antifa-Gruppen dabei, mit Ausnahme von VV und DKP, die waren also nicht mit bei dieser Formierung. Und daraus, aus dieser ursprünglichen Zusammenkunft da, entstand dann eine Organisierung.

Das norddeutsche Antifa-Treffen, 1983, nach der Strassenschlacht der Falling Bostel gegen den NPDParteitag, wurde das dann praktisch von Autonomen übernommen, dieser Zusammenhang, und der KB völlig an den Rand gedrängt. Dann entstand ein westdeutsches, oder NRW-Treffen.
Und 1985, nach dem Tod von Günter Saar in Frankfurt / Main, auch ein süddeutsches Treffen.

Diese unabhängigen Treffen standen dann in Verbindung, koordiniert sozusagen, und das war eine bundesweite Organisierung. Das sollte aber keine Partei werden, und es ist auch keine Organisation in dem Sinne, dass man jetzt öffentlich aufgetreten ist, also ich bin von der Koordination oder sowas, sondern es war einfach, wir sammeln aktive Gruppierungen zusammen, die sich koordinieren, die sich austauschen, die versuchen direkte Aktionen gegen Nazi-Veranstaltungen und gegen Nazis zu organisieren, ohne dass jetzt jemand dafür öffentlich auftritt. Es war so eine halblegale Situation.

Es waren natürlich nicht sehr viele, aber es war eine sehr schlagkräftige Koordination, die im Grunde genommen so ein bisschen untergründig die Töne angegeben hat. Aber das war auch eine andere Zeit. Man kann die Bundesrepublik damals nicht mit der Bundesrepublik heute vergleichen.

Es war eine sehr postfaschistische Gesellschaft. Man muss sich vorstellen, dass das zum Beispiel so war, dass die Bundesrepublik Deutschland sich in den Grenzen des Deutschen Reiches vor 1937 völkerrechtlich verstanden hat. Also das war Staatsdoktrin.

Das heisst, man ist davon ausgegangen, dass die Bundesrepublik praktisch ein Teilbereich des Deutschen Reiches ist, das fort existiert und das also für diese anderen Bereiche dann auch völkerrechtlich zuständig ist. Das wäre heute eine rechtsradikale Ansicht. Damit will ich nur sagen, wenn man vieles von damals mit heutigen Augen messen würde, dann wäre vieles schon rechtsradikal.

Das muss man alles mit einbeziehen, Ost-West-Konflikt und so weiter. Sonst versteht man nicht, wie gewisse Dinge entstanden sind. Die autonomen Antifas haben dann, wie gesagt, im Grunde genommen als avantgardistische Organisation militant agiert, eine Zeit lang.

Parole war im Kampf gegen Faschismus auf die eigenen Kräfte vertrauen, weil andere hat man auch nicht gesehen. Man wollte ja mit solchen militanten Leuten nichts zu tun haben. Der Staatsapparat hat den Neofaschismus nicht ernst genommen als Gefahr.

Man hat gesagt, es gibt ewig gestrige, die werden irgendwann mal aussterben. Es gibt ein paar jugendliche Idioten, aber die sich da auf der Strasse rumschlagen, das sind nur rebellierende Jugendbanden, das ist kein politisches Problem. Damit haben wir nichts zu tun.

Es gab natürlich Probleme, wenn es Tote gegeben hat. Ich erinnere an die Wehrsportgruppe Hoffmann 1980, da gibt es dann auch ein Verbot. Das ist natürlich klar, da greift der Staat ein.

Aber erst immer, wenn es Tote gegeben hat oder so, vorher ist da nicht viel passiert. Und dagegen haben wir uns eben dann mobilisiert und engagiert und sind zu Felde gezogen, würde man heute sagen.

Es gab ein paar Sachen, die ganz neu waren.

Das eine, was neu war, war, es hat sich also parallel zu diesen Koalitionen eine klandestine Organisierung mobilisiert, die dann Anschläge gegen neofaschistische Treffpunkte und so weiter durchgeführt hat, kontinuierlich. Das hat es vorher noch nicht gegeben. Und eine andere Sache war, dass man auch versucht hat, jetzt den Antifaschismus als das Wesentliche zu sehen.

