Schon in ihrer Schulzeit demonstriert Gabriele Münter (Vanessa Loibl) künstlerisches Talent. Als junge Frau ist sie dann auch fest entschlossen, selbst Künstlerin zu werden. Einfach ist das nicht, Anfang des 20. Jahrhunderts ist dies noch eine reine Männerdomäne. Doch davon lässt sie sich nicht abbringen, besucht mehrere Kurse, ist bei verschiedenen Institutionen dabei. Dabei lernt sie eines Tages den knapp elf Jahre älteren Wassily Kandinsky (Vladimir Burlakov) kennen, der einen dieser Kurse gibt. Schnell kommen sich die beiden näher, obwohl der Lehrer in seiner Heimat Russland bereits verheiratet ist. Die zwei Liebenden werden aber auch künstlerisch zusammenfinden und machen sich an, gemeinsam mit anderen die Kunst zu revolutionieren …
Aus dem Leben einer verkannten Künstlerin
Die Beiträge zur Kunst von Wassily Kandinsky sind unstrittig: Als Mitgründer von Der Blaue Reiter, seinen expressionistischen Werken und der Pionierarbeit im Bereich der abstrakten Kunst hat sich der Russe seinen Platz unter den einflussreichen Künstlern des 20. Jahrhunderts verdient. Gabriele Münter blieb eine solche Anerkennung lange verwehrt, wurde oft darauf reduziert, die Frau an der Seite von Kandinsky gewesen zu sein. Erst in den 1990ern, Jahrzehnte nach ihrem Tod, begann eine stärkere Auseinandersetzung mit ihren Arbeiten und Verdiensten. Mit Münter & Kandinsky folgt dann auch ein im Grunde überfälliger Spielfilm, welcher grundsätzlich zwar den beiden historischen Persönlichkeiten gewidmet ist, sich dabei aber spürbar stärker für Münter interessiert.So wird die Geschichte immer aus ihrer Sicht erzählt. Das zeigt sich gerade am Anfang und am Ende, wenn Kandinsky nicht Teil des Geschehens ist. Aber auch zwischendurch ist der Fokus deutlich. Ein bisschen zu deutlich vielleicht, zumindest gemessen an dem, was einen der Titel Münter & Kandinsky erwarten liess. So lernen wir die Protagonistin immer näher kennen, während er eher ein Fremdkörper bleibt. In Erinnerung bleibt er vor allem dadurch, dass er die jüngere Mitstreiterin privat immer wieder auflaufen liess, indem er sich nicht öffentlich zu ihr bekennen wollte, und sie irgendwann auch abservierte. Sympathisch ist das nicht gerade. Andererseits kann auch Münter recht anstrengend werden. Der Film sagt zwar deutlich, wie ihr Unrecht getan wurde, ohne sie deshalb aber zu einer stromlinienförmigen Heiligen zu machen. Diese Frau hat Ecken und Kanten. Hat einen starken Willen und eine Meinung, die sie mit allen teilt.
Sehenswert und informativ
Das Drama, das beim Filmfest München 2024 Premiere feierte, ist dabei einerseits das Porträt dieser bemerkenswerten Frau. Eng verbunden ist dies aber mit einem Zeitporträt. Münter & Kandinsky streift dabei die unterschiedlichsten Themen, sei es der damalige Zustand der Kunst oder auch Geschlechterbilder. So tat sich das Kollektiv zunächst durchaus schwer damit, andere von ihrem neuen Weg zu überzeugen. Anfangs geht es auch darum, dass Münter als Frau nicht ernstgenommen wird mit ihren künstlerischen Ambitionen. Dann sind da gesellschaftliche und politische Umbrüche, die sich im Hintergrund abspielen und das Leben des Duos beeinflusst. Wobei der Blick dabei schon auf den Leuten der gehobeneren Kreise gerichtet bleibt, die in einer Art Blase leben.An Themen mangelt es daher nicht: Mit grossem Aufwand wird hier ein sich über viele Jahre erstreckendes Bild angelegt, bei dem es viel zu sehen und zu entdecken gibt. Sonderlich mutig ist der Film aber nicht. Regisseur Marcus O. Rosenmüller, sonst eher für Fernsehkrimis wie Schneekind – Ein Schwarzwaldkrimi oder Ostfriesenfeuer bekannt, zeigt sich von einer inszenatorisch genügsamen Seite. So bahnbrechend die Kunst war, welche die beiden und ihr Umfeld schufen, so sehr geht dieses biografische Drama auf Nummer sicher, will bloss niemanden im Publikum fordern.
Trotz dieser doch ziemlich braven Ausgestaltung, die nicht so ganz dem Vorbild gerecht wird, ist Münter & Kandinsky aber sehenswert und informativ. Zudem bleibt einem gerade auch Hauptdarstellerin Vanessa Loibl (DISKO 76) in Erinnerung, die als willensstarke Künstlerin umherwirbelt und dabei keiner Konfrontation aus dem Weg geht.