Roxanne „Nelson Oktoberfest“

Kultur

Als ich Steve Martins „Roxanne“ vor etlichen Jahren im Kino sah, fand ich den Film nur albern und dämlich.

Steve Martin am Tribeca Film Festival in New York, April 2008.
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Steve Martin am Tribeca Film Festival in New York, April 2008. Foto: David Shankbone (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

2. September 2022
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Die Zeiten ändern sich. Man ändert sich. Vielleicht bin ich alberner geworden auf meine mittelalterlichen Tage, wer weiss. Nachdem mich „Haus über Kopf" (2003) und „Eine Wahnsinnsfamilie“ (1989) mit Martin schon überzeugen konnten, verzauberte mich nun auch diese ältere Komödie um den Mann mit der überlangen Nase.

Doch was ist schon eine lange Nase, wenn sich jeder dafür fürchtet, ihre Existenz auch nur wahrzunehmen? Der mit dem verlängerten Riechkolben ist nicht nur Feuerwehrhauptmann. Er kann sich auch wehren. Die Einwohner von Nelson haben C. D. oder auch Charlie Bales (Steve Martin) längst akzeptiert. Mehr, sie respektieren ihn nicht nur als einen der ihren, sondern bewundern sein Selbstbewusstsein, seine Einsatzbereitschaft und seinen Mut. C. D. ist ein Pfundskerl. Die, die das nicht begriffen haben, etwa zwei Golfer oder ein arroganter Schnösel in der Bar, merken sehr bald, dass die Nase C. D's kein Thema ist, über das man sich lustig machen kann. C. D. lässt in solchen Fällen die Fäuste spielen und (respektive oder) macht den Unwissenden selbst zum Gegenstand des Gespötts.

Als der mutige Feuerwehrmann einmal wieder eine Tür öffnen muss, die die schöne, blonde Astronomie-Studentin Roxanne Kowalski (Daryl Hannah) im Eva-Kostüm hinter sich zugeschlagen hat, freunden sich die beiden bei einem von Charly kurzfristig zubereiteten Abendessen nach Öffnen der Tür an. „Vielleicht möchten sie etwas Wein zu ihrer Nase“, rutscht es der Schönen heraus, die sich gleich korrigiert: „ Äh, zum Käse.“

C. D. mag Roxanne, ja, er verliebt sich in sie, traut sich aber nicht, ihr das zu sagen. Welche Frau will schon einen, dessen Nase länger ist als sein ... Na, ja. Jedenfalls hat C. D. noch ein anderes Problem. Seine Feuerwehrleute sind die letzten Heuler. Alles nette Typen, haben sie doch keine Ahnung von Löschen und allem anderen, was dazu gehört. Die Brüder fahren doch glatt mit ausgefahrener Leiter auf dem Auto rückwärts in die Garage und durchstossen das Dach. Und während C. D. einen Sittich auf seiner Nase Platz nehmen lässt, schwebt einer seiner Kollegen auf einem Wasserstrahl, statt sich im Feuerwehrdasein zu üben.

Ein Experte muss jedenfalls her, einer, der die unfähige Truppe ausbildet. Er heisst Chris (Rick Rossovich), sieht gut aus und scheint pflegeleicht. Das merken auch die netten Damen von Nelson, und Roxanne ist sehr angetan von dem Neuzugang, obwohl sie eigentlich nach Nelson gekommen ist, um bei klarem Himmel nach den Sternen Ausschau zu halten, nicht nach Männern. Chris sieht zwar gut aus, er traut sich aber nicht, die Schöne anzusprechen, im Gegenteil, je näher er ihr ist, desto schlechter wird ihm – und einmal flüchtet er gar durch das Fenster der Toilette in der örtlichen Bar. Roxanne bittet C. D., Chris ein wenig zu stupfen. Und da der Mann nicht gerade sehr redegewandt ist, rät ihm C. D., der Angebeteten einen Brief zu schreiben. Und wer wohl schreibt den Brief? Wer wohl steht des nachts unter dem Balkon der Prinzessin und raspelt nicht einfach Süssholz, sondern sagt genau das, was Frauen hören wollen? C. D. natürlich, der während der kurzzeitigen Abwesenheit Roxannes – die gerade einen neuen Stern oder so was entdeckt hat – im Namen von Chris nicht weniger als zwanzig Briefe an sie schreibt.

