Zeichner und Kriegsgegner George Grosz - Ausstellung zum richtigen Zeitpunkt Zürich: Bilder gegen die Dummheit der Machthaber

Kultur

George Grosz (1893 bis 1959) war einer der berühmtesten Künstler der klassischen Moderne Deutschlands. Trotzdem blieb er aufgrund seines politischen Engagements im Abseits. Und er bleibt es auch heute noch.

George Grosz in Berlin, 1930.
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George Grosz in Berlin, 1930. Foto: Anonymous (PD)

16. Mai 2022
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Eine Ausstellung von Zeichnungen des Malers, Karikaturisten, Antimilitaristen und Antikapitalisten George Grosz gerade zu einem Zeitpunkt, an dem Russlands Putin den Krieg nach Europa zurückgebracht hat. So passend es ist, es bleibt ein Zufall. Denn die Geschichte folgt keinem Drehbuch. Aber es gibt Geschichten zu erzählen, die eine Katastrophe ankündigen können.

Grosz hat das getan mit seinen Zeichnungen, seinen Aquarellen, seinen Karikaturen. Als Chronist der 1920er Jahre stand er ganz unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs und seiner Folgen. So wurden die Nachkriegsjahre in seinen Arbeiten sehr bald die Vorkriegsjahre des Zweiten Weltkriegs.

Er erlangte in Berlin Berühmtheit, weil er seine Zeichnungen «für ein gutes Instrument im Kampf gegen das derzeitige Mittelalter (…) gegen die Dummheit und willkürliche Brutalität der derzeitigen Machthaber» hielt. Vielleicht aber auch, obwohl er das tat. Er zeichnete und malte einerseits Kriegskrüppel, Randständige und Prostituierte in den Strassen und Kneipen und andererseits die «Stützen der Gesellschaft»: kriegslüsterne Generale, fette Bürger, Professoren und Kleriker.

Er fertigte tagesaktuelle, beissende Karikaturen, die ihm einen Teil seines Lebensunterhalts einbrachten. Und er begleitete immer wieder mit offensichtlicher Begeisterung die Aktionen der Kommunistinnen und Kommunisten, auch wenn er selbst die KPD 1923 nach einem Besuch der Sowjetunion wieder verliess, weil ihm ihre Politik zu diktatorisch war.

Republikanischer Gedanke

Auffälliger Mittelpunkt der 45 in Zürich ausgestellten Werke aus dem Nachlass sind drei teils kolorierte Zeichnungen mit Variationen. Da ist die – 1923 entstandene – Flucht Wilhelms II., der sich nach seinem Sturz (1918) mit 59 Güterwagen voller Kostbarkeiten ins niederländische Dorn absetzte. Grosz' Titel: «Haltet ihn!». Unter den Armen schleppt der letzte deutsche Kaiser zwei Säcke mit Geld. Eine mächtige Hand packt ihn am Kragen, in einer Bild-Variation ist es die Hand der Kommunistischen Partei. Ein bettelnder Kriegsversehrter hockt als Beobachter am Rand des Blattes.

Dann ebenfalls von 1923 ein Boxkampf zwischen einem Arbeiter und dem deutschen Generalstabschef Hans von Seeckt, der im Oktober 1923 einen kommunistischen Aufstand im ostdeutschen Sachsen niederknüppeln liess und ein zeitweiliges Verbot der KP verfügte. Neben dem Entwurf eines Plakats für die KP ist auch das Plakat selbst zu sehen, die Leihgabe eines Zürcher Sammlers. Von Seeckt ist ordensgeschmückt und trägt auch während des Kampfes sein charakteristisches Monokel. Die martialische Plakatparole: «Schlagt tot».

Schliesslich das 1925 entstandene karikaturhafte Aquarell «Der Sieg des republikanischen Gedankens». Ihn verkörpern drei Sozialdemokraten, der deutsche Reichstagspräsident Paul Löbe, der zeitweilige deutsche Reichswehrminister und Kommunistenfresser Gustav Noske sowie Reichspräsident Friedrich Ebert. Gemeinsam schieben und stützen sie den längst vergreisten Helden des Ersten Weltkriegs, Feldmarschall Paul von Hindenburg, als Nachfolge Eberts auf den Präsidentenstuhl.

Zeitideen

Eine auf den ersten Blick unscheinbare kleine Bleistiftzeichnung von 1930 verdeutlicht schliesslich die Brillanz von Grosz in der Analyse gesellschaftlicher Bedrohungen. Betitelt mit «Zeitideen», hängen eine Faust, Hammer und Sichel an seidendünnen Fäden. Daneben steht kraftstrotzend das faschistische Rutenbündel. Und am Boden liegt im Staub die Malerpalette.

Als hätte Grosz vorausgesehen, was auf ihn zukommen sollte. Nur Tage vor dem Reichstagsbrand vom 28. Februar 1933 zog er mit seiner Familie in die USA. So entkam er dem Nazikommando, das nur noch seine Wohnung und sein Atelier verwüsten konnte. Grosz wurde ausgebürgert, seine Arbeiten wurden aus den Museen verbannt, viele endeten als «entartete Kunst» im Feuer.

Als er 1959 aus seinem US-amerikanischen Exil wieder nach Berlin zurückkehrte, wurde er mit Pomp empfangen. Dank ihm wollte die Frontstadt des Kalten Krieges wieder zur Kulturmetropole erwachen. Er hielt es in der alten Heimat nur wenige Wochen aus, dann soff sich der 66jährige zu Tode.

Grosz: Ausstellung in Zürich

Zeichnungen von George Grosz. Galerie Meridian, Kirchgasse 30, 8001 Zürich. Bis 30. April. Ab 11. Mai im Roten Antiquariat, Birmensdorferstrasse 107, 8003 Zürich. Finissage am 16. Juni.

Michael Stötzel

Zuerst erschienen in Work Nr. 8