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Die neue Phase der Kriege und Militarisierung im Nahen Osten (Teil 2)

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Der Einfluss der Iran-Israel-Frage auf den intellektuell-politischen Raum im Iran Die neue Phase der Kriege und Militarisierung im Nahen Osten (Teil 2)

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Politik

Die Invasion Israels im Iran hat einen weiteren Krieg im Nahen Osten entfacht – damit wird es noch schwieriger, die katastrophale Lage in der Region zu beschreiben.

Israelischer Angriff auf Teheran, 3. Juli 2025.
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Israelischer Angriff auf Teheran, 3. Juli 2025. Foto: Masoud Shahrestani - Tasnim News Agency (CC-BY 4.0 cropped)

Datum 7. August 2025
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Nachdem sich das iranische Regime nach der Machtübernahme infolge der Revolution von 1979 der linken revolutionären Bewegungen entledigt hatte (u.a. durch Massenverhaftungen, Zerschlagung der revolutionären Bewegungen und Massenhinrichtungen von politischen Gefangenen), etablierte die Islamische Republik ihre politisch-ideologische Doktrin auf der Grundlage des Schiismus, des Anti-Istikbar (Opposition zur westlichen Vorherrschaft) und des Antizionismus.

Seit Jahrzehnten erleben die Menschen im Iran, dass der derselbe Apparat, der ihre grundlegenden Forderungen mit Unterdrückung, Inhaftierung und Hinrichtung beantwortet, sich gleichzeitig die Verteidigung des palästinensischen Volkes auf die Fahne schreibt, die kompromisslose Feindseligkeit gegenüber westlichen Staaten im Allgemeinen und Israel im Besonderen hochhält und sich dabei auf Verse aus dem Koran und islamischer Lehren beruft.

Die Tatsache, dass keine der oppositionellen Bestrebungen, Proteste und Massenaufstände der letzten Jahrzehnte etwas an der Unterdrückung im Iran verändern konnte, begünstigte die Ausbreitung bestimmter ideologischer und politischer Tendenzen in der Gesellschaft – Tendenzen, die in der Ablehnung der Grundlagen der Staatsdoktrin verwurzelt sind. Dazu gehören:
  • Säkularismus und sogar Antireligiosität (in Opposition zu einem religiösen Staat).
  • Nationalismus (im Gegensatz zur jahrelangen Verunglimpfung solcher Gefühle durch den Staat zugunsten des Islam).
  • Begeisterung für westliche Modelle des gesellschaftspolitischen und kulturellen Lebens (als Reaktion auf die feindliche Haltung des Staates gegenüber dem Westen und als Reaktion auf alle vom IR auferlegten Einschränkungen des Lebensstils).
  • Heroische Verteidigung des „freien Marktes” (als Alternative zur mangelhaften und krisengeschüttelten iranischen Wirtschaft, die weitgehend als Staatswirtschaft verstanden wird).
  • Pro-israelische Stimmung/Haltung (aufgrund der offiziellen anti-israelischen Rhetorik und der Rechtfertigung der kostspieligen regionalen Interventionen des Staates auf Basis der Strategie der „Achse des Widerstands“).

Die Ausbreitung anti-linker und anti-revolutionärer Diskurse im Iran und die Rolle monarchistisch-nationalistischer Strömungen

Vor diesem Hintergrund haben Diskurse im Iran weitreichenden Einfluss gewonnen, die Antikommunismus, Linkenhass und ganz allgemein anti-revolutionäre Einstellungen fördern. Die systematische Verbreitung dieser anti-linken und anti-revolutionären Diskurse wurde erstmals von der reformistischen Fraktion innerhalb der Machtstruktur der IR betrieben (seit der Präsidentschaft von Khatami im Jahr 1997). Sie zielte darauf ab, das neoliberale Projekt voranzutreiben und den sozialen Widerstand durch die Verbreitung der neoliberalen Ideologie zu neutralisieren.

Diese reformistische Fraktion startete eine massive Kampagne gegen linke Ideen und Tendenzen und verurteilte später sogar die Revolution von 1979 (und das Konzept der Revolution an sich), weil diese von marxistischen und antiimperialistischen Lehren geprägt sei. Nachdem die in Ungnade gefallenen Reformisten aus dem Machtzentrum zurückgezogen worden waren, setzten sie ihre Arbeit viele Jahre lang am Rande des Staatsapparats fort und nutzten ihren politischen Einfluss und ihre Ressourcen, um die anti-linken und anti-revolutionären Diskurse weiter zu verbreiten.
Durch die Verbindung mit nationalistischen Ideologien, legten sie den Grundstein für das Aufkommen monarchistischer Narrative sowie nostalgisch-nationalistische Narrative über ein persisches Grossreich. Viele ehemalige Reformist*innen wurden sogar zu Theoretiker*innen, Aktivist*innen und Verfechter*innen des Monarchismus.

Als der Einfluss monarchistischer Kreise zunahm, nahmen die Monarchisten anti-linke Parolen in ihr Repertoire gängiger Parolen (Rassismus gegen unterdrückte Nationalitäten im Iran, Fremdenfeindlichkeit und Feindseligkeit gegenüber afghanischen Migrant*innen, Islamfeindlichkeit und anti-arabische Stimmung, pro-israelische Haltung) auf. Auch wenn die Hartnäckigkeit der anti-linken Haltung ursprünglich auf der Erfahrung der Revolution von 1979 beruht, die sich gegen den damaligen Schah richtete (als „Grundlage aller Probleme des Iran“), ist sie auch eine Reaktion auf den staatlichen Diskurs der „Achse des Widerstands“.

