Der Militärputsch Santiago de Chile Der elfte September in Chile

Politik

11. September 2011

Der Putsch der demokratisch gewählten sozialistischen Regierung unter Salvador Allende 1973 durch chilenische Faschisten rief einen internationalen Aufschrei der Menschen hervor.

Augusto Pinochet mit Mario Arnello.
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Augusto Pinochet mit Mario Arnello. Foto: Biblioteca del Congreso Nacional de Chile (CC BY 3.0 cropped)

11. September 2011
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Einmal mehr wurde die Unmenschlichkeit des kapitalistischen Westens und besonders der USA deutlich, deren Geheimdienst CIA den Staatsstreich unterstützte.

Allende wird Präsident und erste Probleme

Im Jahr 1970 wurde Salvador Allende mit dem Linksbündnis Unidad Popular ins Präsidentenamt gewählt worden. Bereits Allendes Vorgänger Eduardo Frei Montalva begann mit Reformen, indem er unter anderem die Kupferminen des Landes verstaatlicht und eine weitreichende Bodenreform durchführte. Allende setzte diesen Kurs fort und gewann dadurch enormes Vertrauen in weiten Teilen der Bevölkerung. Eine breite Demokratisierung der Gesellschaft war die Folge.

Die Zustimmung der einfachen Bevölkerung zu Allendes Politik bedeutete gleichzeitig die zunehmende Ablehnung seiner Politik durch Industrielle, Grossgrundbesitzer und andere Menschen der politischen Rechte Chiles. Bereits 1971 kam es zu einem Mordanschlag auf den ehemaligen Minister Pérez Zújovic. Dieser Mord wurde zunächst einer linksradikalen Gruppe angelastet, tatsächlich wurde Zújovic wahrscheinlich von Rechten getötet, um das Linksbündnis zu spalten. Tatsächlich beendeten im folgenden Jahr die Christdemokraten, zu denen Zújovic gehörte, ihre Unterstützung für Allende auf und schlossen sich der rechten Opposition an.

Die Zustimmung für die sozialistische Regierung wurde auf der politischen Ebene geringer. Der vierwöchige Besuch Fidel Castros in Chile verstärkte international den Eindruck, Chile würde sich am gesellschaftlichen Modell Kubas und der Sowjetunion orientieren, was das Misstrauen gegen Allende in rechten Kreise weiter verstärkte. Bereits zu diesem Zeitpunkt nahmen rechte Militärs in Chile Kontakt mit den USA auf, um über eine mögliche Zusammenarbeit gegen die sozialistische Regierung auszuloten.

Der Konflikt verschärft sich

Proteste von Bauern gegen die Landverteilung, die Landkollektive dem von Allende angestrebten Modell der Vertragsfarmern bevorzugten, liessen die Anspannungen im Land weiter steigen. Die Besetzung von Ackerland durch Bauern hatte eine Lebensmittelknappheit zur Folge, was 1972 zur Rationierung von Grundnahrungsmitteln führte. Die von der politischen Rechten geschürten Konflikte verschärften sich weiter nachdem das ganze Land von Streiks überzogen wurde. Die wachsende Unzufriedenheit vieler Menschen und das gleichzeitige Schüren der Konflikte durch rechte Splitergruppen führte zu Strassenschlachten mit Toten auf beiden Seiten, was dazu führte, dass die Regierung den Notstand ausrief. Mehr als 600 Terroranschläge und Sabotageakte gegen die eigene Wirtschaft und die nationale Infrastruktur verschärfte das Durcheinander und die Unsicherheit im Land.

Die Ausrüstung, wie Sprengstoff und Gewehre für die Rechten, wurden meistens von der CIA besorgt, wenn nicht die Armeedepots der chilenischen Armee geplündert wurden. Erst die Einbindung rechter Militärs in die Regierung, wie den General Carlos Prats, sorgten für eine zeitweise Entspannung der Lage, die Beziehungen zu US-Geheimdiensten wurden dabei nicht eingestellt.

Generalstreik und Demonstrationen

Nach den Wahlen Anfang 1973, die eine Patt-Situation zwischen der sozialistischen Regierung und der echten Opposition ergab, konnte Allende keine Mehrheit für Gesetzesänderungen mehr bekommen. Gleichzeitig fehlte der Opposition eine zwei Drittel Mehrheit für die Absetzung Allendes. Eine neue Eskalation stand unmittelbar bevor. Wieder streikten erst die Kupferarbeiter, dann die Fuhrunternehmer. Das Land stand kurz vor einem Generalstreik. Im Juni wurde ein erster Putschversuch durch Coronel Roberto Souper, vereitelt.

Wieder berief Allende das Militär in sein Kabinett, doch die zunehmend rechtsgerichteten Generäle waren lange nicht mehr republiktreu. Nach der Ablösung des zum liberalen Flügel des Militärs gehörenden Generals Prats, durch General Pinochet, wendete sich auch Allendes Partei gegen ihn. Nach einem Mistrauensvotum im chilenischen Parlament gegen Allende und einer Demonstration mit über 700.000 Teilnehmer_Innen stand das Land wieder kurz vor einem Generalstreik.