Nicht nur das. Um Chris das Reden „leichter“ zu machen, verpasst ihm C. D. eine Mütze mit Ohrenklappen, unter denen ein Ohrhörer versteckt ist, durch den Chris die verbalen Anweisungen C. D's während eines Rendezvous mit Roxanne empfängt. Dass das nolens volens in die Hose gehen muss, dürfte klar sein.

Die Chancen stehen schlecht, für Chris wie für Charlie C. D. Der eine kriegt sie nicht, der andere bekommt sie nicht – was so ungefähr, mehr oder weniger, ziemlich genau auf dasselbe hinausläuft. Oder doch nicht? Chris jedenfalls versteht sich plötzlich mit einer gewissen Sandy (Shandra Beri), die in der besagten Kneipe Getränke serviert, hervorragend. Mit ihr kann er sogar sprechen! Und C. D's alte Bekannte Dixie (Shelley Duvall) meint es gut und lässt Roxanne erfahren, dass nicht Chris gefensterlt und Briefe geschrieben hat ...

Der auf die alte Geschichte von „Cyrano de Bergerac“ (1890) zurückgehende Plot hat das, was man Pfiff nennen könnte. Da läuft einer herum, der zu einer absoluten Minderheit gehört – nicht einer religiösen, ethnischen Minderheit, er ist nicht homosexuell in einer Zeit, als dies noch strafbar und verpönt war, er ist kein Aussenseiter, nein, er hat nur einen überlangen Zinken im Gesicht. Aber niemanden stört das – ausser ein paar Deppen, und ihn selbst, wenn es darum geht, dass ihm eine Frau gefällt. Und dann kommt einer daher, der toll aussieht, bei genauerem Hinsehen aber eher wie einer dieser Typen, die in Versandkatalogen inflationär abgebildet sind. Der eine hat einen physischen Makel, ist aber intelligent und gefühlvoll, der andere sieht zwar gut aus, hat aber enorme Probleme, mit Frauen zu reden, und benimmt sich nicht nur einmal wie ein Depperter. Dazwischen steht der blonde Traum, der nicht ahnt, was da plötzlich geschieht.

Martin spielt eine seiner Paraderollen – einen im Grunde selbstbewussten Typen, dem es in entscheidenden Situationen aber an dem nötigen Mut fehlt, zu seinen Gefühlen zu stehen. Als er in einer Parfümerie der Verkäuferin erzählt, er suche ein Mittelchen für eine Bekannte, die einen Makel im Gesicht habe – er sucht natürlich für sich –, kommt der das schon spanisch vor. Als dann Roxanne auftaucht und ihn fragt, ob er das für eine Freundin kaufe, antwortet er: „Nein, das ist für meine Schwester.“ „Sie haben eine Schwester?“„Nein, nein, das ist für die Freundin meiner Schwester.“ Das ist Steve Martin. Und Daryl Hannah passt sich gut ein zwischen dem etwas tumben Chris, schön gespielt von Rick Rossovich, und C. D.

Schepisi drehte diese Geschichte mit viel Liebe zum humorvollen Detail. Einziger Mangel in meinen Augen: Die Szene, als C. D. statt Chris im Dunkeln vor Roxannes Haus seine Gefühle bekennt: ein bisschen zu lang und umständlich inszeniert. Ansonsten würde ich keine Abstriche an der Story machen: kurzweilig, humorvoll und – eben nicht nur völlig albern.

Ulrich Behrens

Roxanne

USA

1987

-

107 min.

Regie: Fred Schepisi

Drehbuch: Steve Martin

Darsteller: Steve Martin, Daryl Hannah, Rick Rossovich

Produktion: Michael Rachmil, Daniel Milnich

Musik: Bruce Smeaton

Kamera: Ian Baker

Schnitt: John Scott