Denn dieser verwendet teilweise eine linke politische Sprache um die Ansprüche/Narrative der IR (wie die Befreiung Palästinas) zu verteidigen oder fundamentalistische islamistische Organisationen, wie die Hamas und die Hisbollah, als Widerstandskräfte zu unterstützen. Da auch oppositionelle linke Kräfte meist Sympathie und Solidarität mit den Palästinenser*innen ausdrücken und die zionistische Politik und imperialistischen Funktionen der israelischen Regierung (in unterschiedlichen Masse) ablehnen, verflochten sich der wachsende anti-linke Diskurs im Iran mit dem Aufkommen pro-israelischer Stimmungen.

Als die anti-israelische Propaganda der IR eskalierte und die öffentlichen Kosten der Strategie der „Achse des Widerstands“ – wie beispielsweise Wirtschaftssanktionen – für die iranische Bevölkerung immer schwerer zu ertragen waren[7], gewann auch der pro-israelische Diskurs an Zugkraft. Angesichts der wiederholten und kostspieligen Misserfolge von Massenprotesten schien die Idee, die IR durch die Macht der Bevölkerung zu stürzen, zunehmend unrealistisch. In dieser allgemeinen Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit verbreiteten pro-israelische Fernsehsender in persischer Sprache rund um die Uhr ihre ideologischen Narrative.

Vor diesem historischen Hintergrund begann der Krieg Israels im Gazastreifen. Ein Konflikt, in den auch die IR durch ihre Führungsrolle in der „Achse des Widerstands“ in den regionalen Unruhen verwickelt war. Während dieses Krieges verschärften sich nicht nur die aggressive Rhetorik und die gegenseitigen Drohungen, sondern es kam auch zu mehreren militärischen Zusammenstössen. Dadurch rückte die „Iran-Israel“-Frage und die Palästina-Frage erneut in den Vordergrund der öffentlichen Debatte.

Zu diesem Zeitpunkt, der mit den psychologischen Nachwirkungen der endgültigen Niederlage des Jina-Aufstands zusammenfiel, zielte die Propaganda der israelischen Regierung und der Israel nahestehenden persisch-sprachigen Medien offener und direkter als zuvor auf die iranische Öffentlichkeit ab. So wandte sich Netanjahu wiederholt an die iranische Bevölkerung, lobte deren Kampf gegen die IR und versprach den Unzufriedenen und Verzweifelten die „Befreiung des Iran“.
Auf der anderen Seite versammelten sich die Monarchist*innen und verwandte politische Strömungen – offener denn je – zur uneingeschränkten Unterstützung der israelischen Politik und rechtfertigten und verzerrten die Kriegsverbrechen Israels in Gaza. Ein erheblicher Teil ihrer aktiven Anhänger/Befürworter*innen begrüsste die genozidalen und ethnischen Säuberungen der israelischen Regierung mit islamfeindlichen und anti-arabischen Narrativen.

Generell verbindet die Anhänger*innen des Monarchismus mit Israel (bis hin zur Besessenheit) ihre gemeinsame Opposition gegen die IR, die auf dem erweiterten Einfluss des Paradigmas „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ beruht. Diese Verbundenheit basiert auf zwei strategischen Perspektiven:

1. der ausgeprägten militärischen Macht Israels und der damit verbundenen, konkreten Möglichkeit, diese angesichts der zunehmenden Spannungen und militärischen Bedrohungen gegen die Islamische Republik einzusetzen;

2. einer möglichen Machtübernahme der Monarchisten nach dem Sturz der IR aufgrund der Nähe der israelischen Machthaber zu den US-Behörden als strategischen Verbündeten.[8]

Es ist zu vermuten, dass in den Überlegungen der US-amerikanischen und israelischen Machthaber hinsichtlich der Durchführbarkeit einer militärischen Invasion des Iran, nicht nur die bereits bestehende Schwächung der regionalen militärischen Proxy-Kräfte der Islamischen Republik eine Rolle gespielt hat, sondern auch die mögliche positive Reaktion der Öffentlichkeit auf eine solche Invasion durch Israel.

Dies gilt insbesondere angesichts der teilweisen Beeinflussung des mentalen und psychologischen Klimas der iranischen Gesellschaft durch das Paradigma „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ (auch wenn die katastrophalen Folgen dieser Invasion diese Haltung deutlich umkehren könnten). Andererseits steht der monarchistische Diskurs in auffälliger Übereinstimmung mit dem von den westlichen Mächten bevorzugten Ansatz der Neuordnung oder des Wiederaufbaus der politischen Macht im Iran.

Nun, da Israel mit der vollen Unterstützung und Genehmigung dieser Mächte endlich die Gelegenheit hat, seinem langjährigen regionalen Rivalen – der IR – einen entscheidenden Schlag zu versetzen, könnte – wenn die IR, wie es die Anzeichen vermuten lassen, vor dem Zusammenbruch steht – der Monarchismus zumindest in der Anfangsphase ein geeigneter Kandidat für eine Machtübergabe von oben (Regimewechsel) werden. Denn er verfügt bereits über viele der notwendigen Faktoren, um eine solche Rolle zu spielen: pro-westliche Ausrichtung, entschiedener Verfechter des Neoliberalismus, pro-israelisch (pro-zionistisch), anti-links und sehr „flexibel“ in Machtverhandlungen.

Die Auswirkungen der Iran-Israel-Frage (und der Iran-Palästina-Frage) auf die linke Opposition im Iran Innerhalb der oppositionellen Linken im Iran wurde die Notwendigkeit der Solidarität mit den Palästinenser*innen und die Ablehnung des zionistischen Genozids und der ethnischen Säuberungen im Zusammenhang mit dem Krieg in Gaza zwar allgemein anerkannt.
Doch die Frage, wie diese Solidaritätsbekundung im Verhältnis zum Kampf gegen die Islamische Republik artikuliert werden sollte, wurde zu einem Ort ideologischer und politischer Verwirrung und Konflikte. Im vorherrschenden Diskurs und politischen Ansatz in der Solidaritätsbewegung wird die Unterstützung des palästinensischen Widerstands sowie der Widerstand gegen die Maschinerie des Mordens und Genozids betont, die Rolle der Hamas jedoch weitgehend ausgeklammert. Dadurch wird die Hamas implizit oder explizit als Vertreterin des palästinensischen Widerstands anerkannt. Unterdessen steht die iranische linke Opposition vor dem Dilemma zwischen den folgenden widersprüchlichen Ansätzen wählen zu müssen:

Entweder die politisch-ideologische Verwandtschaft zwischen der Hamas (und dem Islamischen Dschihad) und der IR beiseite zu lassen und die Opposition zur IR im Akt der Solidarität mit Palästina praktisch zu übersehen (da laut der vorherrschenden Solidaritätsperspektive die Hamas als primäre Kraft des palästinensischen Widerstands gegen Israel bedingungslos unterstützt werden soll).