Pinochet putscht

Am morgen des 11. September wurde Salvador Allende durch einen Telefonanruf geweckt und bekam die Nachricht, dass sich weite Teile des Militärs gegen ihn gewandt hätten und seinen Rücktritt forderten. General Pinochet, der Oberbefehlshaber der chilenischen Streitkräften, war nicht erreichbar. Daraufhin begab sich Allende mit seiner Familie, dem Kabinett und einigen Getreuen im Präsidentenpalast Moneda. Als 8Uhr morgens durch das Radio die Forderungen der Putschisten verlesen wurden, war auch klar, dass Pinochet zu den Putschisten zählte. In seiner letzten Rede Salvadors, die nur noch von wenigen noch nicht bombardierten regierungstreuen Radiosender gesendet wurde, sagte er:

„Mit Sicherheit ist dies die letzte Gelegenheit, mich an Sie zu wenden. Mir bleibt nichts anderes, als den Arbeitern zu sagen: Ich werde nicht aufgeben! In diesem historischen Moment werde ich die Treue zum Volk mit meinem Leben bezahlen. Sie haben die Macht, sie können uns überwältigen, aber sie können die gesellschaftlichen Prozesse nicht durch Verbrechen und nicht durch Gewalt aufhalten. [...] Arbeiter meiner Heimat: Ich möchte Ihnen für Ihre Treue danken. Es lebe Chile! Es lebe das Volk! Es leben die Arbeiter! Dies sind meine letzten Worte und ich bin sicher, dass mein Opfer nicht umsonst sein wird, ich bin sicher, dass es wenigstens ein symbolisches Zeichen ist gegen den Betrug, die Feigheit und den Verrat.“

Gegen Mittag griffen Kampfjets den Moneda an, anschliessend begannen Bodentruppen mit der Erstürmung des Moneda. Während der Erstürmung des Palastes begann Allende wahrscheinlich Selbstmord.

Pinochets Regimes

Nach der Machtergreifung Pinochets wurden mehr als 2.000 Menschen verhaftet, die hauptsächlich aus Gewerkschaftlern und Sympathisant_Innen der alten Regierung. Folter und Morde waren in den Gefängnissen an der Tagesordnung. Fussballstadien, Schulen, Konferenzhallen und andere öffentliche Gebäude wurden zu regelrechten Konzentrationslager umgerüstet. Mehr 30.000 Menschen wurden während dieser Zeit ermordet, selbst die US-Regierung geht von mindestens 5.000 Toten aus. Erst 1990 fand Chile zur Demokratie zurück, das Verhältnis zu den USA ist seitdem getrübt, nicht zuletzt weil unter der Rettig-Kommission die Beteiligung der CIA an dem Putsch erstmals offengelegt wurde.

Die Schlacht um Chile

karl 11.09.2011 - 17:52 Die Schlacht um Chile In seiner dreiteiligen Dokumentation zeichnet Patricio Guzmán die Endphase der Regierungszeit von Salvador Allende nach. Der Film besteht nicht aus Archivmaterial, Guzmán und sein Team drehten kontinuierlich zwischen 1972 und 1979. Chiles bedeutendstem Dokumentarfilmer gelang es, das Rohmaterial ins kubanische Exil zu retten und dort sein monumentales Zeugnis des „Kampfes eines unbewaffneten Volkes" -- so der Untertitel des Films -- zu gestalten. In Chile unterliegt Die Schlacht um Chile der Zensur und wurde nie vom staatlichen Fernsehen ausgestrahlt.

Calle Santa Fé

Am 5. Oktober 1974 stürmt die chilenische Geheimpolizei DINA in Santiago das Haus in der Calle Santa Fé 725. Carmen Castillo, die Regisseurin des Films, lebt seit dem Putsch Pinochets im Untergrund, sie ist im sechsten Monat schwanger. Gleich zu Beginn des Schusswechsels zwischen den DINA-Agenten und MIR-Aktivisten, wird sie verwundet und verliert das Bewusstsein. Zwei Genossen gelingt es zu fliehen, doch Carmen Castillos Lebensgefährte Miguel Enriquez, Gründer und Generalsekretär der MIR, wird erschossen. Castillo überlebt schwer verletzt und wird aufgrund internationaler Proteste aus der Haft entlassen und nach Frankreich ausgewiesen. Dreissig Jahre später ist sie nach Santiago zurückgekehrt und hat einen Dokumentarfilm über die damaligen Ereignisse gedreht. Calle Santa Fé ist nicht nur eine Erinnerung an den gefallenen Genossen und Lebensgefährten, sondern auch eine Reflexion über die Bedeutung des Kampfes der MIR in Chile während der Regierungszeit der Unidad Popular und unter der Militärdiktatur.

Ali