Im Rahmen des Berliner Festivals „Tanz im August“ führt Niv Acosta „Discotropic“ auf. Eine Performance, die Science Fiction, Disco, Astrophysik, queere Körper und schwarze Erfahrungen vermischt, um Zeiten implodieren und pop-kulturelle Referenzen verschmelzen zu lassen. Das macht schon in der Vorschau Lust auf die Zukunft.
Das Stück tritt an, um die Zukunft schwarzer Weiblichkeit in der Geschichte des Sci-Fi Genres zu problematisieren. Marginalisierende Darstellungen schwarzer Frauen in populären Technologie-Fiktionen der Vergangenheit werden einer Prüfung unterzogen.
Aber es geht nicht nur um die Kritik an vergangenen Zukünften, sondern um eine Vision. Inmitten der gegenwärtigen Krise diasporischen Zusammenlebens angesichts der Gewalt gegenüber Afro-Amerikaner_innen, Geflüchteten oder Menschen islamischen Glaubens werden Angst und Hass an die Wand getanzt. Wenn Acosta bezüglich des Entstehens von „Discotropic“ sagt: „I was thinking about universes, suns, how planetary formations are created, of how stars collapse when they create new systems“, spricht er nicht nur über eine Neuanordnung des intergalaktischen Systems, sondern die Erschaffung eines ‚outer space' für Black Queers im Moment ihrer Bedrohung und Zerstörung. Das Massaker in Orlando ist unvergessen.
Sci-Fi-Formate waren und sind weiterhin vornehmlich weiss. Tritt schwarze Weiblichkeit auf, wird sie, wie das Beispiel Diahann Carrolls im Fernsehfilm „Star Wars Holiday Special“ (1978) zeigt, zur holografischen Fantasie von Meerjungfrau und Alien degradiert.
Einen Kontrapunkt zu dieser Mischung aus Idealisierung und Exotisierung bildet allein schon Niv Acostas Verkörperung queerer schwarzer Weiblichkeit. Sein schwerer und sich manchmal wenig graziös drehender Körper ist präsent und gleichzeitig fantastische Verheissung.
Arschtritt in den Fortschritt
Im Tanzstück erobern sich die Performer/innen dann schliesslich durch den Stil des Twerkings nicht nur ihre Körper zurück, sondern ihre Sexualität.Ähnlich wie Beyoncé als Meerjungfrau in ihrem Video-Film zu ihrem aktuellen Album aus dem Aquarium schwimmt, um später mit Serena Williams „cocky fresh“[1] zu bouncen, schütteln sich die Körper lasziv und eignen sich mit ruckhaften Bewegungen den Bühnenraum an. Mit der Virtuosität des sich im Hüftschwung verselbständigenden Fleisches und der zerstreuten Einheit des wackelndes Pos wird die rassistische Fantasie, die sich einst in Bildern der ausgestellten Hottentotten Venus brutal materialisierte, umgedeutet. Statt exponierter Exotik geht es hier um die dynamische Verkörperung einer Zeitlichkeit, die aus dem Rahmen fällt. So wie das Gesäss in alle Richtungen fliegt, fliege ich mit und zwar nicht nach vorn, sondern beständig durch das Raster normativer Zeit.
Zeit nach westlichen Massstäben zerfällt in den sich zergliedernden Bewegungen des Hinterns. Twerking als Arschtritt in den Fortschritt. Das ist für das Konzept des Afrofuturismus, das Vorlage für die Performance bildet, typisch. Visionen des Fortschritts im globalen Komplex der Zukunftsindustrie, die Schwarzsein immer als Scheitern betrachtet haben, werden im Afrofuturismus einer Kritik unterzogen. Blackness wird nicht länger mit vorzivilisierter Anarchie oder Rückwärtsgewandtheit assoziiert. Mit der Aneignung von Sci-Fi beziehungsweise mit der Eroberung anderer Galaxien wird eine schwarze Zukunft möglich, ohne in die Effekte weisser, liberaler Subjektivität zu investieren (Weheliye 2002).
Leidige weisse Machbarkeitsfantasien
Das sich der Kontrolle entziehende Fett des schwingenden Hinterteils beim ‚twerk' erscheint mir als rotzfreche Antwort auf weisse Machbarkeitsfantasien, die sich im posthumanistischen Diskurs unter den Schlagworten Rationalismus, Transparenz und Wahrheit tummeln. Wer schon mal versucht hat, den Hintern zu schnellen Beats wackeln zu lassen, weiss, was ich meine: Es ist der Arsch, der den Ton angibt, beim Versuch sich zur Musik zu attunen.Von dort aus weiter zu denken, heisst auch, die queere Seite des Afrofuturismus zu verstehen. Die taktile und sinnliche Wieder-Entdeckung queerer Blackness in den Fantasien zukünftiger Technologien fängt beim Gesäss an.