Oder einen komplexeren, wenn auch weniger anerkannten Ansatz der Solidarität mit Palästina zu verfolgen (aufgrund der geringeren Unterstützung durch palästinensische und nahöstliche linke Strömungen).

Oder eine passive, zweideutige und ineffektive Haltung einzunehmen. Dieses politische Dilemma, das zu offensichtlichen Konfrontationen und Spannungen zwischen den linken Kräften im Iran (und darüber hinaus) führte, blieb ungelöst, insbesondere aufgrund seiner umstrittenen theoretisch-strategischen Kernpunkte[9]. Die Invasion Israels im Iran und der Beginn dieses imperialistischen Krieges haben dieses politische Dilemma und das damit verbundene politische Chaos unter Linken im Iran und im Nahen Osten weiter verschärft und weiter polarisiert.

Die staatslegitimierende oberflächliche anti-imperialistische Strategie

Einige Linke im Iran betrachten die militärische Invasion Israels in den Iran als Überschreitung einer roten Linie, die jeglichen Hinweis auf den Hintergrund der Invasion nicht nur überflüssig, sondern zu einem fatalen politischen Fehler macht (im Sinne einer vermeintlichen „Relativierung der Schuld Israels“)[10]. Diese Haltung, die auf einem spezifischen Verständnis von Antiimperialismus (und/oder Antizionismus) basiert, betont die Opposition zu oder den Widerstand gegen Israel (als Kriegsstaat) und spielt die Rolle der IR bei der Ermöglichung dieses Krieges herunter. Andere Positionen, die vom gleichen Ausgangspunkt ausgehen, berufen sich auf das „Recht auf Selbstverteidigung” des iranischen Regimes, unterstützen die „Standhaftigkeit” des Irans oder befürworten sogar die Teilnahme an einem „nationalen Krieg”.

In der aktuellen turbulenten Kriegssituation verbreitet sich in den vorherrschenden Diskursen der oppositionellen Linken im Iran eine bestimmte Interpretation des Antiimperialismus, die wir kritisieren. In dem Versuch, den verzerrten politischen und medialen Mainstream-Narrativen eine radikale und entschlossene Gegenposition entgegen zu stellen, fokussiert diese Position einseitig auf die militärische Aggression und die direkte Rolle des Aggressors (Israel). Auch wenn völlig zurecht die Notwendigkeit des Widerstands gegen die israelische Vorherrschaft betont wird, neigen Vertreter*innen dieses Ansatzes dazu, die israelische Vorherrschaft und Aggression von den Hintergründen und Verhältnissen des Nahen Osten als Ganzem zu abstrahieren, wie beispielsweise von der spezifischen Rolle des islamischen Regimes im Iran.

Diejenigen Positionen, die auch die destruktive Rolle der Islamischen Republik berücksichtigen, um den Ausbruch dieses Krieges in einen breiteren Kontext zu stellen, werden oft beschuldigt, Israels Kriegsverbrechen zu relativieren oder zu beschönigen und die Rollen der beiden Staaten gleichzusetzen. Der vorherrschende Ansatz spiegelt ein breiteres Muster innerhalb des hegemonialen internationalistischen Solidaritätsdiskurses mit Palästina wider, der „wahre Solidarität” darin sieht, Kritik an der Operation der Hamas vom 7. Oktober zu vermeiden oder die tatsächliche Rolle der Hamas im Widerstand infrage zu stellen.

Mit anderen Worten: Der kriminelle Charakter des jüngsten Krieges hat eine bereits bestehende Polarisierung innerhalb der iranischen (und möglicherweise auch der breiteren nahöstlichen) Linken aktiviert, die dazu neigt, auf die politischen und medialen Verzerrungen in den Mainstream-Narrativen mit einer einseitigen, radikalen und moralisierenden Gegenposition zu reagieren.

Das ist mehr oder weniger der Kontext, in dem linke Befürworter*innen der „Achse des Widerstands” die Aggression Israels als rechtfertigenden Grund für ihre eigene politische Haltung anführen, nämlich die Legitimation der geopolitischen Strategien des Iran. Die aktuelle polarisierte und aufgeheizte Atmosphäre macht einen solchen staatsorientierten Diskurs, der zur „nationalen Einheit” gegen einen „ausländischen Feind” aufruft (und den Kampf gegen das Regime vorübergehend aussetzt), attraktiver – auch aufgrund des vorhandenen Bewusstseins über die katastrophalen Folgen imperialistischer Militärinterventionen im Irak, in Afghanistan, Libyen, Syrien, Sudan und darüber hinaus. Es gibt Anzeichen dafür, dass einige Teile der iranischen Linken zunehmend in diese Richtung tendieren.

Auf der anderen Seite vertreten Teile der iranischen sozialdemokratischen Opposition (ähnlich wie bestimmte liberale Oppositionsgruppen) eine menschenrechtsbasierte Anti-Kriegshaltung. Sie kritisieren die israelische Invasion mit unterschiedlicher Schärfe und setzen auf internationalen diplomatischen Druck, um einen Waffenstillstand und die nukleare Abrüstung zu erreichen.

