Fidel Castro Ruz, 1926 – 2016 Fidel Castro: Nachrufe auf einen Revolutionär

Politik

Die Reaktion der westlichen Leitmedien auf das Ableben des Máximo Lider ist gemischt und eine gewisse Unzufriedenheit klingt aus den Meldungen hervor.

Fidel Castro am Flughafen von Washington, April 1959.
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Fidel Castro am Flughafen von Washington, April 1959. Foto: Library of Congress (PD)

7. Dezember 2016
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Sich so richtig freuen und eine grosse Fiesta machen wie die Exilkubaner in Miami, schickt sich erstens nicht für pietätvolle Schmierfinken, und die Freude ist auch getrübt, weil eben mit Fidel Castros Tod das System, das er mit aufgebaut hat, nicht verschwindet. Im Gegenteil. Sein allem Anschein nach recht rüstiger Bruder bekräftigt seine Entschlossenheit, so weiterzumachen wie bisher, und er hat offenbar ein Team, das ihn dabei kräftig unterstützt.

Der sehr kindische, aber demokratisch durchgesetzte Führerkult blamiert sich hier wieder einmal. Es hängt nicht an einer Person, ob in Kuba Kommunismus, Versorgungswirtschaft oder Marktwirtschaft herrscht. Die kubanische Form Staat zu machen beruht auf einem relativ breiten Konsens in Regierung und Bevölkerung und war nicht ein Spleen eines durchgeknallten Alleinherrschers. Nicht nur, dass die Führungsmannschaft kein Zeichen von Schwäche zeigt – auch in der Bevölkerung bahnt sich offenbar kein Aufruhr an, obwohl die Medienfuzis mit Taschenlampe und Lupe nach Zeichen von „Widerstand“ suchen.

Diese Enttäuschung darüber, dass sich mit Fidels Abgang gar nix ändert, prägt die Schlagzeilen.

Castro tot – Kuba leider immer noch sozialistisch

„Und was jetzt, Kuba? Immer noch „Sozialismus oder Tod“? titelt „Die Welt“ vor 4 Tagen. Ärgerlich ist dabei, dass die Frage beantwortet ist, und zwar nicht im Sinne der „Welt“: Der Sensenmann hat nur Castro geholt, den Sozialismus hat er dortgelassen. In der gleichen Diktion geht es weiter:

„Es ist die Stunde Null in Havanna.“ Zum Leidewesen der „Welt“ eben nicht. „Fidel Castro wurde von vielen Kubanern vergöttert“ – völlig zu Unrecht, wie die „Welt“ weiss. „ – doch er war auch das grösste Hindernis für einen Neubeginn.“ Vielleicht wurde er genau dafür so geschätzt?
„Doch über einem neuen Anfang liegen bereits Schatten.“ Womöglich wird aus diesem angestrebten „neuen Anfang“ gar nix.

Besondere Anstrengungen, Castro und sein Kuba schlechtzureden, macht das „El País“, dessen Korrespondent bereits vor Jahren wegen seiner regierungsfeindlichen Ansichten und Tätigkeit der Insel verwiesen worden war. „Fidel ist ein Mythos, eine Erfindung, deren Schöpfer und Darsteller er in einem ist.“ Leider verschwindet dieser vom „El País“ geschmähte Mythos nicht mit seinem Darsteller …

„Sein Sozialismus ist ein Mythos: wir sehen den Zusammenbruch des sowjetischen Modells.“ Leider ist er in Kuba nicht zusammengebrochen …
„Genauso ist es mit demjenigen vom souveränen Vaterland: um dieses von der US-Abhängigkeit zu lösen, unterwarf er es der sowjetischen Abhängigkeit“, die der kubanische Sozialismus leider auch überlebt hat.

„Fidel Castro: ein disproportioniertes ökonomisches Erbe“

Man fragt sich nur, disproportioniert für wen? „Cuba ist eine seltene Kombination von sozialen Indikatoren der 1. Welt mit wirtschaftlichen Indikatoren der 3. Welt“ So kann man es ausdrücken, dass die Kubaner nicht so arm sind, wie sie laut „El País“ eigentlich sein müssten.

