Manche werden beantwortet, andere werden bleiben und neue werden hinzukommen. Das ist das Beste, was man über einen Film sagen kann. Es wäre in der Tat kein Zeichen für einen guten Film, wenn es am Ende keine Fragen mehr gibt, gerade bei einem solchen Thema.
Der Film führt die Zuschauer*innen zu 16 Stadtquartieren, in denen Menschen mit wenig Geld leben. Dort versuchen künstlerische Projekte, die Menschen zu begeistern. Der wissenschaftliche Begriff der Soziokultur ist im Film nur selten zu hören. Denn es kommen vor allem die Menschen in den Quartieren zwischen Flensburg und Nürnberg zu Wort, durch die diese kulturellen Projekte erreicht wurden. Diejenigen, bei denen es gelingt, sprechen oft mit viel Begeisterung von ihren konkreten Aktivitäten. Aber das Wort Soziokultur gebrauchen sie dafür bestimmt nicht.
Es ist sicher nicht erstaunlich, dass oft Kinder und junge Erwachsene durch die künstlerischen Darbietungen angesprochen werden. In dem Film werden einige von ihnen vorgestellt. Da ist ein 12-Jähriger aus dem Irak, der stolz erklärt, wie viele Sprachen er beherrscht. In einer anderen Szene sehen wir Kinder und Jugendliche, die sich zu einem Chor versammeln. Dabei kommt es eben nicht darauf an, ob alle gut singen können. Sie sind alle stolz darauf, dass sie ein Mikrophon bekommen und so von ihren Eltern und Freund*innen gehört werden und von allen gleichermassen Applaus bekommen.
Die Szene spielt in Neunkirchen, einem von Deindustrialisierung besonders betroffenen Städtchen im Saarland. In solchen gibt es oft besonders wenige Möglichkeiten, wo sich junge Menschen treffen und ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen können. Dabei ist genau das für ihre Persönlichkeitsentwicklung wichtig.
Hip-Hop ist bei ihnen besonders beliebt, sie wollen mit den eigenen Texten und Beats gehört und nicht abgeurteilt werden.
Social Body Building
Auch mit Graffiti und Streetart versuchen sie eigene Zeichen in die Öffentlichkeit zu bringen. Es geht um die Sichtbarkeit der eigenen Arbeiten. Hierfür zeigt der Film Beispiele, etwa aus Mannheim, wo junge Menschen mit grossem Eifer und viel Farbe das „Social Body Building“ an eine Mauer malen, eine interessante Wortkombination. Schliesslich wird mit Body Building die individuelle Bearbeitung des eigenen Körpers verbunden. Social Body Building meint gerade den Aufbau einer Gesellschaft für Alle, die Vorstellung, die im Namen des Films anklingt.Tatsächlich wird von einem der Beteiligten klar gesagt, dass hier Stadtteilarbeit mit anderen Mitteln gemacht wird. Auch bei der gezeigten künstlerischen Arbeit lernen sich Menschen, die bisher im Stadtteil mehr neben- als miteinander lebten, besser kennen. Und sie bekommen bestenfalls durch ihre unterschiedliche künstlerische Arbeit auch eine Ahnung von Kollektivität.
Doch im Film werden auch die kritischen Punkte angesprochen. Die Förderung der kulturellen Projekte läuft nach vier bis fünf Jahren aus. Werden die Projekte Spuren bei den Menschen hinterlassen haben oder kommt danach wieder die kulturelle Wüste zurück? Das ist eine der Fragen, die sich bei den Zuschauer*innen stellt. Es bleibt die Frage, warum solche Projekte nicht dauerhaft gefördert werden. Nur dann könnte Utopolis, die Stadt für Alle Realität werden.
Es braucht niemand zu erzählen, dass kein Geld vorhanden ist, solange weiterhin gesundheitsschädliche Autobahnprojekte mit viel Geld durchgezogen werden. Einer der Beteiligten stellt diesen Vergleich selber an, in dem er sagt, ihre Arbeit kostet so viel wie einige Meter Autobahn. Damit ist auch der zweite Teil des Titels erklärt.
Der Film kann dazu beitragen, dass die Menschen diskutieren, was sie für eine Utopolis, eine Stadt für Alle, brauchen und wie sie dafür kämpfen.