Die israelische Invasion hat die Fraktionskonflikte innerhalb der linken Opposition im Iran also verschärft und dadurch einen wirksamen linken Aktivismus und Mobilisierungen für eine anti-imperialistische, anti-autoritäre und gegen den Krieg gerichtete Solidarität geschwächt. Dadurch scheint es, als wäre selbst dieses schreckliche Ereignis nicht in der Lage, die Rolle der revolutionären Linken im Iran bei der Förderung kollektiver, progressiver Handlungsmöglichkeiten entscheidend zu stärken – auch wenn die Dynamik der aktuellen Entwicklungen theoretisch innerhalb von einem Tag völlig neue Möglichkeiten eröffnen kann.[11]

Intellektuelle Herausforderungen beim Wiederaufbau des Internationalismus im Zusammenhang mit dem Nahen Osten

Selbst wenn die Flammen des aktuellen Krieges, der durch die militärische Invasion Israels entfacht wurde, bald erlöschen, bleiben seine Auswirkungen auf die Zukunft des Nahen Ostens zutiefst gefährlich. Zum einen normalisiert dieser Konflikt, unabhängig von seinen unmittelbaren Folgen, Krieg und die Aussetzung/Missachtung internationaler Normen, wie beispielsweise militärische Angriffe auf Nuklearanlagen.

Betrachtet man ihn gemeinsam mit dem anhaltenden Krieg und Genozid in Gaza, offenbart er ein beispielloses Ausmass an Entmenschlichung, das den weltweiten Aufstieg des Neofaschismus widerspiegelt. Dieser Kurs bereitet unweigerlich den Boden für schreckliche Spannungen in der Zukunft, vor allem durch die Beschleunigung der Entwicklung der Region hin zum Militarismus und damit zum Autoritarismus.

Zum anderen schaffen die direkten Auswirkungen dieses Krieges, darunter die Unterdrückung progressiver Kräfte, Bewegungen und Proteste im Iran, ein politisches Vakuum. Dieses Vakuum birgt die Gefahr, dass entweder reaktionäre Alternativen an Einfluss gewinnen und durchgesetzt werden können, wie eine imperialistische Umstrukturierung der politischen Macht von oben nach unten. Oder dass sich bestehende soziopolitische Brüche aufgrund zunehmender sozialer Krisen und weit verbreiteter Unsicherheit verschärfen.

Solche Bedingungen bergen die Gefahr, dass Konflikte zwischen unterdrückten Bevölkerungsgruppen entstehen, in dem sie sie vom gemeinsamen Kampf gegen die Grundlagen der bestehenden Ordnung ablenken, bis hin zur Gefahr des Bürgerkriegs und sozialen Zusammenbruchs. Der Krieg hat aber auch negative Auswirkungen auf die zukünftige Entwicklung der Subjektivität der unterdrückten Menschen im Iran und im Nahen Osten.

Dies geschieht indem,
  • unterdrückte Teile der Bevölkerung aufgrund erhöhter wirtschaftlicher und sozialer Unsicherheit, politischer Repression und Sicherheitsmassnahmen in die politische Passivität getrieben werden;
  • Nationalismus und Diskurse über nationale Überlegenheit und Grösse angeheizt werden, wodurch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zunehmen, indem weit verbreitete Ängste und Gefühle der Unterlegenheit und Ohnmacht verstärkt werden;
  • Förderung des islamischen Fundamentalismus, in dem der Konflikt zwischen Israel und Iran als Konflikt zwischen Islam und Judentum dargestellt wird;
  • Verstärkung des Antisemitismus: Da Israel seine aggressive und unmenschliche Politik unter dem Deckmantel der Vertretung des „Weltjudentums“ vorantreibt und mit bedingungsloser Unterstützung der Weltmächte jenseits aller Normen und Abschreckungsmassnahmen handelt, verbindet sich die notwendige Kritik an dieser Politik teilweise mit einem Hass auf Juden und Jüdinnen. Da das unmenschliche Vorgehen des israelischen Staates jenseits von internationaler Kontrolle, Rechenschaftspflicht und Strafe geschieht, ist die damit verbundene Ungerechtigkeit für viele Menschen unfassbar. Dies verstärkt wiederum ein bestehendes konspiratives Narrativ über die globale Macht der Juden und Jüdinnen, was im Wesentlichen antisemitisch ist.
Letztendlich schwächt Israels Invasion im Iran grundlegend die Prozesse der Bildung von Klassenbewusstsein bzw. antikapitalistischem Bewusstsein und Handeln.

Da sich die vorliegende Analyse in erster Linie an Genossinnen und Genossen im Nahen Osten richtet, werden wir nun die jüngsten Entwicklungen in den linken Debatten und Praxen in Bezug auf politische Interventionen in der Region untersuchen. Unser Ziel ist es, interne Herausforderungen innerhalb der Linken im Nahen Osten aufzuzeigen, die die Entwicklung einer alternativen internationalistischen Strategie behindern.

Durch die kritische Analyse eines vorherrschenden Ansatzes argumentieren wir, dass diese dominante Perspektive innerhalb der Linken die politischen Kräfte der Linken in der Region fragmentiert und geschwächt und damit jeglichen Fortschritt behindert hat. Um Klarheit zu schaffen, skizzieren wir zunächst unsere eigene Perspektive, die wir als „Dritten Weg“ bezeichnen. Theoretische Herausforderungen

Aus unserer Sicht sind die jüngsten Konflikte und die politische Polarisierung innerhalb der Linken im Iran und der breiteren Linken im Nahen Osten[12] weitgehend auf konzeptionelle Unklarheiten in folgenden Bereichen zurückzuführen:

1. Der Verflechtung des autokratischen nationalen Kapitalismus mit den globalen kapitalistischen Verhältnissen.

2. Der Natur und Funktion imperialistischer Beziehungen innerhalb des zeitgenössischen Kapitalismus im Nahen Osten.

Hinzu kommen folgende Herausforderungen für eine linke internationalistische Bewegung:

3. Autoritäre und ausbeuterische Beziehungen zu bekämpfen und sich gleichzeitig der imperialistischen Vorherrschaft entgegenzustellen;

4. Wege zu finden, um den Verbrechen und Gefahren des kolonial-zionistischen Expansionismus wirksam zu begegnen.

Auf einer konkreten und historischen Ebene spiegeln die weit verbreiteten Meinungsverschiedenheiten und Polarisierungen innerhalb der Linken im Nahen Osten die strukturellen Widersprüche der globalen Ordnung wider.