Nicht mehr als ein Nebenwiderspruch, weil in kommunistischen Ideologien und anderen ist das nur ein Nebenwiderspruch, ein Klassenwiderspruch und alles andere sortiert sich dem unter. Und für uns war der Antifaschismus das zentrale Problem. Und deswegen haben wir dann auch, wir haben das natürlich im Zusammenhang mit dem System gesehen und haben dann auch so theoretische Anläufe, Autonomen Antifaschismus, mit einer hyperradikalen Anschauung, will ich jetzt uns ersparen, im Grunde genommen ist es nichts weiter als diese alte kommunistische Ideologie nur noch hoch 10 sozusagen gesehen.

Was wirklich neu war, war, dass auch die Autonomen Antipatriarchal auftraten, also zumindest aufgetreten sind. Ich habe das neulich erst gelesen, es gab dann auch ein
Frauentreffen. Damals war es so, dass Frauen sich beschwert haben, sozusagen.

Bei den letzten Treffen wären nur 25 Prozent Frauen gewesen. Das war tatsächlich ein Problem in dieser Zeit. Heute sieht das ja ganz anders aus.

Aber damals war das tatsächlich so und dieses Antipatriarchale, Diskussion und so weiter spielte eine grosse Rolle und das war wirklich neu. Und zu Ende gegangen ist das eigentlich schon 1987, da diese Autonomen Strukturen zwar militant und zielgerichtet waren, aber eben diesen politischen Aspekt, also eine breiter angelegte Bewegung zu sein, mit Bündnispartnern so eine Politik zu betreiben, nicht ausgelegt war, führten diese militanten Aktionen natürlich zur Repression und dann unter dem Repressionsdruck ist vieles zusammengebrochen.

Also ich kann es kurz skizzieren. 1987 gab es die Schüsse an der Startbahn West, wo zwei Polizisten erschossen worden sind.

Dann gab es eine riesige Repressionswelle im Süden der Republik, da sind praktisch alle Antifa-Strukturen mit gleich untergegangen. Wenig später gab es in Nordrhein-Westfalen eine grosse Problematik mit einer Antipatriarchatsdiskussion, Vergewaltigungsvorwurf und die Strukturen waren schon soweit geschwächt, die haben dieses Problem nicht mehr so lösen können.

Und auch im Norden ist die Sache an einer Repression, dann von der Repression im Grunde genommen, ja soweit in Mitleidenschaft gezogen worden, dass sich das dann aufgelöst hat.

Interne Streitigkeiten haben dann überhand genommen. Das Problem war, es gab keine politische Weiterentwicklung.

Und 1989, kurz vor der Wende sozusagen, kurz davor, wo jetzt die Antifa dann wirklich wieder notwendig wurde, sind die alten Strukturen im Grunde genommen komplett, haben sich komplett zerlegt und aufgelöst. Aber nicht total 100 Prozent, von allem bleibt immer ein bisschen was übrig. Es gab dann so eine kleine Übergangsphase, es spielte so eine Kunstausstellung eine Rolle, wo es dann doch noch Netzwerke gab.

Es gab ja noch Gruppen, die übrig geblieben waren und so weiter. So ein Zusammenhang wurde schon noch gehalten. Es gab auch einen neuen politischen Impuls durch BündnisDemonstrationen, eine neue Idee, die man jetzt hatte, mit Gewerkschaftern, Grünen und so weiter, zusammen zu den Nazis hingehen und nicht mehr warten, bis sie da sind.

Also wir bestimmen Ort und Zeitpunkt und wie wir gegen sie vorgehen. Das war eigentlich relativ erfolgreich. Und dann kam die Sache mit der DDR-Wiedervereinigung und dann diese grosse neonafaschistische Welle und dann natürlich auch die gleiche Art, so praktisch die Gegenwelle.

Da wurde ja Antifa zu einer Allgemeinbewegung. In den 90er-Jahren wurde ja das grosse Jahrzehnt der Antifa-Bewegung, als die ganze Subkultur im Grunde genommen dann die politische Subkultur beeinflusst hat. Und in diesem Zusammenhang gibt es dann wieder Bemühungen, bundesweite Organisierungen in den Weg zu leiten.

