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Luft zum Atmen - 40 Jahre Opposition bei Opel in Bochum

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Ein Film über linke Gewerkschaftsarbeit Luft zum Atmen - 40 Jahre Opposition bei Opel in Bochum

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Kultur

Da sitzt Wolfgang Schaumberg im Jahr 2018 in einem Klassenraum vor einer Tafel und erzählt, wie er und viele Genoss*innen mit ihrer Betriebsarbeit vor mehr als 45 Jahren die Weltrevolution vorantreiben wollten.

Adam Opel GmbH Werke Bochum II
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Adam Opel GmbH Werke Bochum II Foto: Stahlkocher (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

Datum 21. Mai 2019
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Er berichtet, wie die jungen Linken Kontakte mit Genoss*innen aus Deutschland und Spanien knüpften, die bei Opel arbeiteten. Im Anschluss ist Willi Hajek zu sehen, der als Jugendlicher vom Pariser Mai beeindruckt war und den Geist der Revolte in die Bochumer Fabrik tragen wollte. Robert Schlosser erinnert sich schliesslich, wie er als Jungarbeiter zu der Gruppe stiess, weil die – anders als die IG-Metall-Gewerkschafter*innen – nicht auf Sozialpartnerschaft setzten, sondern bereit waren, sich mit Bossen und Meistern anzulegen. Es sind Ausschnitte aus dem Film „Luft zum Atmen“, der an fast vier Jahrzehnte kämpferischer linker Betriebsarbeit bei Opel-Bochum erinnert.

1975 bekam die Gruppe oppositioneller Gewerkschaftler*innen (GoG) bei den Betriebsratswahlen über 5000 Stimmen und erhielt damit knapp ein Drittel der Sitze. Die IG Metall war auf die linke Konkurrenz nicht gut zu sprechen. Mehrere GoG-Mitglieder wurden ausgeschlossen, einige erst nach vielen Jahren wieder in die Gewerkschaft aufgenommen. Doch der Konflikt mit der IG-Metall-Bürokratie setzte sich fort. Schliesslich mussten die rebellischen Kolleg*innen ihren Namen in „Gegenwehr ohne Grenzen“ ändern.

Die Gruppe, die sich seit 1972 jede Woche getroffen hatte, hielt auch nach der Schliessung von Opel im Jahr 2014 Kontakt und begann, über einen Film nachzudenken, der von den vielen Kämpfen der Belegschaft erzählt. Die linke Videoplattform labournet.tv, die Filme über die globalen Arbeitskämpfe veröffentlicht, wurde schliesslich mit der Umsetzung beauftragt. Der Film zeigt die alltägliche Kleinarbeit linker Gewerkschafter*innen, die für ein langfristiges Engagement entscheidend war. Dazu gehört der Kampf um den Bildungsurlaub, der es den Beschäftigten ermöglichte, den Betrieb eine Woche zu verlassen und sich mit anderen Themen zu beschäftigen.Die GoG sorgte dafür, dass Opel ein rebellischer Betrieb blieb. 2004 machte das Werk mit einem siebentägigen wilden Streik gegen Entlassungspläne noch einmal bundesweit Schlagzeilen. Beschäftigte, die den Betrieb und die Autobahn lahmlegen – solche Bilder kannte man von Arbeitskämpfen in Frankreich, aber nicht in der BRD. Hier ging die Saat auf, die die GoG gesät hatte.

Und doch entschied sich in einer Urabstimmung schliesslich eine grosse Mehrheit der Belegschaft dafür, den Streik zu beenden, gerade in dem Augenblick, als er Wirkung zeigte und europaweit zu Lieferproblemen führte. Als der Betrieb schliesslich vollständig geschlossen wurde, gab es kaum noch Widerstand. Noch heute sind damalige Aktivist*innen enttäuscht über die IG-Metall-Bürokratie, aber auch auf ihre eigenen Kolleg*innen. Doch die grössere Niederlage war das Scheitern des schon im Namen der Gruppe angelegten Versuchs, europaweiten Widerstand aller Opel-Werke gegen das Management zu organisieren. Die GoG reiste zu den verschiedenen Standorten in Spanien, Belgien und Osteuropa. Aber ein gemeinsamer Widerstand kam nicht zustande. Die Gründe dafür werden Gegenstand der Diskussion sein, die der Film auslöst.

Mit dem deprimierenden Abbruch des Ausstands 2004 endet der Film, aber nicht die Geschichte der GoG. Die war noch weiter im Betrieb aktiv, allerdings mit nachlassender Unterstützung. Sie beteiligte sich in den letzten Jahren vor der Opel-Schliessung auch an der Diskussion über die Fragen, was wollen wir produzieren, müssen es unbedingt Autos sein oder können wir mit unserem Wissen und unseren Maschinen nicht auch Gegenstände produzieren, die gesellschaftlich verträglicher sind als Autos.

Diese Diskussion, die im Film jetzt nicht vorkommt, wäre allerdings auch für Veranstaltungen nach den Filmvorführungen interessant. Muss eine linke Gewerkschaftsarbeit in Betrieben, die beispielsweise Autos produzieren, nicht mehr sein als eine konsequente Interessenvertretung für die Beschäftigten? Geht es nicht um die Frage, was produziert wird und wie können die Arbeitenden da Einfluss nehmen? Schliesslich gab es Ende der 1970er solche Diskussionen der Konversion von Produktionen unter Arbeiter*innenkontrolle, angeregt von Beschäftigten der britischen Rüstungsfirma Lucas Aerospace. Sie führte zu einer heute leider fast vergessenen Debatte über die Produzent*innenmacht in Betrieben, welche für Mensch und Umwelt schädliche Produkte herstellen.

Peter Nowak
graswurzel.net

Luft zum Atmen

Deutschland

2019

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70 min.

Regie: Johanna Schellhagen

Produktion: labournet.tv

Musik: Joel Vogel

Kamera: Zara Zandieh, Thilo Schmidt, Milica Deni

Schnitt: Johanna Schellhagen