In der heutigen Welt erfordert die Reproduktion der Kapitalakkumulation – der Hauptantriebskraft des herrschenden Systems – sowohl die Unterdrückung der Massen, um deren Subjektivität einzuschränken, als auch das Anheizen militarisierter Akkumulationszyklen. Dieser Prozess erfordert die Reproduktion imperialistischer Machtstrukturen und -mechanismen auf regionaler und nationaler Ebene, vor allem durch die Konsolidierung autokratischer Mächte, die sich auf Militarismus und Despotismus stützen.

Gleichzeitig zeigen sich die unvermeidlichen Interessenkonflikte zwischen den imperialistischen Zentren durch Risse/Brüche in den Bündnissen zwischen den kapitalistischen Kernstaaten oder in Form von regionalen Stellvertreterkriegen. Letzte werden von konkreten historischen und geopolitischen Faktoren[13] beeinflusst, darunter nationale, religiöse und politische Spaltungen. Die Ausdrucksformen dieser nationalistischen, religiösen und politischen Spaltungen werden durch die Machtmechanismen imperialistischer Verhältnisse geprägt, die ihrerseits der Fluidität und Dynamik der Interessen zwischen den kapitalistischen Kernzentren unterliegen.

In einer derart komplexen Situation betonen die hier kritisierten linke Diskurse oft die Konflikte zwischen nationalen Akteuren oder regionale Krisen, anstatt die systemische Ordnung, die diese Konflikte prägt und letztlich von ihnen profitiert. Mit anderen Worten: Oberflächliche Phänomene verbergen die zugrunde liegenden Ursachen.

Dies gilt unmittelbar für die Rolle sowohl des israelischen als auch des iranischen Staates und ihre anhaltenden Konflikte bei der Gestaltung der gegenwärtigen Ordnung im Nahen Osten. Daher besteht unsere schwierige politische und intellektuelle Aufgabe darin, den gemeinsamen imperialistischen Kern der scheinbar widersprüchlichen Funktionen der beiden Staaten zu identifizieren. Denn die offensichtlichen Formen dieser Konflikte verschleiern die wesentliche Verwandtschaft der politischen Systeme, die sie verwalten[14].

Seit etwa einem halben Jahrhundert stützt sich der Vormarsch der militärisch-industriellen Maschinerie im Nahen Osten weitgehend auf zwei Hauptmotoren: auf das israelische Regime, das auf der zionistischen Ideologie basiert und auf das islamische Regime, das in einer verdrehten Interpretation des politischen Islam oder des schiitischen Fundamentalismus verwurzelt ist. Obwohl diese Staaten ihre Vorgehensweisen mit unterschiedlichen Ideologien rechtfertigen und sich in den letzten vier Jahrzehnten zunehmend gegenüberstanden, erklären weder ihre ideologischen Grundlagen noch ihre Konflikte allein ihre historische Natur oder den jüngsten Krieg.[15]

Viele linke Strömungen im Nahen Osten betonen verständlicherweise die ungebremste Aggression und Unterdrückung durch Israel, den Zionismus sowie die ungelöste Palästinenserfrage. Der Gaza-Krieg und die israelische Invasion im Iran bestätigen diese Besorgnis zweifellos. Ein politisches Problem entsteht jedoch, wenn wir versuchen, von dieser berechtigten Besorgnis zu einer umfassenden anti-imperialistischen, revolutionären Strategie für den Nahen Osten überzugehen.

Wenn diese Strategie mehr sein soll als blosser Ausdruck einer moralischen Empörung – die in linken Ansätzen oft vorherrscht – müssen wir aufzeigen, wie der palästinensische Kampf tief und materiell mit den gemeinsamen Kämpfen aller Bevölkerungen des Nahen Ostens verbunden ist. Wir müssen also erklären, wie die Mechanismen, die das Leiden der Palästinenser*innen historisch verursacht und aufrechterhalten haben, in der Region und weltweit funktionieren und miteinander verflochten sind.

Der inklusive Solidaritätsansatz bzw. der Ansatz des „Dritten Wegs“

Hier ist ein Paradigmenwechsel notwendig: weg von der Besonderheit der spezifischen Unterdrückung durch den israelischen Staat hin zur Universalität imperialistischer Verhältnisse, die von Ungerechtigkeit und Leid geprägt und weit verbreitet sind. Um dies zu erreichen, ist ein inklusiver Solidaritätsansatz unerlässlich – und kein partikularistischer.[16]

Diese Perspektive geht davon aus, dass die Unterscheidung zwischen Theorie und Strategie nicht negiert, dass die Stärke oder Schwäche einer Strategie letztlich von ihrer theoretischen Grundlage abhängt. Damit die Menschen im Iran und im Nahen Ostens ihre Solidarität mit den Palästinenser*innen wirklich zum Ausdruck bringen können, reicht es nicht aus, Israel einfach als gemeinsamen Feind zu identifizieren. Stattdessen müssen wir einräumen, dass alle Staaten der Region Beziehungen zu Israel unterhalten und von diesen abhängig sind. Sie machen sich so mitschuldig an der grauenhaften Realität im heutigen Nahen Osten – wenn auch alle auf ihre Weise und in unterschiedlichem Masse.