Auch wieder mit der Richtung, wir wollen keine Partei sein, aber irgendwie wollen wir uns schon organisieren. Hier gibt es dann eine Änderung. Es gibt die antifaschistische Aktion bundesweite Organisation, AABO. Es gibt das BRT, das bundesweite Antifa-Treffen. Es gibt auch noch ein paar andere. Man kann sagen, viele oder fast alle der heutigen bundesweiten Organisationen haben ihre Wurzeln in dieser Zeit, weil da gab es diese starke Bewegung und da gab es diese Versuche, sich dann dort zu manifestieren.

Es gab schon da einen Unterschied zu den 80er-Jahren. Diese Kommandomilitanz in der Form hörte auf und man hat sich auch nicht mehr auf diesen hyperradikalen, autonomen Antifaschismus bezogen, sondern hat gesagt, wir sind jetzt revolutionäre Antifaschismus. Das war so ein neuer Aspekt.

Ich habe es mal so umschrieben. Autonomer Antifaschismus war der Kampf gegen das Ganze und der revolutionäre Antifaschismus um das Ganze. Also man wollte im Grunde genommen jetzt auch öffentlich in Erscheinung treten, mit Demonstrationen versuchen, also Einfluss auf Diskussionen zu nehmen, als politischer Akteur auch auftreten. Nicht nur hinterm Busch und dann irgendwie schlagen wir mal zu, sondern eben auch als politische Bewegung erkennbar sein.

Deswegen kommt dann auch diese Fahne, die ist ja 1987 schon entwickelt worden, diese rote Fahne mit den schwarz-roten Fahnen drauf. Mit Bezug auch auf Organisierung im Übrigen, wo sich auf die alte Arbeiterbewegung bezogen hat mit der roten Fahne. Heute wird viel die Schwarze genommen, ist auch egal, aber so war jedenfalls die ursprüngliche Idee, diesen Organisierungsprozess, Bündnisprozess und so weiter, das in den Vordergrund zu stellen.

FRIEDER: Inzwischen hat sich auch die autonome Antifa stark weiterentwickelt. Wie siehst du heute die Antifa? Sind die vielen bunt gekleideten Aktivistinnen, die Queerbewegung, die Hacker und Hexen und viele andere noch Autonome? Wie unterscheidet sich die neue Antifa von der alten autonomen Antifa?

BERND: Antifaschismus ist jetzt nicht mehr etwas, was ein kommunistischer Begriff ist, was es ja vorher war, also Antifaschismus, Antikapitalismus, sondern man würde sagen, nein, alle sind ja Antifaschisten, weil wir ja alle gegen Nazis sind und sie Bundesrepublik Deutschland fühlt sich dann auch so befreit wie Holland und andere westeuropäische Länder und so weiter.

Das kommt alles erst in den 2000ern und in diesem Fall kommen ja auch diese staatlich, naja, das ist so ein bisschen despektierlich, aber subventionierten Organisierungen gegen Rechtsextremismus auf. Die nennen sich Bunt statt Braun, Omas gegen Rechts und wie sie alle heissen, die dann sich nicht antifaschistisch nennen, sondern gegen Rechtsextremismus auftreten und die dann auf dem Feld des Antifaschismus eine grosse Rolle beginnen zu spielen. Es hat sich einiges geändert.

Es gibt ja schon noch autonome Strukturen, die aber jetzt dann da im Mischmasch sozusagen auftreten, auch diese zivilgesellschaftlichen Widerstandsformen da mitnehmen oder mit zelebrieren. Da hat sich einiges verändert, aber ich würde das jetzt gar nicht in so einer Skala gut oder schlecht nennen. Also heute haben wir eben die Situation, dass viel mehr Leute jetzt auf so eine Demo gehen, wenn ich jetzt an Giessen denke, also so viele Leute, das ist in den 80er Jahren gar nicht möglich gewesen.

Da waren die grössten Demos, die die autonomen Antifa hingestellt haben, 2000, vielleicht mal 3000 Leute, die haben zwar auch mal zugelangt, aber das ist ja von der Masse her gar nicht so viel und würde hier also in Giessen gar keine Rolle spielen. Also mit 2000 Leuten kriegt das die Polizei schon irgendwie in den Griff, wenn das viel mehr werden wird das schon schwierig. Und von daher würde ich sagen, es ist schon eine Fortentwicklung, dass es auch in die Gesellschaft hinein sozusagen mehr Relevanz gewonnen hat, dieses Thema Antifaschismus und deswegen kann man das nur gut finden.

