UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

Noch immer ist nichts gut in Afghanistan! | Untergrund-Blättle

3742

Das Ergebnis des Bundeswehreinsatzes Noch immer ist nichts gut in Afghanistan!

Politik

Auch für Afghanistan und die Zeit der Bundeswehr-Stationierung in Nord-Afghanistan und vor allem deren Hauptstützpunkt Kundus, einer 300.000-EinwohnerInnen-Stadt, würde man sich in Deutschland eine kritische Aufarbeitung wünschen.

Verlegung deutscher Truppen von dem Aussenposten der Bundeswehr «Observation Post North» nach Kundus mit Hilfe einer CH-47 Chinook im Oktober 2013.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Verlegung deutscher Truppen von dem Aussenposten der Bundeswehr «Observation Post North» nach Kundus mit Hilfe einer CH-47 Chinook im Oktober 2013. Foto: MFgi (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

22. November 2016
0
0
3 min.
Drucken
Korrektur
Eine solche geschieht offensichtlich in den britischen Parlamentskommissionen - wodurch wenigstens ein innerdemokratischer Mindestanspruch gewahrt bleibt, von dem etwa in der BRD und auch in Frankreich, wo seit nun einem Jahr der Notstand herrscht, keineswegs gesprochen werden kann.

Die Bundeswehr hatte in Kundus über mehr als ein Jahrzehnt hinweg den Auftrag, die Region zu befrieden. Wieder einmal muss im Ergebnis konstatiert werden, dass genau das eben mit Militäreinsätzen nicht geht.

2013 übergab die Bundeswehr die Verantwortung am Standort Kundus den einheimischen Sicherheitskräften, Ende 2014 zogen offiziell alle NATO-Kampftruppen aus Afghanistan ab, real blieben bis heute rund 12.000 Berater, Ausbilder und vor allem US-Spezialkräfte im Land. (1)

Das Ergebnis dieses Bundeswehreinsatzes kann inzwischen alljährlich bewundert werden.

Bereits im Oktober 2015 gelang es den seither überhaupt nicht befriedeten Taliban, gelegentlich verstärkt durch IS-Kämpfer, Kundus für rund zwei Wochen zu besetzen, das dann mühsam wieder freigekämpft werden musste. Ebenso nun 2016: Am 28. September 2016 besetzten die Taliban das Stadtzentrum von Kundus. Kundus wurde so zum Symbol der Verschlimmerung der sicherheitspolitischen Situation in Afghanistan, just zu dem Zeitpunkt, als im europäischen Brüssel eine Afghanistan-Geberkonferenz zur Stabilisierung des Regimes in Kabul stattfand. Wieder gelang es den Regierungstruppen erst nach fast zweiwöchigen Gefechten und nach teilweise freiwilligem Rückzug verbliebener Taliban, Kundus am 12. Oktober zurückzuerobern. Besonders makaber, dass die US-Luftwaffe dabei einmal mehr ein Krankenhaus der "Ärzte ohne Grenzen" bombardierte, wobei mindestens 22 Menschen ums Leben kamen.

Auch in anderen Landesteilen waren die Taliban offensiv. Ein weiterer Luftschlag traf ein Haus in der Provinz Nangarhar, wo zwölf DorfbewohnerInnen starben, was sogar von der "Hilfsmission der UN in Afghanistan" (Unama) scharf kritisiert worden ist. Die Vereinten Nationen sprachen alarmiert im Juli von einer "Rekordzahl" von toten und verletzten ZivilistInnen im ersten Halbjahr 2016 für Afghanistan. Offiziell wurden 1.601 Tote und 3.565 Verletzte gezählt, das waren 4 Prozent mehr als in derselben Periode des Vorjahres - Zahlen, die selbst laut UN-Einschätzung "zu tief veranschlagt werden".

Seit der Einführung offizieller Angaben von Ziviltoten in Afghanistan im Jahre 2009 ist das gleichwohl Rekord.

Seit 2009 gab es bis zum 30. Juni 2016 insgesamt 23.000 Tote und 41.000 Verletzte in Afghanistan. Friede sieht anders aus - und vor diesem Hintergrund ist jede Diskussion in der BRD um "Rückführung" von Geflüchteten nach Afghanistan nur zynisch. (2)

So sieht die aktuelle Lage in den von Frankreich und Deutschland bisher mit Militärinterventionen überzogenen Kriegsschauplätzen aus. Und in der BRD erhebt sich heute keine Stimme einer öffentlich wahrgenommenen Person wie damals 2009 die von Margot Kässmann mehr, die sagt: "Nichts ist gut in Afghanistan!"

