Naomi Ein Pionier des Pink-Film

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„Naomi“ ist ein Erotikdrama über Glück und Liebe. Kan Mukai erzählt, nicht ganz klischeefrei und bisweilen etwas schwülstig, von einer Beziehung zweier Menschen, für die beide eine Erlösung bedeuten könnte.

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27. Februar 2024
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Einst war Eriguchi (Shusaku Muto) eines der vielversprechendsten Talente im Boxring, doch das ist schon lange vorbei. Nach einer Reihe von Niederlagen hat ihn sein Trainer wie auch sein Manager fallengelassen und er hat zudem den Glauben an sich verloren. Eines Abends spricht ihn Naomi (Kaoru Miya) an, die ihn auf einen Drink einlädt. Nach einigem Zureden der geduldigen Frau rückt Eriguchi mit der Sprache heraus, was nun wirklich mit ihm geschah, denn für seine Misere verantwortlich macht er seine gescheiterte Beziehung zu Kaori (Chikako Natsumi). Auch sie hat ihn vor vielen Jahren in einer Bar kennengelernt und ihn von da an zu all seinen Kämpfen begleitet.

Doch das Glück war nicht von lange Dauer, denn als sie mit einem anderen Mann eine Beziehung einging, konnte Eriguchi dies nicht akzeptieren. Naomi versucht, den ehemaligen Boxer aufzumuntern, bietet ihm gar an, mit ihm zu schlafen, doch ihr Gegenüber braucht weitaus mehr als ein paar schöne Stunden. Die junge Frau, die ihrerseits eine harte Zeit durchgemacht hat, verliebt sich dennoch in den Boxer und will ihn seine vergangene Liebe vergessen machen.

Ein Pionier des Pink-Film

Neben seinem Kollegen Koji Wakamatsu gehört Kan Mukai zu den fleissigsten und wichtigsten Regisseuren des Pink-Film-Genre in den 1960ern und darüber hinaus. Von seinen insgesamt 200 Filmen entstanden ein Grossteil in den 1960ern und fanden sogar ihren Weg bis in europäische und US-amerikanische Kinos. Wie viele andere Regisseure, die vornehmlich Pink-Filme drehten, nutzte auch Mukai die relativ liberalen Vorgaben seiner Produzenten, um etwas zu schaffen, was zwar den Konventionen einer solchen Produktion entsprach, visuell und erzählerisch aber auch eigene Wege ging. Ein Projekt, bei dem ihm dies gelungen ist, ist Naomi von 1966, der in Deutschland unter dem Titel Unersättliche Triebe bekannt ist und der ab September 2023 in einigen ausgewählten Kinos im Rahmen der Zeitlos-Reihe von Rapid Eye Movies zu sehen ist.

Generell bewegen sich Pink-Filme immer irgendwo zwischen Exploitation und Pornografie, und es gibt nicht wenige Werke, die beide Aspekte miteinander vereinen. Sowohl Mukai wie auch Wakamatsu nutzten solche Elemente in ihren Filmen, doch schon nach den ersten paar Minuten von Naomi fällt auf, dass wir es hier mit einer ganz anderen Sorte Film zu tun haben, der Sexualität und Gewalt anders definiert, als man es vom Genre gewohnt ist. Ästhetisch wirken viele Bilder schon fast, als hätten Regisseur Mukai und Kameramann Shiro Suzuki sich beim Film Noir einige Inspirationen geholt, wie auch Drehbuchautor Toshio Godai bei der Figurengestaltung.

Es sind zwar keine Gangster oder Schiessereien zu finden, doch dafür gebrochene Menschen, die sich nach einem Neuanfang sehen. Es ist eine Welt, die einem nicht viele Chancen lässt, und einem das Glück schnell wieder nimmt, wie sowohl Eriguchi als auch Naomi wissen, die ihre Erfahrungen mit Verlust und Liebe gemacht haben. Überlegenheit weilt nur kurz, doch wer einmal von ihr gekostet hat, will dies noch einmal, was der Beginn eines langen Kampfes mit einem selbst ist, wie es bei den beiden Hauptfiguren der Fall ist.

Liebe und Stärke

Wie für einen Pink-Film üblich, gibt es die ein oder andere Sexszene in Naomi, jedoch erfüllen sie innerhalb der Handlung einen ganz anderen Zweck, als man es bei anderen Beiträgen des Genres gewohnt ist. Sexualität wird zu einem Kampf, ähnlich dem im Boxring, bei dem man leicht die Kontrolle verlieren kann, sich selbst aufgibt, aber aus dem man Hoffnung schöpfen kann. Shusaku Muto spielt einen Boxer, der seinen Körper trainiert hat und der das Glück mit den Händen hätte fassen können. Kaoru Miya sehnt sich nach einem kräftigen Mann, einem Mann, den sie lieben kann, anders als jene Freier, die ihr nachstellen und für die sie nichts empfindet. Narrativ mag dies nicht unbedingt das Gelbe vom Ei sind (und neu ist es schon einmal gar nicht), aber die Konsequenz, mit der die Liebesgeschichte der beiden erzählt wird, beeindruckt und macht Naomi zu einem sehenswerten Beitrag des Pink-Film.

Rouven Linnarz
film-rezensionen.de

Naomi

Japan

1966

-

75 min.

Regie: Kan Mukai

Drehbuch: Toshio Godai

Darsteller: Shusaku Muto, Kaoru Miya, Chikako Natsumi

Musik: Minoru Chiba

Kamera: Shiro Suzuki

Schnitt: Mukai Kan

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.