Dass jetzt jeder sagt, er ist Antifa, da ist der Begriff im Grunde genommen, ja ich weiss nicht, ob man das sagen soll, entwertet, das hört sich jetzt ein bisschen hart an, aber dass das jetzt alle möglichen für sich strapazieren, ist dann geschuldet, weil sich das ganz geil anhört, Antifa, als Abkürzung.

Für mich ist Antifa immer noch was anderes, immer noch ein organisierter Mensch, der so in der Antifa auch eine Idee sieht und das auch lebt und der da drin was macht und diese Leute gibt es ja auch und wenn andere sich da einsortieren, was Antifa ist, kann man ja auch nichts gegen machen, ist okay. Und wenn die Leute heute bunt auf die Strasse gehen, statt nur schwarz, ist das auch okay, das ist ja eigentlich nur eine äusserliche Form.

Also ich bin immer noch ein Freund des klassischen Auftritts, aber wie gesagt, wenn man es Gegeneinander hält, wenn das jetzt 50.000 sind, 10.000 oder was weiss ich, einfach Zahlen, da ist die Antifa früher gar nicht rangekommen.

Was die autonomen Antifa-Zusammenhänge in den 80er-Jahren gar nicht drauf hatten, hatte ich ja erwähnt, ist andere Leute, also die jetzt nicht die 150-prozentigen Antifa-Zähnenkämpfer sind, in den Prozess mit einzubeziehen, irgendwie zu sehen, ja was mache ich denn hier mit der Omi, die sich auch antifaschistisch eigentlich aktivieren will, aber die können bei uns schlecht andocken oder so weiter. Und das hat auch in den 90er- Jahren, wo das Konzept gefahren hat, hat das auch nicht funktioniert, weil es blieb immer die autonome Antifa, Antifa-Aktivisten waren immer aktiv in den Gruppen, die in einer speziellen Richtung waren sozusagen, das war der Kreis und darüber ging es nicht hinaus.

Und diese zivilgesellschaftlichen Gruppen, die sich entwickelt haben, entwickelt wurden um 2000, sie füllen genau diesen Bereich aus, das sind genau diese Leute, die einfach sagen, so wir bringen uns auf unsere Art und Weise in diese Geschichten ein, also wir blockieren das mit unseren Mitteln, also wir setzen uns da hin oder machen was weiss ich für Geschichten und deswegen ist das eine ganz logische Ergänzung im Grunde genommen. Und deswegen ergänzt sich das auch praktisch, wie ich finde. Wenn wir das jetzt hier in Giessen zum Beispiel als Beispiel nehmen, da kommen ja auch zivilgesellschaftliche Gruppen her, die sich dann mit auf die Strasse setzen und diesen Aktionsformen, dann verweigern und das ist also für mich eine logische Entwicklung, die sich also daraus ergibt.

FRIEDER: Ist es im Zeitalter von hochauflösenden Handys, öffentlichen Überwachungskameras und bestens ausgerüsteten Filmteams der Polizei nicht angemessen, dass wir Linke antifaschistische Influencer nicht nur dulden, sondern sogar in ihrer Arbeit unterstützen?

BERND: Ja, aber immer mit Vorsicht. Also man müsste die Leute schon kennen, man muss da volles Vertrauen haben und nicht einfach jetzt sagen, jetzt gibt es hochauflösende Kameras, dann ist das sowieso alles Quatsch, dann kann jeder filmen und machen, wie er will. Also so würde ich das auch nicht sehen.

Es gibt auch viele Sachen, die live gefilmt wurden, wo es eben genau in die andere Richtung ging. Es gibt viele Beispiele, wo Filmaufnahmen dafür genutzt worden sind, um Leute zu verknacken. Also da muss man wirklich sehr, sehr vorsichtig mit sein und da würde ich so generelle Massregeln gar nicht aufstellen.

Ich würde sagen, wenn ich die Leute kenne, die das machen, wenn die verlässlich sind und irgendwie in den Zusammenhängen bekannt und so weiter, kann man das mit denen oder sollte man das sogar mit denen zusammen machen, aber ansonsten sehr, sehr vorsichtig sein.

FRIEDER: Danke Bernd für dieses ausführliche Interview. Wir wünschen dir viel Erfolg mit deiner weiteren Arbeit.

Frieder vom RadioTipi von Radio T aus Chemnitz.

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