„Laut dem vom UNO-Programm für Entwicklung (UNDP) erstellten Index für Menschliche Entwicklung steht Kuba in ganz Lateinamerika und der Karibik immer noch an erster Stelle, was Erziehung betrifft, und an zweiter bezüglich der Lebenserwartung.“ Na super, sollte man meinen. Von wegen Mythos, Abhängigkeit, Zusammenbruch usw.!

„Nun ja, diese Erfolgsstory kann man auch als Scheitern betrachten, wenn man einen anderen Gesichtspunkt einnimmt und sich fragt: wieso ist ein Land mit solchen ausserordentlichen Fortschritten auf sozialem Gebiet wirtschaftlich so arm?“ Wir von „El País“ wollen es auf jeden Fall als Ungehörigkeit betrachten, wenn ein Land wie Kuba sich ein Unterrichts- und Bildungssystem leistet, von dem manche Armen in Spanien nur träumen können. Letztlich, so dieser luzide Artikel, gibt es dort weder Kapital noch Eigeninitiative und das ist unerhört.

Auch ein Nachruf im „Spiegel“ windet sich und wirft ihm Betrug an seinen Idealen vor – der übliche billige Trick derer, die meinen Gesellschaftskritik sei schön, hätte aber folgenlos zu bleiben:

„Er galt als moderner Revolutionär, der Kuba von der Diktatur befreit hatte und in ganz Lateinamerika zum Vorbild wurde mit seinem Versprechen einer gerechteren Gesellschaft. Doch seine moralische Weste hatte längst Risse bekommen: In seinem Land wurden Dissidenten verfolgt, Bürger bespitzelt, wurde Mangel verwaltet.“ Na und? möchte man fragen. Das ist offenbar kein Widerspruch gegenüber dem ohnehin zweifelhaften Ideal von „Gerechtigkeit“.

„Über den Golf von Mexiko hinweg beteiligte Castro sich an der grossen Auseinandersetzung seiner Zeit: Kommunismus gegen Kapitalismus, das kleine Kuba mittendrin.“ Und immer noch kommunistisch, obwohl nicht mehr mittendrin! „Seiner Ideologie schwor er nie ab, auch wenn sie sein Land zurückwarf.“ „Zurück“ gegenüber was? Haiti? Oder dem Glamour, das Puff der USA zu sein, wie unter Batista? Der Ärger darüber, dass in Kuba nicht marktwirtschaftlich produziert und kalkuliert wird, ist unüberhörbar.

Die „New York Times“ lässt sich auch nicht lumpen und erinnert daran, dass sie sich seit 1959 auf einen Nachruf für Fidel Castro vorbereitet hat, x Entwürfe verfasst wurden, und jetzt können sie ihn endlich schreiben. „Es gab eine Menge Prophezeiungen auf Unruhen, die bei Fidels Tod ausbrechen würden, aber diese Aussichten verblassten, als er die Amtsgeschäfte erfolgreich seinem Bruder Raúl übergab.“

Wieder nix! Kein Hoffnungsschimmer!

„Castros Tod entblösst einen Generationskonflikt in Havanna.“ Man wartet auf Enthüllungen. Allerdings vergeblich.
„Nach Jahrzehnten von nicht eingelösten Versprechen bezüglich Wirtschaftswachstum könnte Castros Tod inner- und ausserhalb Kubas Gräben bezüglich des einzuschlagenden Weges aufreissen.“ Der Wunsch ist unüberhörbar, dass es doch so kommen möge, obwohl nichts dafür spricht.

„Eine unabhängige Bloggerin … erwartet, dass Fidels Tod zu mehr Meinungsvielfalt bei der Führung führen könnte.“ Wow, die aufständische Jugend meldet sich zu Wort! „Viele junge Leute zeigten keine sichtliche Regung, als Fidels Tod bekannt wurde. Am Sonntag verbrachten sie den Tag wie gewöhnlich und meinten, dass sich mit Fidels Abgang wenig ändern würde.“ Das befürchtet die NYT auch.

Also, die Begeisterung der Journaille hält sich in Grenzen. Fidel ist alt geworden und in Ehren gestorben, und das „Regime“ in Kuba wankt nicht. Man kann zur Tagesordnung übergehen und sich anderen Themen widmen.

Amelie Lanier