Wenigstens die Absichtserklärung bei der Einrichtung des NSC in Grossbritannien, aus den Fehlern des Irakkrieges lernen zu wollen, würde den Parlamenten in Frankreich und Deutschland gut zu Gesicht stehen - und eine künftige EU-Armee zumindest wieder erschweren. Aber noch die beste Absichtserklärung hat es auch im Falle Grossbritanniens nicht verhindert, von Frankreich in den Libyen-Krieg gezogen zu werden. Selbst wenn der Parlamentarismus einmal funktioniert, wie bei den kritischen Kommissionsberichten des britischen Parlaments, kommt die Einsicht, wenn überhaupt, zu spät. Auch das liegt in der Natur der parlamentarischen Herrschaft und der von ihr im Augenblick, in dem es darauf ankommt, immer wieder legitimierten Kriegspolitik.

Wir werden um den Aufbau einer neuen, massenhaften Antikriegsbewegung von unten nicht herumkommen.

Coastliner / Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 413, November 2016, www.graswurzel.net

Mehr zum Thema...
Eine F-16C Falcon der US Air Force beim Abschuss einer AGM-65D Luft-Boden-Rakete.
Die Bombardierung der Klinik von Ärzte ohne Grenzen in KundusUSA: Fisting fürs internationale Recht

21.10.2015

- Bei den US-Luftangriffen auf Kundus in Afghanistan wurde das Hauptgebäude der Traumatologie-Klinik zerstört, das Krankenhaus war seither nicht mehr in Betrieb und die Organisation Ärzte ohne Grenzen zog sich aus Kundus zurück.

mehr...
US-Soldaten in der Provinz von Afghanistan, Juni 2010.
Ein Kommentar zu 20 Jahren Afghanistan-Militärinvasion 2001-2021Afghanistan: Nach dem militärischen Desaster

22.09.2021

- Nach dem 9.11.2001 begann die Bush-Jr.-Administration ihren „Krieg gegen den Terror“ in Afghanistan; 2003 folgte die Invasion in den Irak.

mehr...
US-Soldat in Now Zad, Afghanistan, Dezember 2009.
Nur noch richtige Kriege mit klaren Zielen auf Basis nationaler Interessen – statt Humanitätsgedusel im Schlepptau der SupermachtDie schnellen Lehren aus dem Afghanistan-Krieg

16.09.2021

- Die letzten Menschen waren noch nicht aus Kabul ausgeflogen, da ergingen sich hierzulande schon Politiker wie Journalisten in der Frage, welche Konsequenzen aus dem Afghanistan-Krieg zu ziehen seien.

mehr...
Bundeswehr auch im Ausland an Grundrechte gebunden und haftbar

22.12.2020 - Im September 2009 wurden in Kundus (Afghanistan) bei einem Luftangriff, der vom Oberst der Bundeswehr Klein angeordnet worden war, etwa 100 Zivilist*innen getötet oder verletzt, darunter zwei Dutzend Kinder. Angehörige der Opfer hatten – in allen Instanzen erfolglos – versucht, per Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland, Amtshaftungsansprüche geltend zu machen und Entschädigungszahlungen zu erwirken.

Was tut die Bundeswehr in Afghanistan? Eine Selbstauskunft

31.03.2010 - Gespräch mit dem Offizier des Pressestabes im afghanischen Masar I Sharif, dem grössten deutschen Feldlager in Afghanistan über die Bedingungen und Handlungsoptionen der Soldaten im täglichen Einsatz sowie über zivile Opfer. Seit 8 Jahren sind Bundeswehrsoldaten in Afghanistan im Rahmen des internationalen ISAF-Mandates im Einsatz.

Dossier: Drohnen
Peter D. Lawlor
Propaganda
Human Rights Graveyard

Aktueller Termin in Berlin

Solicafé Schlürf // Regenbogencafé

Hallo,
heute wieder Kaffee und Kuchen (und/oder Sandwiches) im Schlürf gegen Spende, 12-18 Uhr.
Spenden gehen derzeit an die Gruppe No Nation Truck (https://nonationtruck.org/).

————————

Hello,
today ...

Dienstag, 28. März 2023 - 12:00 Uhr

Regenbogencafe, Lausitzer Str. 22a, 10999 Berlin

Event in Berlin

Schaunwama ist eine GEMA

Dienstag, 28. März 2023
- 18:30 -

Baiz

Schönhauser Allee 26A

10435 Berlin

Mehr auf UB online...

Die US-amerikanische Essayistin und Kritikerin Carmen Maria Machado, November 2017.
Vorheriger Artikel

Carmen Maria Machado: Das Archiv der Träume

Im Haus der Herrscherin

Diether Posser am SPD-Parteitag im Juni 1976 in Dortmund.
Nächster Artikel

Diether Posser: Anwalt im Kalten Krieg

Ein Stück deutscher Geschichte in politischen Prozessen 1951-1968

Untergrund-Blättle