Nach unserem Verständnis setzt der „Dritte Weg" – entgegen oberflächlicher oder verzerrter Interpretationen – die destruktive Rolle der Staaten des Nahen Ostens bei der Aufrechterhaltung dieser „Hölle” nicht gleich. Auch stützt er sich nicht auf vergleichende Hierarchien des Bösen. Sein vorrangiges Ziel ist es, die gemeinsamen Wurzeln des Bösen und der Ungerechtigkeit sowie die miteinander verflochtenen Mechanismen ihrer Reproduktion in der gesamten Region aufzudecken und damit die strategische Notwendigkeit und Möglichkeit gemeinsamer Kämpfe zu betonen.

Während beispielsweise der koloniale israelische Staat, unterstützt von westlichen imperialistischen Mächten, ungestraft Militarismus und Zerstörung im Nahen Osten gefördert und damit immense Tragödien verursacht hat, hat die IR als sub-imperialistische Macht und reaktionärer regionaler Akteur mit vergleichbaren Mitteln und Herangehensweisen agiert, wenn auch manchmal in anderen Bereichen und in unterschiedlichem Ausmass. Der entscheidende Punkt ist, dass diese beiden Staaten nicht nur ihre Rollen und Funktionen (für globale Ordnung) konsequent im gegenseitigen Konflikt gestärkt haben, sondern dass ihr Fortbestehen grundlegend voneinander abhängt.

Wer diese Tatsache ignoriert, öffnet unweigerlich Raum für staatszentrierte oder „lagerorientierte” Interpretationen des Antiimperialismus (z. B. die Bevorzugung des geostrategischen Ansatzes des Iran gegenüber dem Israels) und/oder zu nationalistischen oder religiösen Rechtfertigungen – unabhängig davon, wie sehr dabei betont wird, dass „unsere Feindseligkeit gegenüber der Islamischen Republik [oder Israel] keiner Beweise bedarf.[17]

Eine unserer strategischen Aufgaben, die darauf abzielt, die Sackgasse der antikapitalistischen und antiimperialistischen Kämpfe im Nahen Osten zu überwinden, besteht darin, das katastrophale Monopol der IR und ihrer Verbündeten auf antiimperialistische und antizionistische Narrative im Nahen Osten zu beenden[18].

Das immense und ungebremste Ausmass der israelischen Verbrechen kann für sich genommen nicht die Bedeutung und die Perspektiven der internationalistischen Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand definieren oder rechtfertigen, wenn es von den umfassenderen Erfahrungen der Unterdrückung in der gesamten Region getrennt wird. Eine Solidaritätsbewegung, die diese Erfahrungen voneinander trennt, ist in der Praxis tendenziell ausgrenzend und damit autoritär und fragil, da sie lediglich von moralischer Empörung genährt wird. Der innere Widerspruch dieses Ansatzes der Palästina-Solidarität zeigt sich darin, dass er die Rolle der Hamas und die des iranischen Regimes bei der Degeneration des palästinensischen Widerstands verschweigt oder ignoriert.

Der inklusive Ansatz sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, „moralische Reinheit zu wählen“, „zwischen zwei Stühlen zu sitzen“, „die Handlungsfähigkeit Israels mit der der Hamas gleichzusetzen“, Israels militärische Aggression zu „relativieren“ oder „herabzuwürdigen“, „die eigenen politischen und subjektiven Erfahrungen über die Handlungsfähigkeit der Palästinenser*innen zu stellen“ und sogar „von Islamophobie beeinflusst zu sein“[19].

Es bleibt jedoch unklar, welchen strategischen Vorteil ein partikularistischer Ansatz für die Förderung revolutionärer Kämpfe im Nahen Osten und des palästinensischen Widerstands hat, da er die Abstraktion und Loslösung von Unterdrückung aus ihrem breiteren Kontext fördert. Während die hier vertretene Position des Dritten Wegs viele Kernanliegen des partikularistischen Ansatzes beinhaltet – wie die Verteidigung der palästinensischen Sache, die Hervorhebung der Ungleichheit der zionistischen Vorherrschaft, die Verurteilung des Genozids Israels in Gaza, die Ablehnung imperialistischer Kriege und die Verurteilung des Aggressorstaates –, bestehen partikularistische Genoss*innen jedoch auf einer einseitigen „absoluten und bedingungslosen“ Verurteilung der israelischen Invasion.[20] Sie behaupten, dass diese sonst moralisch nicht aufrichtig und strategisch nicht wirksam wäre.

Die geopolitischen Strategien und Politiken des Iran zu erwähnen und zu verurteilen, ist keine „Bedingung” für die Verurteilung und Ablehnung der militärischen Invasion Israels. Sie unterstreicht vielmehr die Verflechtung von Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnissen im Nahen Osten und die Notwendigkeit einer unabhängigen Haltung in Zeiten von Krieg und Krise.

Es stellt sich die Frage, was der partikularistische Solidaritätsansatz mit seiner vehementen Betonung der Trennung erreichen will. Er zielt implizit oder explizit darauf ab, die Auseinandersetzung mit dem iranischen Regime aufzuschieben, um sich auf einen vermeintlich wichtigeren Akteur oder dringlichere Angelegenheiten zu konzentrieren. Folglich würde dieser Ansatz zwangsläufig den Kampf gegen die Mechanismen der Ungerechtigkeit und Unterdrückung durch die IR aussetzen, die sich in Kriegszeiten zweifellos verschärfen werden. Die Rechtfertigung für diese Trennung und Fokussierung verweist oft auf die Dringlichkeit oder Schwere der aktuellen Kriegssituation in Gaza und im Iran.

Der partikularistische Ansatz erklärt jedoch weder, wie diese Trennung ausreichende Kräfte für eine sofortige Beendigung des Krieges und der Gräueltaten mobilisieren kann, noch erklärt er, warum eine solche Fähigkeit durch den inklusiven Ansatz behindert würde, der auf die Verknüpfung von Kämpfen in der gesamten Region abzielt und diese fördert.

