Die Washingtoner Universitätsprofessorin Ellen (Diane Lane) und ihr Mann Paul (Kyle Chandler) feiern ihren 25. Hochzeitstag. In ihrem Garten versammeln sich die vier Kinder Anna (Madeline Brewer), Cynthia (Zoey Deutch), Josh (Dylan O'Brien) und die noch zu Hause wohnende Birdie (Mckenna Grace) neben vielen Gästen. Josh, der sich erfolglos als Schriftsteller versucht hat, stellt seine Freundin Liz (Phoebe Dynevor) vor. Ellen ist entsetzt: Es handelt sich um ihre ehemalige Studentin, deren Abschlussarbeit sie wegen antidemokratischer Tendenzen beanstandet hatte. Liz verliess die Uni, bringt nun aber als Geschenk ihr Buch „The Change“ mit, das eine neue Gesellschaft mit Einparteiensystem propagiert. Liz und Josh gehören der politisch bald sehr erfolgreichen Cumberland Company an. Bis zum 30. Hochzeitstag von Ellen und Paul wird sich unter ihrem Einfluss das Leben der Familie drastisch verändern.
Eine Familie in bedrohlicher Zeit
Die politischen Veränderungen in den USA werden allmählich auch in Spielfilmen thematisiert. Zumindest indirekt, über den Umweg dystopischer Zukunftsvisionen, lassen sich Werke wie One Battle After Another von Paul Thomas Anderson oder Civil War von Alex Garland als Warnungen verstehen. Die gesellschaftliche Spaltung in liberale und rechtspopulistische Lager, die Versuche der Trump-Regierung, die Freiheit beispielsweise von Lehre und Forschung oder der Medien einzuschränken, schüren Konflikte und erzeugen ein Klima der Angst. Der gesellschaftliche Frieden und die demokratischen Werte sind, wie besagte Filme drastisch ausmalen, keine sichere Bank und ihr Verlust wäre schrecklich. Auch der polnischstämmige Regisseur Jan Komasa (Corpus Christi) spinnt in seinem englischsprachigen Debütfilm eine düstere Zukunftsvision, in der eine populistische Bewegung in naher Zukunft die Macht ergreift und die Demokratie Schritt für Schritt aushöhlt.Komasa und die Drehbuchautorin Lori Rosene-Gambino erzählen diesen Thriller aus der Perspektive einer amerikanischen Familie. Am Anfang, auf der Silbernen Hochzeit von Ellen und Paul, scheinen die Dinge noch weitgehend in Ordnung. Paul führt sein eigenes Restaurant, Ellen verteidigt die freiheitlichen Werte an der Universität gegen Kritiker. Sobald aber die redegewandte, höflich und doch eiskalt wirkende Liz auf den Plan tritt, ist es um Ellens Seelenruhe geschehen. Sie argwöhnt, dass sich ihre ehemalige Studentin an ihr rächen will, weil sie ihre Abschlussarbeit ablehnte. Sie empfindet Liz' Buch The Change als Schlag ins Gesicht, handelt es sich doch um die Thesen von damals: Eine neue Nation soll entstehen, mit nur einer Partei und strikten Werten. Paul und die Kinder finden Joshs Freundin nicht so besorgniserregend. Als die Familie zwei Jahre später zusammen Thanksgiving feiert, ist die Stimmung am Esstisch schon äusserst gereizt. Liz verkündet, dass sie Gastdozentin an Ellens Uni wird. Sie bittet die Professorin, die Einführungsrede zu halten, was diese für einen schlechten Scherz hält.
Hervorragend gespieltes Ehepaar
Diane Lane spielt Ellen als selbstbewusste Frau, die aber sehr nervös registriert, wie Liz erst ihren Sohn angelt, dann mit ihm zusammen die anderen Kinder für die „Company“ anzuwerben versucht. Sie empört sich, sie kämpft, verliert die Fassung. Kyle Chandler spielt Paul als den ruhigen Gegenpol, der immer wieder beschwichtigt und alle Familienmitglieder beschwört, friedlich das Zusammensein zu geniessen. Auf familiärer Ebene kann alles zunächst auch als scheinbar normaler Generationenwechsel interpretiert werden. Paul redet Ellen gut zu, dass sie Joshs neues Leben und Liz als seine Frau akzeptieren, also elterliche Kontrolle abgeben und auf Einfluss verzichten muss. Es schafft Suspense, wie Ellen wittert, dass das junge Paar das Elternhaus selbst mit seinem geistigen, liberalen Fundament zerstören will. Das hervorragend dargestellte elterliche Ehepaar bildet das dramatische und emotionale Zentrum des Films: An den Gesichtern von Ellen und Paul lässt sich im Laufe der Jahre am besten beobachten, wie gewaltig die Veränderungen sind, die das Land erfassen.Im ersten Teil wirkt der Spielfilm fast spannender, weil er da noch realitäts- und gegenwartsnah anmutet. In The Change lassen sich rechtspopulistische Auffassungen von Teilen der Maga-Bewegung („Make America Great Again“) wiedererkennen. Im späteren Verlauf regiert die „Company“, das Internet wird kontrolliert, Ausgangssperren folgen. Das Familiengefüge bricht auseinander: Josh und Liz spielen ihre Macht offen aus, Tochter Anna flieht in den Untergrund. Die Stimmung wird sehr düster, die beklemmende Atmosphäre rutscht in ein Gefühl der Aussichtslosigkeit ab, wie es in einem totalitären Regime herrscht. Glücklicherweise aber gibt es ausserhalb des Kinosaals noch „The Land of the Free“, in dem solche Filme produziert und nicht verboten werden.