Einige Vertreter*innen des Partikularismus führen das Risiko eines „Bürgerkriegs“ oder sozialen Zusammenbruchs im Iran als Grund dafür an, den Kampf gegen das iranische Regime während des Krieges aufzuschieben und sich stattdessen auf den Kampf gegen zionistische und imperialistische Aggression zu konzentrieren. Ein solch düsteres Szenario ist zwar nicht ausgeschlossen.

Dieses Argument impliziert aber, dass die Bereitschaft der israelischen und iranischen Machthaber oder der Weltmächte einen Bürgerkrieg im Iran oder dessen Verwandlung in ein „verbranntes Land“ zu verhindern, dann grösser sei, wenn die iranischen Behörden während des Krieges keinem massiven Druck der Opposition ausgesetzt sind oder wenn sich internationale Proteste ausschliesslich auf Israel konzentrieren[21].

Tatsächlich beruht der von uns kritisch beschriebene partikularistische Solidaritätsansatz – entgegen seinen eigenen Behauptungen – nicht darauf, strategische Überlegungen gegenüber theoretischen Bedenken zu priorisieren. Er ist vielmehr in erster Linie von der Notwendigkeit getrieben, auf systematische und weit verbreitete Verzerrungen durch westliche Staaten, Mainstream-Strömungen und Medien zu reagieren. Seine „strategische Hoffnung” basiert somit auf der Legitimität der moralischen Warnungen, die er ausspricht. Um politisch wirksam zu sein, muss ein solcher Ansatz in permanenter Opposition zu Mainstream-Diskursen stehen und sich so positionieren, dass er jegliche Überschneidungen mit dominanten Narrativen vermeidet.

Da jedoch gewisse Überschneidungen zwischen gegensätzlichen Positionen epistemologisch unvermeidbar sind, erfordert diese Strategie oft eine kontinuierliche Verschiebung der eigenen Position hin zur völligen Negation der Positionen der Gegner. Dadurch degradiert die eigene Position zu einer blossen Reaktion und Gegenposition. Die entscheidende Frage ist jedoch, wie diese Überschneidungen zu interpretieren sind – nicht als taktische Leugnung oder moralisches Schweigen, sondern als fester Bestandteil des Interpretationsprozesses. Schliesslich kann das Argument, dass die breite Opposition gegen die NATO-Invasion im Irak 2003 allein durch die Überwindung ideologischer und politischer Differenzen erfolgreich war, eine solche Einheit für die aktuellen antikriegs- und antikapitalistischen Kämpfe nicht rechtfertigen. Denn:

1. Das Ignorieren der strategischen Grundlagen bestimmter ideologischer Konflikte zur damaligen Zeit oder deren pragmatische Umgehung führte historisch gesehen über Jahrzehnte hinweg zur Entstehung pseudo-antiimperialistischer linker Strömungen.

2. Dieser Art der Annäherung fehlte eine tief verwurzelte Grundlage in den tatsächlichen Lebenserfahrungen der unterdrückten Bevölkerungen. Folglich gelang es ihr trotz ihrer inspirierenden Aspekte nicht, eine nachhaltige, organisierte und strategische Tradition zu etablieren, die in der Lage gewesen wäre, den nachfolgenden Vorstössen der imperialistischen Militärmaschinerie entgegenzutreten.

Wir sind uns bewusst, dass die unterdrückten Menschen im Iran und im Nahen Osten und deren zukünftige Generationen nach der Invasion des Iran durch Israel einer äusserst kritischen und gefährlichen Situation gegenüberstehen. Letztendlich müssen wir jedoch akzeptieren, dass es in diesem tragischen historischen Moment keinen einfachen oder schnellen Weg gibt. Es ist unmöglich, materielle Früchte zu ernten, die wir oder unsere Vorfahren nicht gesät oder ausreichend gepflegt hätten.

Wenn in der gegenwärtigen, von Krieg und Krisen geprägten Situation das Engagement gegen das zunehmende Leiden der unterdrückten Bevölkerungen und deren Ausweitung in Zukunft ein gewisses Mass an Pragmatismus und Distanz zu fernen politischen Idealen erfordert, muss dieser Pragmatismus die kollektive Zusammenarbeit und Initiativen zum Schutz des Lebens selbst fördern und dadurch die kollektive und kritische Subjektivität der Unterdrückten stärken. Das heisst, wir müssen Strategien und Initiativen entwickeln, die es unterdrückten Menschen ermöglichen, ihr Leben gegen die menschenverachtenden und lebensfeindlichen Kräfte und Mechanismen zu verteidigen und gleichzeitig die Ideen und materiellen Grundlagen für eine „Organisation von unten” zu fördern.

Roud Media Collective

Fussnoten:

[7] Das Aufkommen und die relativ weite Verbreitung von Slogans wie „نه غزه، نه لبنان، جانم فدای ایران“ (Nicht Gaza, Nicht Libanon, mein Leben für den Iran) sollten als Indikatoren und Produkte dieses Kontextes gesehen werden.

[8] Trotzdem hat der Sicherheits- und Justizapparat der Islamischen Republik im Laufe der Jahre vor allem Linke ins Visier genommen, darunter unabhängige Arbeitsaktivist*innen und Aktivist*innen progressiver sozialer Bewegungen, und nicht Monarchist*innen. Dies entspricht dem Unterdrückungsapparat des Schah-Regimes, der SAVAK, die es Islamisten ermöglichte, in kulturellen, sozialen und politischen Bereichen zu agieren, während sie selbst die geringsten Anzeichen linker Aktivitäten und Bewegungen hart unterdrückte.

[9] Innerhalb der rechten Opposition im Iran haben sich Narrative deutlich verstärkt, die eine Invasion Israels als Mittel zur Schwächung der iranischen Regierung begrüssen, was möglicherweise zu ihrem Sturz oder sogar zu ihrer „Erlösung” führen könnte. Diese Ansichten werden in westlichen und israelischen Medien weit verbreitet und oft als selbstverständlich dargestellt.

[10] Ein kleinerer Teil der iranischen rechten Opposition hat eine ähnliche Haltung eingenommen, allerdings aus nationalistischer Perspektive.

[11] Mit der zunehmenden Zerstörung und den Massakern durch die israelische Invasion im Iran gibt es beispielsweise Anzeichen dafür, dass einige desillusionierte Massen, die unter dem Einfluss hegemonialer Diskurse Hoffnungen auf eine ausländische Militärintervention zur „Befreiung des Iran“ gesetzt hatten, nun das ganze Ausmass dieser Illusion erkennen.

[12] Die bestehenden ideologischen und politischen Polarisierungen in der iranischen Öffentlichkeit drehen sich hauptsächlich um folgende strittige Fragen: die Natur der iranischen und israelischen Regierungen und ihre Beziehung zueinander; die Natur des Despotismus und der globalen (oder imperialistischen) Ordnung; sowie den Weg und das Wesen eines befreienden politischen Projekts. Innerhalb des rechten ideologischen und politischen Spektrums im Iran manifestieren sich diese Polarisierungen typischerweise in Debatten über Nationalismus und den Prozess der politischen Transition weg von der Islamischen Republik, wobei gleichzeitig die politische Kluft zwischen rechten und linken Diskursen und Ansätzen reproduziert wird.

[13] Diese konkreten historischen Merkmale sind in erster Linie auf das Erbe der nationalen und regionalen Geschichte der Kolonialisierung und des Imperialismus sowie auf den Entstehungsprozess moderner Nationalstaaten zurückzuführen, die gewaltsam in das globale kapitalistische System eingegliedert wurden. Viele Länder des Globalen Südens tragen noch immer soziopolitische Spaltungen in sich, die in dieser Geschichte der Unterdrückung begründet sind.

[14] In gängigen Darstellungen wird die iranische Regierung als autoritäres, reaktionäres und repressives Regime dargestellt, Israel als kolonialistischer Apartheidstaat. Das gemeinsame systemische Element, das es beiden Staaten ermöglicht, diese unmenschlichen Züge zu zeigen, ist jedoch der Militarismus (im weitesten Sinne).

[15] Genauer gesagt hat eine gewisse Parallele zwischen zwei historischen Konfrontationen diese Polarisierungen innerhalb des Iran und des Nahen Ostens vorbestimmt: 1) Die ideologische und strategische Doktrin der Islamischen Republik, die sich auf die Opposition gegen den globalen Imperialismus, die westliche Demokratie, den Säkularismus und den zionistischen Staat stützt, hat sie angesichts ihrer volksfeindlichen Bilanz und ihrer politischen Sackgasse für die Narrative, Behauptungen und Diskurse der gegnerischen Staaten attraktiv gemacht. 2) Die Fortsetzung katastrophaler imperialistischer Interventionen und Kriege im Nahen Osten, verbunden mit dem aggressiven Vorstoss Israels, der von den westlichen Mächten voll unterstützt wird, hat indirekt zu der Wahrnehmung beigetragen, dass sich der Iran vom globalen Herrschaftssystem gelöst hat und antiimperialistische Ansprüche geltend macht. Daneben haben die politische Unterdrückung und die Militarisierung der Gesellschaft unter der Islamischen Republik die Bildung von Vereinigungen, Konfrontationen und die Entwicklung politischer Perspektiven kontinuierlich blockiert und damit das Engagement der Linken in der Gesellschaft und untereinander insgesamt behindert.

[16] Die in der jüngsten linken Politik vorherrschende Tendenz, Partikularismus zu priorisieren, der in der Anerkennung von Unterschieden begründet ist, ist eine Folge des weit verbreiteten poststrukturalistischen Einflusses. Die Anerkennung von Unterschieden ist zwar notwendig und gerechtfertigt, sollte jedoch nicht unter Ignorierung der Gesamtheit der sozialen Realität oder im Widerspruch zur marxistischen Erkenntnistheorie erfolgen.

[17] Siehe den Aufsatz von I. Ganji. (Sechs dringende Punkte zum Krieg gegen den Iran, Akhabar Rooz, 28. Khordad 1404.)

[18] Gruppe Roja (Paris): „Frauen, Leben, Freiheit“ gegen den Krieg – Eine Erklärung gegen die genozidale Politik Israels und die repressive Islamische Republik – Radio Zamaneh, 30. Khordad 1404.

[19] Solche Anschuldigungen gehen oft mit Verzerrungen und/oder Karikaturen der Argumentation der Gegner*innen einher.

[20] Der Diskurs, der eine „absolute und bedingungslose Verurteilung Israels” als Aggressor oder Kriegsinitiator rechtfertigt – und dabei Perspektiven ablehnt, die auf den historischen Kontext dieser Eskalation verweisen, wie beispielsweise die Kriegstreiberei des Iran –, steht im Widerspruch zu der Logik, die zuvor von ähnlichen Tendenzen verwendet wurde. Diese Tendenzen betonten (zu Recht) die historischen Hintergründe der Operation der Hamas vom 7. Oktober gegen die israelische und westliche Propaganda, doch der aktuelle Diskurs der absoluten Verurteilung neigt dazu, diese Hintergründe zu ignorieren.

[21] Insgesamt hat die Islamische Republik Iran mit ihrem unerbittlichen und rasenden Militarismus, ihrer kleinlichen imperialistischen Politik und ihren repressiven Sicherheitsmassnahmen einen Weg in den unvermeidlichen politischen Zusammenbruch eingeschlagen, der den Zerfall des gesamten sozialen Gefüges bedroht: eine Form der „Verbrannten Erde”-Politik. Umgekehrt haben Israel und seine globalen Unterstützer wiederholt – unter anderem während des 20-monatigen Krieges und Völkermordes in Gaza und zuvor im Irak, in Libyen, Afghanistan, Sudan und Syrien – gezeigt, dass die Politik der „verbrannten Erde“ genau ihren Interessen und dem „globalen Kriegsregime“ dient.